Bandenkriege in New Orleans
25.09.2006 um 01:40
Ich stell noch mal den Text rein, falls der Link irgendwann mal ungültig wird:
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Bandenkrieg in Central City
Die"Killing Zone" von New Orleans
Seit dem Hurrikan Katrina ist das Justizsystem inNew Orleans zusammengebrochen. Im Stadtteil Central City herrscht Anarchie. Morde undSchießereien gehören zum Alltag. Wer ein Problem mit einem Konkurrenten hat, tötet ihneinfach, sagt der Polizist Wax.
Von Christine Adelhardt, ARD-Studio Washington
Das hier ist Kriegsgebiet, wurden wir gewarnt. Die Soldaten sind bewaffnet mitMessern, Pistolen und Maschinengewehren. Während des Tages schlafen sie, hat man unsgesagt. Wir sind nicht im Irak, in Beirut oder Gaza. Wir sind in New Orleans, StadtteilCentral City. Der Sergeant der New Orleans Polizei, Brad Wax, nennt den Stadtteil"Killing Zone - Todeszone".
Bereits 89 Morde in diesem Jahr
23.00 Uhr,Schichtbeginn: In New Orleans wurden dieses Jahr bereits 89 Menschen umgebracht, diemeisten Morde passierten hier in Central City. "Viele Verbrechen gehen auf das Konto vonDrogendealern", sagt Wax. "Es ist ein wirtschaftlicher Kampf um Einflusssphären, umDrogenkunden." Und manche Verbrechen seien pure Vergeltung. "Schießereien sind hier ander Tagesordnung", erzählt der erfahrene Polizist. "Keine Nacht ohne." Noch halten wirdas für dramatisiert.
"Ohne Waffe kannst du hier nicht überleben"
0.00Uhr. Jugendliche streifen durch die Straßen von Central City. Schwer zu sagen, ob auchsie Drogendealer sind. Sicher ist nur, sie wissen oft mehr als die Polizei. "Wenn du hierdraußen keine Waffe hast, dann bist du nicht sicher", sagt ein Jugendlicher, den wiransprechen. "Hast Du eine?", fragen wir ihn. "Klar, aber ich habe sie nur dabei, wenn ichmeinem Geschäft nachgehe. Ich bin hier im dritten Bezirk geboren und groß geworden. Habedie "Drei" sogar eintätowiert. Ich bin easy, aber wennn du keine Waffe hast, kannst Duhier nicht überleben."
"Seit dem Hurrikan Katrina ist das gesamte Justizsystemin New Orleans zusammengebrochen", beschreibt Wax die Gerichtsbarkeit in der Stadt."Unser Gefängnis hat eine Drehtür. Kaum drin, schon wieder raus. SelbstÜberwachungskameras versagen. " Und er erzählt, wie müßig seine Arbeit oft ist: "Garnicht lange her, da haben zwei Männer hier einen anderen mit automatischen Gewehrenverfolgt. Die Kamera hat alles aufgezeichnet. Wir haben die Männer festgenommen. Aber dereine war ein paar Tage später schon wieder auf freiem Fuß."
Für alle - nur nichtfür uns - ist das hier Routine
2.30 Uhr. Ein Notruf geht ein. Schießerei in derJackson Avenue. Bereits das dritte mal diese Woche. Wir sind als erste am Tatort. EinMann liegt angeschossen am Boden. Mitten auf der Straße. Es ist ungewöhnlich still undunaufgeregt. Niemand zeigt Spuren von Hektik. Für alle hier, nur nicht für uns, ist das,was jetzt kommt, wohl Routine.
Mitleid - ein fremdes Wort
"Er hat einenEinschuss in der Brust und ich glaube einen in den Kopf", sagt ein Ersthelfer. Noch lebter. Er ist sehr jung. "Atme! Atme weiter", ruft sein Freund. Er ist der einzige, derEmotionen zeigt. Selbst Sergeant Wax scheint für einen kurzen Moment überrascht, dassmeine erste Frage dem Opfer gilt. In Central City ist Mitleid ein fremdes Wort. Der Jungewurde achtmal angeschossen. Mindestens einmal in den Kopf, mehrfach in den Oberkörper.Noch atmetet er. Aber es sieht nicht gut aus. Wir haben Patronenhülsen überall gefunden.
Was braucht es hier Trost?
Die Sanitäter rücken an. Ohne Eile. Ist esprofessionelle Gelassenheit oder abgebrühte Gleichgültigkeit? Die Mutter des Jungenkommt. "Stirbt er?", fragt sie verzweifelt. Doch sie versucht nicht, zu ihm zu gehen. Undkein Polizist, der mit ihr spricht. In Central City knallen sich Kriminelle gegenseitigab. Was braucht es da Trost? In einiger Entfernung stehen anscheinend Freunde des Opfers.Mit uns sprechen wollen sie nicht. Vermutlich wissen sie genau, was passiert ist, kennenvielleicht sogar die Täter. Aber hier kann reden tödlich sein.
Abgestumpft, ohneMitgefühl und leer
Die Menschen, die gleich nebenan auf der Veranda sitzen,halten wir zunächst für Anwohner, für unbeteiligte Zeugen des Geschehens. "Er ist 16Jahre alt", berichtet das Mädchen. Sie gibt sich als seine Cousine zu erkennen. Die Frauneben ihr ist seine Großmutter. "Das ist mein Enkel, das einzige Kind meiner Tochter",sagt sie einfach nur. Keine 50 Meter entfernt liegt der Junge auf einer Bahre, ringt umsein Leben. Ihr Enkel. Und sie sitzt einfach nur da. Erst jetzt begreifen wir, dass inCentral City tatsächlich Krieg geführt wird. Und die Menschen, die damit leben, sindabgestumpft, ohne Mitgefühl, emotionslos und leer. Nur manchmal flehen sie um Hilfe. Doches hört sie niemand.
"Hier müssten sie Militär herschicken. Das ist doch keinEinzellfall" sagt ein Mann. Sie haben mindestens zwanzig mal auf den Jungen geschossen,ihn über die Straße zu Tode gehetzt. Wax zuckt die Achseln: "Die Täter erledigen einfachihren Job. Sie wollen Konkurrenten ausschalten. Wenn es dazu nötig ist zu töten, dann tunsie es. Sie denken ganz einfach: Löse das Problem. Töte."
Noch atmet der Junge.Er hat nur noch 20 Minuten zu leben. Das 90. Mordopfer in New Orleans in diesem Jahr. Erwar 16 Jahre alt. Sein Name ist Paul Ellis.
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(c) tagessschau.de
Was glaubt ihr, kann man dagegen unternehmen?