Link: www.orf.at (extern) (Archiv-Version vom 30.05.2006)Brzezinski warnt vor unabsehbaren Folgen
Der einstige Sicherheitsberater vonUS-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski, warnt vor einem Militärschlag der USAgegen den Iran. Zudem meint Brzezinski, dass ein solches Vorgehen noch keine ausgemachteSache sei.
Brzezinski, der neben Henry Kissinger als eine Art graue Eminenzunter den Strategen der US-Außenpolitik gilt und mittlerweile Professor für AmerikanischeAußenpolitik an der Johns-Hopkins-Universität ist, nahm auf Einladung des Instituts fürdie Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien zur laufenden Kontroverse mit dem Iran undden USA Stellung.
"Natürlich gibt es Planungen"
ZahlreicheVeröffentlichungen, zuletzt Seymour Hersh im "New Yorker", sprachen von Vorbereitungenfür einen Militärschlag. Brzezinski gestand zwar zu, dass sich die Diskussionen darüberin der letzten Zeit verstärkt hätten.
"Natürlich gibt es militärische Planungen,aber das ist natürlich nichts Neues, dass man sich für eine Reihe von Eventualitäteneinstellt", so der Berater des Zentrums für Strategische und Internationale Studien(CSIS).
Es gebe Leute in der Bush-Regierung, "die meinen, wir solltenmilitärische Mittel einsetzen, und die auch sicher ein Interesse haben, dass esFortschritte auf der diplomatischen Ebene gibt".
Unabsehbare Folgen
Brzezinski, der sich selbst für die globale strategische Verantwortung der USA alsletzte verbleibende Ordnungsmacht ausspricht, warnt vor den Folgen eines militärischenEngagements im Iran.
Die USA hätten sicher die Kraft, den Iran nachhaltigmilitärisch zu schwächen. Aber, so Brzezinski, niemand von den 70 Millionen Iranern würdeeine militärische Aktion der USA gutheißen. Es gebe im Iran einfach einen zu großenKonsens, dass das Land eine eigenständige Atompolitik betreiben solle.
AndereReaktion als im Irak zu erwarten
Anders als im Irak, wo auch ein Teil derBevölkerung den Sturz des Saddam-Regimes begrüßte habe, sei im Iran keinerlei positiveReaktion auf einen US-Schlag zu erwarten, fürchtet Brzezinski.
Der Iran würdezudem die Interessen der USA im Irak, in Afghanistan und im Libanon zusätzlich belasten.Der Iran hätte auch die Möglichkeit, an der Ölschraube zu drehen und seine Ölproduktionzurückzufahren.
"Operation könnte teuer werden"
"Sie haben Spielräume,die eine Militäroperation für uns sehr teuer machen könnten", warnt Brzezinski. Man müssemit dem Iran verhandeln, empfiehlt er: "Wir verhandeln ja mit Nordkorea. Aber was dieÖffentlichkeit nicht weiß, ist, dass wir tatsächlich nicht mit dem Iran verhandeln. Wirverhandeln mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland - und zwar darüber, wie sie mitdem Iran verhandeln sollen."
Die USA müssten sowohl multi- als auch bilateralmit dem Iran verhandeln, so wie man das auch mit Nordkorea mache.
Iran: KeineFähigkeit zum Atomwaffenbau
Die USA wüssten, dass der Iran mindestens fünf Jahredavon entfernt sei, Atomwaffen zu bauen. Tatsächlich sei der Iran wahrscheinlich 15 Jahredavon entfernt, Atomwaffen zu besitzen.
Man müsse dem Iran auf Verhandlungswegenentgegenkommen. Das Land habe seine klaren nationalen Interessen - und diese gelte es aufdem Verhandlungsweg vom Fundamentalismus der Mullahs abzuspalten. Das müsse das Ziel vonVerhandlungen sein.
"Wichtig, aber nicht dringlich"
Das Thema eineriranischen Atombewaffnung sei "wichtig, aber nicht dringlich", sagte Brzezinski in einemInterview gegenüber dem Ö1-Morgenjournal am Samstag.
DerEx-US-Sicherheitsberater sprach sich darin für multilaterale Verhandlungen mit Teheranaus, wie sie mit Nordkorea geführt werden. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seiman nämlich "zunehmend zurückhaltend", den amerikanischen Forderungen nach Sanktionengegen den Iran nachzukommen, weil keine Anstrengungen unternommen würden, ernsthaft zuverhandeln. In den internationalen Beziehungen bringe Ungeduld nichts.