“Übersetzungsschwierigkeiten”
“Mahv shodan” und “mahv kardan” haben in deriranischen Sprache eine unterschiedliche Bedeutung. Die erste Wendung kann mit“verschwinden”, übersetzt werden, während die beiden anderen Wörter “ausrotten” oder“eliminieren” bedeuten. Der iranische Präsident Mahmut Ahmadinejad hatte am 26.10.2005bei einer Konferenz im Innenministerium nach westlichen Medienberichten erklärt: “Israelmuss von der Landkarte ausradiert werden.” Das Institut MEMRI (Middle East Media ResearchInstitut) hat die Rede genau übersetzt. Dabei hörte sich das Zitat völlig anders an.Ahmadinejad hatte dabei lediglich einen Ausspruch des verstorbenen ReligionsführersAyatollah Khomeini zitiert: “Unser verehrter Imam hat gesagt, dass das Besatzungsregimeeinmal aus den Seiten der Geschichte verschwinden muss.” Es ist klar, dass - wenn auchnicht ausgesprochen - mit dem Besatzungsregime (”Ehtelal byad az bayn berad”) Israelgemeint ist. “Saneh roozgar” mit “Landkarte” zu übersetzen, ist schlicht falsch. Diebeiden Worte bedeuten soviel wie Szene oder Zeit oder im metaphorischen Sinn: “Arena derZeit” oder “Seiten der Geschichte.”
Das ist nicht die einzige Fälschung. Es gibtkaum eine Äußerung Ahmadinejads zu Israel, die nicht verzerrt oder verfälscht wordenwäre. Am 14.12.2005 erklärte er laut dpa: “Der Westen widmet sich dem Märchen vomMassaker an den Juden….” Unabhängige Übersetzungen lauteten anders: “Einige haben imNamen des Holocausts einen Mythos geschaffen und schätzen diesen sogar höher ein als denGlauben.” Vom Mythos um den Holocaust ist die Rede und davon, was mit dem Holocaustgemacht worden ist. Selbst jüdische Autoren wie Norman Finkelstein und Peter Novick habendie Tatsache kritisiert, dass aus dem Holocaust zumindest in einigen Fällen ein Kult odergar eine neue Religion gemacht worden ist. Wenn nun der Holocaust geschehen ist, sagtAhmadinejad weiter, so ist Europa und nicht die muslimische Welt dafür verantwortlich.Die “Tagesschau” vom 14.12.2005 zitierte aus der gleichen Rede des iranischenPräsidenten: “Der Staat Israel sollte in eine andere Weltgegend verlegt werden, etwa nachEuropa, in die USA, nach Kanada oder Alaska”. In einer unabhängigen Übersetzung lautetdas Zitat auf deutsch: “Wenn Ihr die Juden verbrannt habt, warum stellt Ihr dann nichtein Stück von Europa, der USA, Kanadas oder Alaskas für Israel zur Verfügung? UnsereFrage ist: Wenn ihr dieses gewaltige Verbrechen begangen habt, warum soll dann dieunschuldige Nation von Palästina für dieses Verbrechen bezahlen?” Es gibt eine Reiheanderen Zitate, in denen Ahmadinejad Fragen zum Holocaust stellt, aber nirgendwo ist eineglatte Leugnung nachweisbar. Es mag sein, dass bei Versammlungen der Chor ertönt: “Margbar Esrail!” (Für Israel den Tod!) Doch ist der iranische Präsident klug genug, um nichtin solche religiös populistische Rufe einzustimmen. Aus seinen Reden haben die Medieneine ganze Lawine von Schlagzeilen entwickelt:
“Der Staat Israel soll demErdboden gleichgemacht werden! (taz)… Kriegserklärung gegen den jüdischen Staat - IransPräsident fordert die Vernichtung Israels (Berliner Zeitung)…. Mit Empörung hat dieinternationale Gemeinschaft auf den Aufruf des neuen iranischen Präsidenten zurVernichtung Israels reagiert … Irans Präsident will den jüdischen Staat von der Landkartetilgen (Die Welt) … Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad hat zur Zerstörung Israelsaufgerufen (Der Spiegel) - Irans neuer Staatschef: “Israel von Landkarte radieren!”(Focus) … Iran schürt Nahost-Konflikt: “Israel zerstören!” (N24) etc.
Es gibtderzeit kaum einen Politiker, der so oft falsch zitiert wird wie Ahmadinejad. In einerRede vom 14.1.2006 sagte er: “Der Iran hat das Recht auf Nuklearenergie!” Promptübersetzte der US-Sender CNN: “Ahmadinejad: Nuklearwaffen sind das Recht des Iran.” Nachdem Wahl Ahmadinejads kursierten in den US-Medien Anschuldigungen, wonach der neueiranische Präsident zu den Geiselnehmern der amerikanischen Botschaft gehört hätte. Eskursierten Photos, die angeblich Ahmadinejad neben einer Geisel mit Augenbinde zeigten.Bald stellte sich heraus, dass das Gerücht von der oppositionellen Kampforganisation derVolksmudschaheddins (MEK) in Umlauf gebracht worden war. Zweifelsfrei konnte festgestelltwerden, dass es sich bei dem Mann neben der Geisel um einen gewissen Taqi Mohammedihandelte, der später zu den Volksmudschaheddins übergelaufen war.
Quelle:
http://www.readers-edition.de/2007/01/22/das-luegennetz-ueber-dem-iran (Archiv-Version vom 04.03.2007)