Der "Aids-Prozess" in Libyen
26.07.2007 um 12:50Link: www.tagesschau.de (extern) (Archiv-Version vom 24.07.2007)
Der "Aids-Prozess" in Libyen
Februar 1999: 19 in Libyen beschäftigte Krankenhausmitarbeiter aus Bulgarien werden nach Ermittlungen zu HIV-Infektionen festgenommen. Später werden 13 von ihnen wieder freigelassen.
Februar 2000: Der Prozess gegen die sechs bulgarischen Krankenhausmitarbeiter sowie einen palästinensischen Arzt und neun Libyer beginnt. Ihnen wird vorgeworfen, mehr als 400 Kinder wissentlich mit HIV-verseuchten Blutkonserven infiziert zu haben. Die Libyer werden wegen Fahrlässigkeit angeklagt.
3. September 2003: Der französische Arzt Luc Montagnier sagt aus, die Aids-Epidemie sei bereits ein Jahr vor Ankunft der Bulgaren ausgebrochen.
8. September 2003: Die libysche Staatsanwaltschaft fordert Todesurteile für die sechs Bulgaren sowie den Palästinenser. Gleichzeitig werden neun libysche Polizisten beschuldigt, die Angeklagten gefoltert zu haben. Ihnen soll getrennt der Prozess gemacht werden.
6. Mai 2004: Ein libysches Gericht verurteilt fünf bulgarische Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt zum Tode. Ein bulgarischer Arzt wird freigesprochen.
7. Juni 2005: In dem Folterprozess spricht ein Gericht in der Hauptstadt Tripolis die neun libyschen Polizisten frei.
25. Dezember 2005: Das Oberste Gericht hebt das Todesurteil gegen die Ausländer auf und verweist den Fall zurück an ein untergeordnetes Gericht.
21. Januar 2006: Familien der infizierten Kinder verlangen Entschädigungszahlungen von insgesamt 4,4 Milliarden Euro, um das ins Stocken geratene Verfahren zu beenden.
4. Juli 2006: In dem neu aufgerollten Verfahren weisen die Angeklagten die Anschuldigungen erneut zurück.
6. Dezember 2006: Internationale Wissenschaftler verfolgen den Ursprung des HI-Virus, mit dem die Kinder infiziert sind. Sie weisen nach, dass der spezielle Virusstrang bereits vor der Ankunft der ausländischen Mediziner verbreitet war.
19. Dezember 2006: Ein zweites Gericht kommt nach einem siebenmonatigen Prozess zum selben Ergebnis wie das erste: die Angeklagten werden schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.
17. Februar 2007: Kurz vor Fristende legt der Anwalt der Krankenschwestern, wie zuvor auch der Anwalt des Arztes, letztmals Berufung gegen die Todesurteile ein. Eine Entscheidung des Obersten Gerichts wird in einigen Monaten erwartet.
27. Mai 2007: Ein Gericht lehnt eine Verleumdungsklage der Polizei gegen die Verurteilten ab. Diese hatten ausgesagt, ihre Geständnisse seien unter Folter zustandegekommen.
20. Juni 2007: Vor dem Obersten Gericht Libyens beginnt ein Berufungsverfahren. Der palästinensische Arzt hat zuvor die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten.
11. Juli 2007: Das Gericht bestätigt die Todesurteile. Die Angeklagten bestehen auf ihrer Unschuld.
17. Juli 2007: Der Oberste Richterrat, der Urteile überprüft und Verurteilte begnadigen kann, wandelt die Todesurteile gegen die Krankenschwestern und den Arzt in lebenslange Haftstrafen um. Zuvor war eine außergerichtliche Einigung mit den Familien der erkrankten Kinder über eine finanzielle Abfindung erzielt worden.
18. Juli 2007: Ein Gericht in Tripolis erklärt die Angeklagten in einem weiteren Verleumdungsverfahren für nicht schuldig.
24. Juli 2007: Nach tagelangen Verhandlungen zwischen Libyen und einer europäischen Delegation in Tripolis dürfen die sechs Mediziner das nordafrikanische Land verlassen und fliegen nach Sofia.
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Nach der Freilassung der Bulgaren
Frankreich will in Libyen Atomreaktor bauen
Großansicht des Bildes Grafik: Gedeihliche Zusammenarbeit: Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy (links) und der libysche Diktator Muhammar Gaddafi]
Frankreich will Libyen einen Atomreaktor liefern, der Energie für die Entsalzung von Meerwasser produzieren soll. Beide Seiten unterzeichneten während des Besuchs des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Tripolis einen entsprechenden Vertrag.
Es gebe keine Verbindung zu der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern, betonte Sarkozy in Tripolis. "Der Reaktor soll helfen, den großen Bedarf an Trinkwasser zu decken", zitierte der französische Sender France-Info Präsidentenberater Claude Géant. "Es gibt zu wenig Trinkwasser in Libyen, mit der erneuerbaren Atomenergie kann das Wasser entsalzt werden."
Neben dem Vertrag über den Atomreaktor unterzeichneten beide Seiten weitere Abkommen über eine "globale Partnerschaft", Verteidigung, Universitäten und kulturelle Zusammenarbeit. Sarkozy hatte betont, dass die Reise dazu diene, Libyen wieder in die internationale Gemeinschaft aufzunehmen. Er wurde vom libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi empfangen.
Hoffen auf Rüstungsgeschäfte
Bisher ist der Wirtschaftsaustausch zwischen Libyen und Frankreich sehr gering. Der Flugzeugbauer Dassault hat allerdings in diesem Jahr einen Auftrag zur Modernisierung von Jagdbombern des Typs Mirage F1 erhalten und hofft auf Aufträge für sein Kampfflugzeug Rafale.
Libyen habe außerdem Interesse an einer von Sarkozy vorgeschlagenen Mittelmeer-Union, die die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten fördern soll, sagte Sarkozys Sprecher. Libyen ist eines der Durchgangsländer für afrikanische Migranten, die versuchen, illegal nach Europa zu kommen.
Der "Aids-Prozess" in Libyen
Februar 1999: 19 in Libyen beschäftigte Krankenhausmitarbeiter aus Bulgarien werden nach Ermittlungen zu HIV-Infektionen festgenommen. Später werden 13 von ihnen wieder freigelassen.
Februar 2000: Der Prozess gegen die sechs bulgarischen Krankenhausmitarbeiter sowie einen palästinensischen Arzt und neun Libyer beginnt. Ihnen wird vorgeworfen, mehr als 400 Kinder wissentlich mit HIV-verseuchten Blutkonserven infiziert zu haben. Die Libyer werden wegen Fahrlässigkeit angeklagt.
3. September 2003: Der französische Arzt Luc Montagnier sagt aus, die Aids-Epidemie sei bereits ein Jahr vor Ankunft der Bulgaren ausgebrochen.
8. September 2003: Die libysche Staatsanwaltschaft fordert Todesurteile für die sechs Bulgaren sowie den Palästinenser. Gleichzeitig werden neun libysche Polizisten beschuldigt, die Angeklagten gefoltert zu haben. Ihnen soll getrennt der Prozess gemacht werden.
6. Mai 2004: Ein libysches Gericht verurteilt fünf bulgarische Krankenschwestern und den palästinensischen Arzt zum Tode. Ein bulgarischer Arzt wird freigesprochen.
7. Juni 2005: In dem Folterprozess spricht ein Gericht in der Hauptstadt Tripolis die neun libyschen Polizisten frei.
25. Dezember 2005: Das Oberste Gericht hebt das Todesurteil gegen die Ausländer auf und verweist den Fall zurück an ein untergeordnetes Gericht.
21. Januar 2006: Familien der infizierten Kinder verlangen Entschädigungszahlungen von insgesamt 4,4 Milliarden Euro, um das ins Stocken geratene Verfahren zu beenden.
4. Juli 2006: In dem neu aufgerollten Verfahren weisen die Angeklagten die Anschuldigungen erneut zurück.
6. Dezember 2006: Internationale Wissenschaftler verfolgen den Ursprung des HI-Virus, mit dem die Kinder infiziert sind. Sie weisen nach, dass der spezielle Virusstrang bereits vor der Ankunft der ausländischen Mediziner verbreitet war.
19. Dezember 2006: Ein zweites Gericht kommt nach einem siebenmonatigen Prozess zum selben Ergebnis wie das erste: die Angeklagten werden schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt.
17. Februar 2007: Kurz vor Fristende legt der Anwalt der Krankenschwestern, wie zuvor auch der Anwalt des Arztes, letztmals Berufung gegen die Todesurteile ein. Eine Entscheidung des Obersten Gerichts wird in einigen Monaten erwartet.
27. Mai 2007: Ein Gericht lehnt eine Verleumdungsklage der Polizei gegen die Verurteilten ab. Diese hatten ausgesagt, ihre Geständnisse seien unter Folter zustandegekommen.
20. Juni 2007: Vor dem Obersten Gericht Libyens beginnt ein Berufungsverfahren. Der palästinensische Arzt hat zuvor die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten.
11. Juli 2007: Das Gericht bestätigt die Todesurteile. Die Angeklagten bestehen auf ihrer Unschuld.
17. Juli 2007: Der Oberste Richterrat, der Urteile überprüft und Verurteilte begnadigen kann, wandelt die Todesurteile gegen die Krankenschwestern und den Arzt in lebenslange Haftstrafen um. Zuvor war eine außergerichtliche Einigung mit den Familien der erkrankten Kinder über eine finanzielle Abfindung erzielt worden.
18. Juli 2007: Ein Gericht in Tripolis erklärt die Angeklagten in einem weiteren Verleumdungsverfahren für nicht schuldig.
24. Juli 2007: Nach tagelangen Verhandlungen zwischen Libyen und einer europäischen Delegation in Tripolis dürfen die sechs Mediziner das nordafrikanische Land verlassen und fliegen nach Sofia.
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Nach der Freilassung der Bulgaren
Frankreich will in Libyen Atomreaktor bauen
Großansicht des Bildes Grafik: Gedeihliche Zusammenarbeit: Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy (links) und der libysche Diktator Muhammar Gaddafi]
Frankreich will Libyen einen Atomreaktor liefern, der Energie für die Entsalzung von Meerwasser produzieren soll. Beide Seiten unterzeichneten während des Besuchs des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Tripolis einen entsprechenden Vertrag.
Es gebe keine Verbindung zu der Freilassung der bulgarischen Krankenschwestern, betonte Sarkozy in Tripolis. "Der Reaktor soll helfen, den großen Bedarf an Trinkwasser zu decken", zitierte der französische Sender France-Info Präsidentenberater Claude Géant. "Es gibt zu wenig Trinkwasser in Libyen, mit der erneuerbaren Atomenergie kann das Wasser entsalzt werden."
Neben dem Vertrag über den Atomreaktor unterzeichneten beide Seiten weitere Abkommen über eine "globale Partnerschaft", Verteidigung, Universitäten und kulturelle Zusammenarbeit. Sarkozy hatte betont, dass die Reise dazu diene, Libyen wieder in die internationale Gemeinschaft aufzunehmen. Er wurde vom libyschen Staatschef Muammar el Gaddafi empfangen.
Hoffen auf Rüstungsgeschäfte
Bisher ist der Wirtschaftsaustausch zwischen Libyen und Frankreich sehr gering. Der Flugzeugbauer Dassault hat allerdings in diesem Jahr einen Auftrag zur Modernisierung von Jagdbombern des Typs Mirage F1 erhalten und hofft auf Aufträge für sein Kampfflugzeug Rafale.
Libyen habe außerdem Interesse an einer von Sarkozy vorgeschlagenen Mittelmeer-Union, die die Zusammenarbeit der Anrainerstaaten fördern soll, sagte Sarkozys Sprecher. Libyen ist eines der Durchgangsländer für afrikanische Migranten, die versuchen, illegal nach Europa zu kommen.