Judenhass in der Kinderliga
31.05.2007 um 10:19Judenhass in der Kinderliga
Von Heike Baldauf
"Fidschi", "Ausländerschwein","fick dich, du Jude" - Zitate aus dem Spielbericht des Schiedsrichters einesFußball-Jugendspiels im sächsischen Wurzen. Der Rassismus in Ostdeutschland hat dieKinderligen erreicht - und Verantwortliche finden alles gar nicht soschlimm.
Wurzen - Das Albert-Kunz-Stadion im sächsischen Wurzen, ein schmuckesStädtchen in der Nähe von Leipzig. "Eine U-Bahn bauen wir, von Chemnitz bis nachAuschwitz...", skandieren etwa 30 Jugendliche aus voller Kehle. Kurz darauf eineumstrittene Abseitsanzeige durch den Linienrichter: "Wink' richtig, sonst ziehen wir dirdie Vorhaut runter, du Jude!", rufen einige dem Assistenten der Schiedsrichterin zu. Esist Himmelfahrtstag, die C-Jugend des "ATSV Frisch Auf Wurzen" spielt zu Hause gegen denVfB Fortuna Chemnitz.
"Du Fidschischwein", "Ausländerschweine", brüllt es zweiJungen des Gastvereins, beide 14, beim Einwechseln auf dem Rasen entgegen. Sobald sieBallkontakt haben, ertönen "affenähnliche Laute". "Du Judenschwein, fick deine Mutter,denn die ist Jüdin", muss sich der ebenfalls 14-jährige Torwart aus Chemnitz anhören.Nach der Begegnung heißt es seitens der Gastgeber: "Spielt das nicht so hoch... SolcheGesänge kommen doch bei jedem Fußballspiel vor."
Die Zitate stammen aus demSonderbericht der Leipziger Schiedsrichterin Christine Weigelt, die das Spiel leitete.Zusammen mit weiteren schriftlichen Aussagen von Zeugen liegt das Papier beim Chef derPolizeidirektion Westsachsen, Bernd Merbitz. "Aufgrund des Berichtes ermitteln wir vonAmts wegen. Die Kriminalpolizei und der Staatsschutz befassen sich damit", erklärt er.Und schiebt in aller Deutlichkeit hinterher: "Wir nehmen die Sache sehrernst."
Was er nicht sagt: Nur weil Schiedsrichterassistent Henry Lickfeldt beider Polizei anrief, hat die Sache überhaupt ein Nachspiel. "Sonst wäre der Vorfallvielleicht gar nicht bekannt geworden, wie so oft", meint Martin Endemann vom Bündnisaktiver Fußballfans (BAFF) in Hanau. Das Bündnis setzt sich für mehr Toleranz undFairness unter Fußballfans aller Vereine in Deutschland ein und versucht, jegliche Formvon Ausländerfeindlichkeit zu bekämpfen. Endemann weiß: "Schiedsrichter schauen insolchen Situationen öfters weg, um keinen Ärger zu bekommen. Diese Erfahrung haben wirüber Jahre gemacht."
"Schon zu Spielbeginn war die Gruppe, aus der die Rufe kamen,alkoholisiert", erzählt Schiedsrichterassistent Lickfeldt. "Braune Glasflaschen machtendie Runde. In der zweiten Spielhälfte gab es eine längere Spielunterbrechung, weil eseinem Zuschauer aufgrund fehlender Ordnungskräfte gelang, mit einer Bierflasche in derHand in die Zone der Chemnitzer Bank vorzudringen und dort Wechselspieler und denTrainerstab anzupöbeln."
Trotz mehrfacher Aufforderung durch die insgesamt dreiSchiedsrichter hätten die Gastgeber keinen erkennbaren Ordnungsdienst gestellt. Nach demSpiel sei es in der Schiedsrichter-Kabine zu "unglaublichen Szenen" gekommen. "DerWurzener Schiedsrichterbetreuer Armin Häring wollte einen normalen Spielablauf gesehenhaben. Zudem warnte er die Schiedsrichterin vor einem Sonderbericht. Trainer Mäding hatgeäußert: Wenn du schon etwas schreibst, dann mach es nicht so wild, da der DFB eh geradeganz heiß auf solche Geschichten ist." Lickfeldt pfeift seit 1986, doch so etwas habe ernoch nicht erlebt. Da sei der 0:2 Erfolg für die Gäste völlige Nebensache. Noch vorPfingsten stellte er Strafanzeige wegen Beleidigung und Nötigung.
"Wir werdendargestellt als reine Monster"
"Kein Ordnerdienst vorhanden, rassistischeÄußerungen und Feuerwerkskörperabschuss durch Wurzener Anhänger" ist im Spielberichtunter sonstigen Vorkommnissen zu lesen. Für ATSV-Präsident Heiko Wandel, der nach eigenenAngaben am 17. Mai nicht auf dem Spielfeld war, stimmt der Bericht "hinten und vornenicht". Seine Meinung: "Die Schiedsrichterin war nicht Herrin der Lage. Da wird vielreininterpretiert", meint er. "So was hat's bei uns noch nie gegeben. Wir werdendargestellt als die reinen Monster. Dabei haben wir selber Vietnamesen und Russen unterden Spielern und machen eine gute Jugendarbeit."
15 Nachwuchsmannschaften zähleder Verein, "und es mangelt an Trainern, weil sich bei uns immer mehr Jugendlichemelden." Seine anfangs geschilderte Version gegenüber einer Lokalzeitung, bei den Pöblernhandelte es sich "um Fremde", vertritt er jetzt nicht mehr. "Es kann schon sein, dassdarunter welche aus unserer A- und B-Jugend waren, das wird sichklären."
Von Heike Baldauf
"Fidschi", "Ausländerschwein","fick dich, du Jude" - Zitate aus dem Spielbericht des Schiedsrichters einesFußball-Jugendspiels im sächsischen Wurzen. Der Rassismus in Ostdeutschland hat dieKinderligen erreicht - und Verantwortliche finden alles gar nicht soschlimm.
Wurzen - Das Albert-Kunz-Stadion im sächsischen Wurzen, ein schmuckesStädtchen in der Nähe von Leipzig. "Eine U-Bahn bauen wir, von Chemnitz bis nachAuschwitz...", skandieren etwa 30 Jugendliche aus voller Kehle. Kurz darauf eineumstrittene Abseitsanzeige durch den Linienrichter: "Wink' richtig, sonst ziehen wir dirdie Vorhaut runter, du Jude!", rufen einige dem Assistenten der Schiedsrichterin zu. Esist Himmelfahrtstag, die C-Jugend des "ATSV Frisch Auf Wurzen" spielt zu Hause gegen denVfB Fortuna Chemnitz.
"Du Fidschischwein", "Ausländerschweine", brüllt es zweiJungen des Gastvereins, beide 14, beim Einwechseln auf dem Rasen entgegen. Sobald sieBallkontakt haben, ertönen "affenähnliche Laute". "Du Judenschwein, fick deine Mutter,denn die ist Jüdin", muss sich der ebenfalls 14-jährige Torwart aus Chemnitz anhören.Nach der Begegnung heißt es seitens der Gastgeber: "Spielt das nicht so hoch... SolcheGesänge kommen doch bei jedem Fußballspiel vor."
Die Zitate stammen aus demSonderbericht der Leipziger Schiedsrichterin Christine Weigelt, die das Spiel leitete.Zusammen mit weiteren schriftlichen Aussagen von Zeugen liegt das Papier beim Chef derPolizeidirektion Westsachsen, Bernd Merbitz. "Aufgrund des Berichtes ermitteln wir vonAmts wegen. Die Kriminalpolizei und der Staatsschutz befassen sich damit", erklärt er.Und schiebt in aller Deutlichkeit hinterher: "Wir nehmen die Sache sehrernst."
Was er nicht sagt: Nur weil Schiedsrichterassistent Henry Lickfeldt beider Polizei anrief, hat die Sache überhaupt ein Nachspiel. "Sonst wäre der Vorfallvielleicht gar nicht bekannt geworden, wie so oft", meint Martin Endemann vom Bündnisaktiver Fußballfans (BAFF) in Hanau. Das Bündnis setzt sich für mehr Toleranz undFairness unter Fußballfans aller Vereine in Deutschland ein und versucht, jegliche Formvon Ausländerfeindlichkeit zu bekämpfen. Endemann weiß: "Schiedsrichter schauen insolchen Situationen öfters weg, um keinen Ärger zu bekommen. Diese Erfahrung haben wirüber Jahre gemacht."
"Schon zu Spielbeginn war die Gruppe, aus der die Rufe kamen,alkoholisiert", erzählt Schiedsrichterassistent Lickfeldt. "Braune Glasflaschen machtendie Runde. In der zweiten Spielhälfte gab es eine längere Spielunterbrechung, weil eseinem Zuschauer aufgrund fehlender Ordnungskräfte gelang, mit einer Bierflasche in derHand in die Zone der Chemnitzer Bank vorzudringen und dort Wechselspieler und denTrainerstab anzupöbeln."
Trotz mehrfacher Aufforderung durch die insgesamt dreiSchiedsrichter hätten die Gastgeber keinen erkennbaren Ordnungsdienst gestellt. Nach demSpiel sei es in der Schiedsrichter-Kabine zu "unglaublichen Szenen" gekommen. "DerWurzener Schiedsrichterbetreuer Armin Häring wollte einen normalen Spielablauf gesehenhaben. Zudem warnte er die Schiedsrichterin vor einem Sonderbericht. Trainer Mäding hatgeäußert: Wenn du schon etwas schreibst, dann mach es nicht so wild, da der DFB eh geradeganz heiß auf solche Geschichten ist." Lickfeldt pfeift seit 1986, doch so etwas habe ernoch nicht erlebt. Da sei der 0:2 Erfolg für die Gäste völlige Nebensache. Noch vorPfingsten stellte er Strafanzeige wegen Beleidigung und Nötigung.
"Wir werdendargestellt als reine Monster"
"Kein Ordnerdienst vorhanden, rassistischeÄußerungen und Feuerwerkskörperabschuss durch Wurzener Anhänger" ist im Spielberichtunter sonstigen Vorkommnissen zu lesen. Für ATSV-Präsident Heiko Wandel, der nach eigenenAngaben am 17. Mai nicht auf dem Spielfeld war, stimmt der Bericht "hinten und vornenicht". Seine Meinung: "Die Schiedsrichterin war nicht Herrin der Lage. Da wird vielreininterpretiert", meint er. "So was hat's bei uns noch nie gegeben. Wir werdendargestellt als die reinen Monster. Dabei haben wir selber Vietnamesen und Russen unterden Spielern und machen eine gute Jugendarbeit."
15 Nachwuchsmannschaften zähleder Verein, "und es mangelt an Trainern, weil sich bei uns immer mehr Jugendlichemelden." Seine anfangs geschilderte Version gegenüber einer Lokalzeitung, bei den Pöblernhandelte es sich "um Fremde", vertritt er jetzt nicht mehr. "Es kann schon sein, dassdarunter welche aus unserer A- und B-Jugend waren, das wird sichklären."