Die langsame aber sichere Ausrottung der Deutschen
03.06.2008 um 13:21
Ach, DER Fernau:
Joachim Fernau diente während des 2. Weltkrieges bei einem Polizeibataillon und wurde im Frühjahr 1940 Kriegsberichterstatter bei der Propagandatruppe der Waffen-SS. Als solcher verfasste Texte wie diesen:"Wir werden den letzten Preis, den wir noch zu bezahlen haben, eben bezahlen. Mit allen Mitteln und mit allen Kräften. Der Sieg ist wirklich ganz nahe." ("Das Geheimnis der letzten Kriegsphase", Völkischer Beobachter, 30. August 1944).
Auch nach der Wendung zum vermufft-humoristischen Schreiber in der Adenauer-Republik hat er sich von seiner Tätigkeit für die SS niemals distanziert.
"Einer der ärgsten Umwerter, denen alles, worüber sie reden, zum Geplapper wird, war Joachim Fernau. Zug um Zug, Jahr für Jahr nahm er sich ein Stück Historie vor, ein Land, eine Nation, einen Schluck Kulturgeschichte (möglichst deren pikante Ecken), las darüber drei, vier Bücher, schaute in ein, zwei Lexika und ließ das derart Überflogene nun wieder aus seinem Mundwerk aufs Papier fließen, wo's zu Büchern anschwoll - und diese Bücher wurden Bestseller, eins ums andre: "Rosen für Apoll" (über das alte Griechenland), "Disteln für Hagen" (über die treuen und mutigen Deutschen), "Cäsar lässt grüßen" (natürlich über die Römer), "Halleluja. Die Geschichte der USA" - und so weiter in zwanzig, dreißig Büchern. Bestseller alle.
Fernaus Kniff: nicht lang denken, nicht viel wissen, lieber drauflos reden und schreiben. Spontan, direkt, im Boulevardton. Einfach so dahergesprochen, plapperte es ihm in die Maschine, mit Witzen, kessen Lippen, Kalauern durchsetzt; wichtigster Trick: anachronistisch quatschen. Ob Römer, Hunnen, Amerikaner - alles war sprachlich der gleiche Ramsch, die Atmosphäre des Erzählens war stets das Vereinsfest irgendwo in der Lüneburger Heide: Und jetzt bringt unser Conferencier Joachim Fernau, gut gelaunt wie immer, ein neues Kapitel Weltgeschichte zu Gehör. Freuen Sie sich mit uns auf den Humoristen des heutigen Abends.
Und der flotte Jochen weiß etwa dies von der Reise unserer Nibelungen in Etzels Lande zu berichten - wo sie erst mal über die Donau müssen:
"Schöne Bescherung", heißt es nun, "sie führte Hochwasser. Das fängt gut an, dachte Hagen. Aber Gunther war besten Mutes, hobbelte seinen Mustang an, ließ die Picknickkörbe öffnen und sich selbst häuslich nieder." So läuft bei Fernau alles ganz easy: "Man war vergnügt", schreibt er, "vor allem Gernot ging büttenredend umher und tötete Hagen den Nerv."
Büttenreden ist freilich Fernaus eigenes Rezept, doch mag er auch auf Historiker und tausend andere nervtötend gewirkt haben, es bleibt das Phänomen, dass er mit seinem Quasselstil Millionen Leser fand, die glaubten, dergestalt endlich Geschichte kapiert zu haben, die es fabelhaft fanden, wie locker und unverstellt dieser Autor die Historie vermittle.
Und das ist nun der eigentliche Ärger; denn Fernau vermittelt nicht, er vermanscht und verramscht, ist statt leicht leichtfertig und dreht alle Fakten und Fabeln durch den Wolf seiner Schnodderei - so wird aus jeder Sphäre und jeder möglichen Atmosphäre immer nur der witzelnde Aufguss eines Conferenciers.
Dazu gehört, dass er häufig seine Leser anmacht mit Floskeln wie "Ja, liebe Leute" oder "das hätten Sie wohl nicht gedacht" oder "Nun, meine Damen und Herren, was meinen Sie?" worauf er weitere Scherzchen über Sokrates oder Amerika oder Hitler dahinstrullt. Über eine Million mal wurde allein sein Buch "Deutschland, Deutschland über alles" verkauft, nach wie vor heißt es, er habe endlich die Geschichte vom Podest geholt, sie anschaulich und genießbar gemacht. Nach wie vor ist das Unsinn. Er hat sie auf Stammtischniveau geholt und einen Eintopf aus ihr gerührt."
© Bayerischer Rundfunk 2001
Bei manchen Usern in dieser Runde sagen die von ihnen zitierten Personen weitaus mehr aus als deren Zitate.