Karikaturenstreit zu Recht!
02.03.2006 um 17:33
Weils sonst wieder keiner liest, den es angehen könnte...mal ein Fullquote.
Man mögemir verzeihen.
(www.spiegel.de)
"Buddha und Gandhi gegen dieUngläubigen
Erstmals stellten sich heute die beiden Drehbuchautoren desumstrittenen türkischen Actionfilms "Tal der Wölfe" der deutschen Presse. Vonantisemitischer und antiamerikanischer Hetze wollten sie nichts wissen: Ihr Film sei einzutiefst pazifistischer Antikriegsfilm.
Über hundert Journalisten drängeltensich heute im "Grand Ballroom" des "Grand Hyatt Berlin" am Potsdamer Platz, DutzendeFotografen und etwa 20 Fernsehteams. Ganz vorne auf dem Podium saßen zwei junge Männer,denen der Presseauflauf galt: Raci Sasmaz, 32, Chairman von Pana Film, Produzent undDrehbuchautor, neben ihm Bahadir Özdener, 31, Drehbuchautor.
"Wir sind wieYing und Yang", "wie Gandhi und Buddha" - so charakterisieren sie sich selbst. IhreLieblingsschriftsteller sind Dostojewski und Tolstoi.
Vor allem aber sind siedie Macher eines türkischen Action- und Propagandafilms, der seit zwei Wochen die Gemütererhitzt: "Tal der Wölfe - Irak".
Innerhalb von nur vier Wochen haben ihn in derTürkei vier Millionen Zuschauer gesehen, fast 400.000 Zuschauer sind es in Deutschland.Seit gestern läuft der Film auch in Frankreich, ab Mitte März in Schweden, ab Ende Märzin Russland. Studio Babelsberg synchronisiert das Werk gerade für den deutschenDVD-Markt.
Realer Ausgangspunkt des 10-Millionen-Dollar-Spektakels ist einenationale Schmach: Anfang 2003 wurden elf türkische Soldaten im Nordirak von US-Truppenfestgenommen und mit Säcken über dem Kopf abgeführt. Obwohl sie später wieder freikommenund ihnen kein Haar gekrümmt wurde, muss diese schändliche Ehrverletzung im Film durchden türkischen Geheimagenten Polat Alemdar blutig gerächt werden. Der Amerikaner SamMarshall repräsentiert das Reich des Bösen, in dem wahllos gefoltert und gemordet wirdund auch die Juden noch ihr Süppchen kochen. Am Ende vereinen sich dietürkisch-arabisch-islamischen Massen und versetzen Uncle Sam den Todesstoß.
Nachdem der überwiegende Teil der deutschen und europäischen Öffentlichkeit dem Filmeinen ausgeprägten türkischen Chauvinismus mit islamischer Tiefenfärbung sowieantiamerikanische und antisemitische Ressentiments vorgeworfen hat (viele halten ihninsgesamt für ein billiges hetzerisches Machwerk), stellten sich die Verantwortlichen nunden Fragen der Presse. Wohl nicht ganz zufällig entscheidet morgen die FSK, dieFreiwillige Selbstkontrolle der deutschen Filmwirtschaft, über die Heraufsetzung derAltersgrenze für Zuschauer auf 18 Jahre.
Clash of civilizations hin, Dialog derKulturen her - von Anfang an offenbarte sich hier eine große Differenz der Kulturen. EinePressekonferenz mag in der Türkei die offizielle Verkündung einer Information oderMeinung sein - in Europa ist sie eine Plattform des öffentlichen Disputs, manchmal auchder offenen Konfrontation, bei der auch Repräsentanten des Staates zuweilen ins Schwitzenkommen.
Nicht so heute im Grand Hyatt Berlin.
Auf dieunterschiedlichsten Nachfragen antworteten die beiden türkischen Filmemacher stets mitderselben Generalauskunft: "Tal der Wölfe" sei ein "Antikriegsfilm". Was derzeit im Irakpassiere, sei "ein Drama, eine Tragödie für die Menschen". Und: "Dieser Tragödie sollEinhalt geboten werden."
Im Grunde ist das ganze Geballer und Gemorde also eineinziger pazifistischer Aufruf, ein Friedensappell im Geiste der Lessing'schen"Ringparabel". Beileibe kein gewalttätiger Action-Film, kein türkisches Pendant zu"Rambo", in dem endlich einmal die Amerikaner und Juden die Bösen sind.
"Antisemitismus"? Nur weil im Film ein jüdischer Arzt toten Muslimen Organe aus demKörper schneidet und sie nach Tel Aviv, London und New York schickt?
"Nein,nein, glauben Sie uns, wir haben keine Vorurteile, wir sind keine Antisemiten!", sagtBahadir Özdener. Wer so etwas behaupte, reiße einzelne Szenen aus dem"Gesamtzusammenhang". Eine pure Verleumdung. Genauso gut könne man darüber streiten, obder oder jener Darsteller einen weißen oder schwarzen Anzug tragen solle. Im Übrigenmüsse man die fraglichen Szenen "ausdiskutieren".
Offenbar hat die betreuendePR-Agentur aus Hamburg den beiden geraten, sich vor der deutschen Presse als durch unddurch friedliebend, multikulturell und diskussionsbereit zu präsentieren. Das Problem istnur: Diskutieren wollen oder können sie gar nicht. Man soll ihnen einfach glauben. Werdazu, vor allem nach Inaugenscheinnahme des umstrittenen Films, nicht bereit ist, sondernihn immer noch für eine wüste antiamerikanische, antikurdische, antiwestliche undantisemitische Kolportage hält, ist selbst ein Rassist, der "dem Osten", den Türken,Arabern und Muslimen nichts als Böses unterstellt.
Typisch Westen eben.Ungläubig bis ins Mark.
Noch ein weiterer Kniff hilft den beiden Freunden desAntikriegsfilms, der kritischen Diskussion aus dem Weg zu gehen. Wenn nach denrassistischen Klischees des Films gefragt wird, antworten "Gandhi und Buddha" ausIstanbul mit dem Hinweis auf die Wirklichkeit im Irak, auf Abu Ghureib, die US-Besatzungund das Kriegselend.
Wenn aber nach konkreten Fakten gefragt wird - was etwatrieben jene elf türkischen Offiziere eigentlich im kurdischen Nordirak? - erfolgt derRückzug aufs Nichtwissen: "Ich bin nur ein Filmemacher", sagt Bahadir Özdener. Es gehtmir nur "um die menschliche Perspektive". Auch mit den Kurden seien die Türken ja stets"innig verbrüdert" gewesen.
Selbst die hier und da beobachtetenBegeisterungsstürme und Anfeuerungsrufe des Publikums sind da ganz leicht zu erklären:"Die Zuschauer in Deutschland sind interaktiv. Sie sprechen mit dem Film, klatschen undseufzen. Das ist Kommunikation." Da glaubt man fast, Jürgen Habermas und seine "Theoriedes kommunikativen Handelns" durchzuhören, den "herrschaftsfreien Diskurs".
Andererseits: Am lautesten wurde in einigen Kinovorstellungen geklatscht, wenn amEnde der türkische Held Polat Alemdar dem bösen Ami Sam Marshall die Klinge in der Brustknirschend herumdreht. Dergleichen schulde sich dem "südländischen Temperament", erklärtÖzdener. Einfach menschlich.
Ein Schrei nach Frieden. Das muss es sein.
Als ein britischer Reporter in astreinem Oxford-Englisch von einer "mixture of factsand fiction" sprach und mit wunderbarem Understatement fragte: "What exactly did youintend?", da blitzte er schon wieder auf, der kämpferische Dialog der Kulturen am Randedes Nervenzusammenbruchs.
Wie schreibt Drehbuchautor Bahadir Özdener in einem"Statement" für die Presse: "Nicht nur als Schriftsteller und Filmemacher, sondern alsMensch habe ich versucht, wie jeder, der sich gegen den Krieg ausspricht, an dieUnantastbarkeit der Menschenrechte glaubt und den Menschen als Wesen, wie auch seineGedanken als das höchste Gut achtet, in diesem Sinne zu wirken."
"Ja, nee, allesklar!", würde Atze Schröder sagen."
Nichts in der Biologie ergibt Sinn, außer im Lichte der Evolution (Theodosius Dobzhansky)
-=ebai=-