Folter von Kindern, in den USA geltendes Recht
03.09.2006 um 16:47
UN-Menschenrechtserklärung
Heute, über 50 Jahre nach der „Allgemeinen Erklärung derMenschenrechte“ der UNO, stehen Verletzungen dieser fundamentalen Rechte in vielenStaaten an der Tagesordnung. Obwohl die Menschenrechte immer mehr in das allgemeineBewusstsein der Menschen gelangt sind und Eingang in bi- und multilaterale Beziehungengefunden haben, werden sie nach wie vor überall auf der Welt verletzt.
Vor demHintergrund der Ereignisse des 11. Septembers 2001, ist die Debatte über denUniversalitätsanspruch des Menschenrechtskatalogs der UNO von besonderer Aktualität. Kanndieser wirklich universelle Gültigkeit für sich beanspruchen, oder handelt es sich umeine imperialistische Zumutung des Westens, der kulturelle und religiöse Unterschiedenicht respektiert?
Regionalisierungsbestrebungen
Neben afrikanischen undasiatischen Organisationen, haben auch einige islamische Verbände in den vergangenenJahrzehnten eigene Menschenrechtserklärungen formuliert. Diese unterscheiden sichinsofern von Menschenrechtsdeklarationen westlicher Länder, als dass sie auf dem Koranund dem islamischen Gesetz (der Scharia) basieren.
Eine dieser Erklärungen ist die1981 vom Islamrat für Europa in Paris veröffentlichte „Allgemeine Erklärung derMenschenrechte im Islam“. Dabei handelt es sich nicht um eine Ergänzung derMenschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Vielmehr steht sie im Wettstreit zu ihr.So findet sich bereits in der Präambel der Hinweis, dass der Islam die Menschenrechteschon vor der westlich christlichen Welt gekannt habe und dass ihr Glaube dieseausreichend schütze.
Sowohl westliche als auch islamische Autoren neigen dazu,Exklusivansprüche auf die Menschenrechtsidee zu erheben. Die weitverbreitete Annahme, dieWurzeln der Menschenrechte seien in westlichen Kulturen, im Christentum zu suchen, istfalsch. Die klassischen Quellen des Islams, aber auch des Hinduismus, Konfuzianismus unddes Buddhismus nennen ähnliche ethische Standards. Gemeinsam ist ihnen vor allem eineMaxime, nämlich alle anderen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte.Kernbereiche der Menschenrechte fallen zweifelsohne darunter. In allen Gesellschaftenwerden Menschenrechte befolgt, verteidigt und verletzt. Wer aber die Exklusivrechtedarauf beansprucht verhindert den Dialog, verursacht den Kommunikationsbruch.
Die„Erklärung der Menschenrechte des Islamrates für Europa“ wird den Herausforderungen einerpluralistischen Gesellschaft nur schwerlich gerecht, da Gott (Allah) als einzigerNormsetzer fungiert. Ständig wird auf die Scharia Bezug genommen. Bei der Scharia handeltes sich um islamisches Recht, deren Quelle der Koran und der Hadith (Überlieferungen vomLeben und Handeln Mohammeds) sind und die für alle Lebensbereiche Vorschriftenbereithält. Die Scharia kennt keine Trennung von „öffentlich“ und „privat“. Nachislamischem Glauben ist das Recht göttlich und darf deshalb keinem Wandel unterliegen, esbeansprucht umfassende und überzeitliche Wahrheit für die gesamte Menschheit.
VielePunkte, die sich aus der Scharia ableiten lassen würden und ein hohes Konfliktpotentialbeinhalten, werden in dieser Menschenrechtserklärung gar nicht thematisiert. Frauenrechtefigurieren nur als Rechte von Ehefrauen, unerwähnt bleiben Polygamie, das Recht desMannes seine Frau zu verstoßen, Ungleichheiten bei der Erbfolge und die fehlendeUnterhaltsversorgung für die verstoßene Ehefrau. Die Religionsfreiheit wird nur partiellund ungenügend angesprochen, die Thematik rund um die Körperstrafe vollkommen ignoriert.
1990 folgte die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ als weitereszentrales Dokument. Verfasst wurde diese von der Organisation der Islamischen Konferenz.Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss islamischer Staaten, der 1974 in Lahore(Pakistan) erfolgte. Auch die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“ steht unter demVorbehalt mit der Scharia übereinstimmen zu müssen. In Bezug auf dasGeschlechterverhältnis wird zwar die Gleichheit der Würde, nicht aber die Gleichheit derRechte von Mann und Frau betont.
Das Kollektiv im Islam
Was Menschenbild,Staat und Recht angeht, klaffen die Vorstellungen in okzidentalen und islamischenGesellschaften zum Teil weit auseinander. Während in westlichen Gesellschaften einweitgehend säkularisiertes Weltbild dominierend ist, lässt sich in islamischenGesellschaften eine Einheit zwischen Staat und Religion konstatieren. Der Islam istganzheitlich ausgerichtet, basiert auf Integration. Das Religiöse durchdringt somitPolitik, Ökonomie und Militär.
Die Rolle des Individuums erfährt in westlichenGesellschaften eine weit bedeutendere Akzentuierung als in islamischen Gesellschaften,der einzelne ist freier Entscheidungsträger. In islamischen Gesellschaften hingegen wirddas Kollektiv besonders hervorgehoben, der einzelne ist in ein dichtes Netz sozialerBeziehungen eingebettet. Solidarität und Altruismus haben einen zentralen Stellenwert,während in westlichen Gesellschaften oftmals ein Konkurrenzkampf herrscht, der einzelneversucht sich auf Kosten anderer zu behaupten.
Frauenrechte im Islam
DieRechte der Frauen werden in vielen islamischen Gesellschaften massiv beschnitten.Trotzdem ist die Art und Weise ob und wie Frauen in ihrer Lebensführung eingeschränktwerden, sehr abhängig von den, in den jeweiligen Ländern vorherrschenden,Interpretationen und Auslegungen der Scharia. Islamisten führen ihren Abwehrkampf gegenübermächtige westliche Einflüsse im Namen der Verteidigung „authentischer Werte“ undMoralvorstellungen, deren Bastion die Familie ist. Der Anspruch kulturelle Differenzenleben zu dürfen, dient hier letztendlich als Euphemismus Menschenrechte der Fraueneinzuschränken, oder gar zu leugnen.
Der Gleichheitssatz wird dahingehend verletzt,dass bei aller Achtung von Wert und Würde der Frau, doch an der Überordnung des Mannesals Oberhaupt von Familie und Staat festgehalten wird. Der Koran regelt Ehe-, Erb- undZeugnisrecht, Frauen werden darin benachteiligt. Außerdem wird Männern in bestimmtenGrenzen die Vielehe und das Recht ihre Ehefrauen zu schlagen gewährt.
Der Umgang mitder Scharia ist in vielen islamischen Ländern sehr ambivalent. So wird die Scharia häufignur in persönlichen und familiären Angelegenheiten angewandt, während die meistenGesetze, die Wirtschaft, Verwaltung und Eigentumsverhältnisse regeln, kolonialen oderanderen Ursprungs sind. Diese Handhabung hat für die Gleichstellung der Frauüberproportional negative Auswirkungen.
Eine in den letzten Jahren sehr emotionaldiskutierte Thematik in diesem Zusammenhang ist jene der weiblichen Genitalverstümmelung,die eine Form der Folter und eine schwere Menschenrechtsverletzung darstellt. DiesePraktik hat im vor-islamischen Nordafrika ihren Ursprung. Aus dem Koran lässt sie sichnicht ableiten.
Reformansätze
Die von konservativen oder islamistischorientierten Muslimen behauptete Unveränderlichkeit der Scharia verbindet sich an vielenStellen paradoxerweise mit einem gewissen Maß an pragmatischer Reformbereitschaft. Schondes öfteren mussten islamische Rechtsgelehrte mit der Tatsache zurechtkommen, dassrechtliche Elemente und Institutionen nicht-religiöser Herkunft in islamischeGesellschaften integriert wurden, um Spannungen zu verhindern. So können hoheBeweishürden, enge Tatbestandsdefinitionen und kurze Verjährungsfristen den tatsächlichenVollzug von Körperstrafen erschweren, ohne an der prinzipiellen Gültigkeit derScharia-Strafe zu rütteln. Selbst im Ehe- und Familienrecht ist eine gewisse Flexibilitätmöglich. Die Polygamie ist nämlich laut Koran an die Bedingung geknüpft, dass der Mannall seinen Frauen gleichermaßen gerecht wird, eine Bedingung deren Erfüllung laut einerweitern Koranpassage uneinlösbar ist. Während die theoretische Geltung unangetastetbleibt, wird die praktische Anwendbarkeit in Zweifel gestellt oder gar bestritten.
Einige muslimische Reformer gehen soweit den Sinngehalt der koranischen Weisungenzunächst aus seinem historischen Kontext heraus zu verstehen und dann im Wissen um diehistorische Differenz und die Weiterentwicklung der Gesellschaft kritisch auf diemodernen Anforderungen zu beziehen.. Der Geist des Korans soll bei gleichzeitigerPraktikabilität erhalten bleiben.
Fazit
Die Entwicklung der Menschenrechteist kein linearer Prozess, sondern ist geprägt von Thesis und Antithesis, vonVerunsicherung und Neubestätigung und hat auch gravierende Rückschläge erfahren müssen.Selbst westliche Gesellschaften, die sich in punkto Menschenrechte gerne ein weißes Hemdüberstreifen, können Ausländerfeindlichkeit, die Geschehnisse auf dem Balkan der letztenJahre oder die Vollstreckung von Todesurteilen in den USA, um nur einige Beispiele zunennen, nicht unter den Teppich kehren. All zu oft müssen die Menschenrechte dem Primatpolitischer und wirtschaftlicher Interessen weichen.
Im Kernbereich derMenschenrechte, wie etwa Verbot von Folter, Recht auf Leben, Verbot des willkürlichenFreiheitsentzugs, gibt es keine religiöse, kulturelle Rechtfertigung für eineNichteinhaltung. Johan Galtung, Mitbegründer der Friedensforschung, spricht in diesemZusammenhang von menschlichen Grundbedürfnissen, die allen Menschen unabhängig vonReligion, Kultur gemeinsam sind. Die Sicherung von Überleben, Wohlbefinden, Freiheit undIdentität jedes einzelnen sind das eigentliche Ziel des Menschenrechtprojekts.
Keinesfalls dürfen islamischen Gesellschaften irgendwelche Normen von außen gewaltsamaufoktroyiert werden. Am wenigsten von Staaten, deren Umgang mit den Menschenrechten vonScheinheiligkeit und Doppelmoral geprägt ist. Die bestmögliche Formulierung und derbestmögliche Schutz der Menschenrechte sind nur über den Weg des Dialogs, der Toleranz,der Bereitschaft voneinander zu lernen zu erreichen.
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