Atombomben. Ein Ammenmärchen aus alter Zeit?!
12.01.2006 um 09:32
Mit Macht zur Atommacht
Ahmadi-Nedschad setzt sich über alle Vereinbarungen hinweg - Mit Nuklearwaffen wäre Teheran unangreifbar
von Boris Kalnoky
Die streng bewachte Anlage zur Atomanreicherung im iranischen Natanz läßt keine Aktivität erkennen
Foto: dpa
Istanbul - Seit seinem Amtsantritt ist Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad mit zwei Dingen beschäftigt. Innenpolitisch versucht er, teilweise gegen heftigen Widerstand selbst konservativster Kreise, Behörden, Ministerien und sämtliche Hebel der Macht zu militarisieren, in dem er sie mit Verbündeten aus den Sicherheitskräften und vor allem der Revolutionsgarden besetzt. Außenpolitisch schürt er geschickt einen "kontrollierten" diplomatischen Konflikt bei den Atomverhandlungen mit den sogenannten EU-3, den Vertretern Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands, und inszeniert mit mittlerweile unleugbarer Zielstrebigkeit eine haarsträubende Rhetorik, in der der Holocaust geleugnet und das "Wegwischen" Israels oder dessen "Verlagerung nach Europa oder nach Alaska" gefordert wird.
Konfrontation also auf allen Ebenen, innen- wie außenpolitisch. Aber wozu? Will Ahmadi-Nedschad Israel angreifen?
Alle seine bisherigen, spektakulären Schritte sind bislang als pragmatisch begründet hinwegrationalisiert worden: Er leugnet den Holocaust - bestimmt aus innenpolitischen Gründen. Er hält die Atomverhandlungen am Abgrund - sicher um Vorteile zu erpressen.
Gestern begann der Iran, nach Entfernung der UN-Siegel an seinen Atomanlagen, die "Forschung" zur Urananreicherung wieder aufzunehmen. Dies wird wahrscheinlich den UN-Sicherheitsrat auf den Plan rufen, und wenn das erfolgt, dann greift ein neues iranisches Gesetz, welches in genau diesem Fall die Regierung zur Wiederaufnahme seines Atomprogramms verpflichtet. Teheran hat einen russischen Vermittlungsvorschlag abgelehnt, die Urananreicherung auf russischem Boden stattfinden zu lassen.
Das ist eine Logik, die in nur eine Richtung weist - die Fortführung des Atomprogramms gegen allen Widerstand.
Dieses Atomprogramm, wie die meisten wirtschaftlichen und rüstungstechnischen Programme im Iran, wird zunehmend von der in die Politik gegangenen Machtelite der Revolutionsgarden kontrolliert. In deren Führungsreihen weiß man besser über die wahren Absichten der iranischen Nuklearpläne Bescheid als, zum Beispiel, im Außenministerium, welches mit den Europäern verhandelt. Die Fragen, vor der die Staatengemeinschaft steht, sind diese: Will der Iran eine Atombombe? Oder will vielleicht nur Ahmadi-Nedschad eine solche Waffe? Und wenn ja, dann warum?
Die Antwort auf die erste Frage lautet: Der Iran will grundsätzlich - so es ohne Selbstzerstörung machbar ist - eine Atomwaffe. Aufschlußreich ist ein Zitat des als "gemäßigt" geltenden Ayatollah Rafsandschani vor vier Jahren, zitiert von Michael Rubin vom "American Enterprise Institute": "Wenn eines Tages auch die islamische Welt über solche Waffen verfügt wie Israel, dann wird die Strategie der Imperialisten zum Stillstand kommen, denn die Kraft selbst einer Atombombe auf Israel würde (dort) alles zerstören. Es ist nicht irrational, eine solche Möglichkeit in Betracht zu ziehen." Ähnlich formulierte Ahmadi-Nedschad seine Aufforderung, "Israel von der Landkarte zu wischen".
Vielleicht will aber auch nur Ahmadi-Nedschad die Bombe. Im Iran sind die Reformer in der Minderheit, ein großer Teil der Bevölkerung will einen radikalen Wechsel, und eine mit den Reformern vergleichbare Minderheit will den Machterhalt der Theokratie. Die letzten Wahlen verzerrten diese Relationen insofern, als viele Jugendliche einfach nur materielle Vorteile suchten, wie Ahamdi-Nedschad sie versprach. Er wird diese Versprechen nicht einlösen können und steht damit vor einem innenpolitischen Problem - die Macht zu erhalten mit einer immer schmaleren Basis. Er ist dafür auf die Apathie der Massen angewiesen. Und er braucht Schutz vor äußerer Einmischung.
Dies scheint die Ratio jener iranischen Kreise zu sein, die eine Atombombe wollen. Nuklearwaffen würde die strategischen Kräfteverhältnisse ändern, das Regime könnte dann innenpolitisch noch mehr als bisher tun, was es will. Es wäre ein Schutz vor äußerer Einmischung.
Es ist aber nicht sicher, daß Ahmadi-Nedschad so begrenzt machttechnisch denkt. Michael Rubin, Verfasser des Buches "Ewiger Iran - Kontinuität und Chaos", ist der Meinung, der Präsident gebe alle Anzeichen, "Krieg und nicht Frieden zu wollen". Sicher ist, daß Ahmadi-Nedschad als schiitischer Muslim und islamischer Revolutionär daran glaubt, die Unterdrückung anderer Muslime durch Ungläubige notfalls mit Gewalt beenden zu müssen. Es ist eine Überzeugung, die durch seine bisherigen Erfolge und seinen Glauben an die "Machbarkeit" militärischer Lösungen vielleicht gesteigert wird. Ahmadi-Nedschad mag solche Ziele aus realpolitischen Gründen in die ferne Zukunft verlagern. Oder auch nicht.
Ob er Krieg will, das ist zumindest ein Gedanke, der seit Ahmadi-Nedschads spektakulärer Außenpolitik ernsthaft geprüft werden muß.
Zu prüfen ist freilich auch, ob eine militärische Konfrontation nicht auch in den Vereinigten Staaten und in Israel gewünscht wird - seit Dezember kursieren Gerüchte, die USA hätten ihre Verbündeten in der Region auf einen bevorstehenden Militärschlag hingewiesen.
Artikel erschienen am Mi, 11. Januar 2006
So steige ich Schritt für Schritt aus dem Meer unzähliger Gedanken- und Wunschbilder aus und erkenne immer mehr die Realität hinter meiner Scheinwelt -- mein wahres Sein.