Es wird sich was ändern müssen...
20.11.2005 um 17:54
Risikoplanet ERDE <
Unser Planet ist zerrissen. Die Erdkruste ächzt und zittert, der Kern brodelt. Der Boden, auf dem wir stehen, ist alles andere als sicher. Doch Gott nur vor dem Hintergrund schrecklicher Zeitereignisse zu beurteilen, ist ein fataler Denkfehler.
„Wir wissen allerdings, dass die gesamte Schöpfung jetzt noch unter ihrem Zustand seufzt, als würde sie in Geburtswehen liegen.“
Paulus in Römer 8,22
Sieben grosse und zahlreiche kleinere Platten bilden die Oberfläche unseres Planeten. Sie sind ständig in Bewegung. Treibende Kraft sind Bewegungen im flüssigen Erdmantel, auf dem die starren Erdschollen schwimmen, sowie das Gewicht der abtauchenden Platten selbst.
Dort, wo zwei Platten auseinander driften, reisst die Erdkruste auf, und glutflüssiges Gestein quillt hervor. Das geschieht häufig am Grund der Ozeane - so entstehen untermeerische Gebirge.
Wenn Platten aneinander vorbei gleiten, können sie sich verhaken und Spannungen aufbauen, die sich mit einem Ruck lösen - dann bebt die Erde.
Prallen zwei Platten aufeinander, schiebt sich meist eine unter die andere und versinkt in einer so genannten Subduktionszone in den Erdmantel. Die obere Platte wird dabei in der Kollisionsregion emporgedrückt: Vulkane brechen aus, und mächtige Gebirge wachsen. In solchen Zonen sind Erdbeben häufig.
Das Erdbeben von Sumatra, das zu dem verheerenden Tsunami-Flutwellen geführt hat, war nach Angaben von US-Forschern so stark, dass es die Erdrotation beschleunigt hat. Geophysiker des NASA-Jet Propulsion Center in Pasadena haben berechnet, dass die Erde sich danach um etwa drei Mikrosekunden schneller drehte, weil sich die Massen der tektonischen Platten verschoben haben. Auswirkungen auf den Planeten habe dies allerdings nicht, meinen die Forscher, da die kürzere Umlaufzeit nur ein paar Millionstel einer Sekunde betrage.
Wie gewaltig das Erdbeben tatsächlich war, berichtet die US-Geological Society (USGS): Die Energie des Bebens kommt 475000 Kilotonnen TNT gleich. Das entspricht einer Gewalt von 23000 Atombomben wie sie in Hiroshima gezündet wurden. Das stärkste Beben, das je auf der Erde gemessen wurde, war es aber nicht. 1960 gab es in Chile nahe der Stadt Conception ein noch gewaltigeres, das zwischen 15 und 30 Minuten nach dem Beben zu Wellen von mehr als 50 Metern Höhe führte.
Etwa 15 Stunden nach den Erschütterungen wurde die hawaiianische Stadt Hilo, rund 6800 Kilometer vom Epizentrum entfernt, von gewaltigen zehn-Meter-Brechern getroffen und verwüstet.
Das zweitschwerste je gemessene Erdbeben wurde 1964 in Alaska registriert. Damals wurde ein Gebiet von 80000 Quadratkilometern zerstört. Eine Tsunami-Welle erreichte an der Shoup-Bay am Valdez Inlet eine Maximalhöhe von 67 Metern. Nur gut, dass die betroffenen Gebiete - die Küste Alaskas, West-Kanadas, Oregons und Washingtons - relativ schwach besiedelt waren.
Gemäss den Experten der USGS können Tsunami-Flutwellen in jedem Ozean auftreten. Besonders gefährdet ist der Pazifik mit dem so genannten "Ring Of Fire", einem Ring aus aktiven Vulkanen rund um die Aussengrenzen des grossen Ozeans.
Dass eine Warnung vor den grossen Wellen nur selten früh genug kommt, zeigen auch zahlreiche Beispiele wie etwa jener Tsunami, der am 17. Juli 1998 mehr als 2000 Menschen in Papua Neuguinea in den Tod riss. Innerhalb weniger Minuten nach dem Beben zerstörten drei aufeinander folgende Wellen drei Dörfer komplett. Besonders tragisch war der Umstand, dass das den Tsunami auslösende Seebeben, relativ leicht war. Bewohner in anderen Dörfern, die nur 15 Kilometer von den betroffenen Ortschaften entfernt lebten, spürten das Beben kaum.
Tsunamis sind nicht einfach gigantische Wellen, sondern zehn oder mehr aufeinander folgende, die das Wasser vor- und zurücktransportieren. Deshalb wiesen die Opfer in Papua Neuguinea Brandverletzungen auf. Ihre Körper wurden regelrecht über den rauen Korallensand geschleift.
Die zerstörerischen Wellen werden aber nicht nur durch unterseeische Beben ausgelöst. Der Ausbruch des Vulkans Krakatau in Indonesien am 27. August 1883 sorgte für Wogen, die 165 Dörfer einfach unter sich begruben und keine Spuren mehr hinterliessen.
Katastrophen wurden im Laufe der Geschichte unterschiedlich gedeutet. Der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof schreibt: „Der gesellschaftliche Wandel wird auch erkennbar an der Art, wie über Katastrophen berichtet und wie diese interpretiert werden.“
Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 markiert einen Einschnitt im kulturellen Gedächtnis Europas. Dass rund 60000 Menschen unter den Trümmern der blühenden Handelsstadt starben, verstörte das europäische Selbstverständnis. Man sprach vom „Tod des Optimismus“. Zu dieser Verstörung führte aber nicht die Naturkatastrophe allein, sondern deren mediale Begleitung.
Goethe schrieb später: „Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erden, ... hatte sich, in dem er die Gerechten und Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen.“
Voltaires „Poème sur le désastre de Lisbonne“ griff die gängige Geisteshaltung an. Zornig griff der Franzose die Verteidigungen Gottes angesichts des Übels in der Welt an. Doch mit „Candide ou l’optimisme“ schrieb er auch ein Traktat über die gescheiterten Vorstellungen der optimistischen Aufklärung: „Wie grausam doch die Natur ist! Es wird Mühe kosten, darzulegen, warum die Bewegungsgesetze solche furchtbare Verwüstung anrichten müssen in der besten aller möglichen Welten!“
Das Flutkatastrophe von Asien verunsichert weit mehr als der 11. September. Naturkatastrophen stellen die viel grössere Anfechtung des Vertrauens gläubiger Menschen in einen gerechten und guten Gott dar, als die von Menschen povozierten Leiden.
Nach der Katastrophe von Lissabon tat die europäische Gesellschaft den Schritt in die Moderne. Die Aufklärung setzte sich durch: Nicht mehr von Sünde und Schuld sollte die Rede sein, sondern von Katastrophe und Risiko, von Geologie nicht mehr von Sintflut. Nur weg von religiösen Deutungen, hin zu einer Orientierung an den Naturwissenschaften.
Die Folge war die Trennung von erklärenden und moralischen Bezügen. Kurt Imhof: „Vorgänge können nun als Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ohne Rekurs auf göttliche Ursprünge und sündhaftes Handeln der Menschen beschrieben werden.“
Auffallend ist nun aber, dass im Falle von Naturkatastrophen die Massenmedien anfangs des 20. Jahrhundert trotzdem wieder zu unwissenschaftlichen Begriffen wie „Schicksal“ und „Fügung“ griffen. Der Soziologe Imhof beschreibt diesen Umstand so: „Die besondere Dynamik von Katastrophen, ihre Plötzlichkeit und Unvorhersehbarkeit, fördert offensichtliche eine Affinität zu religiösen Deutungen.“
Doch im Laufe des letzten Jahrhunderts wurden transzendente Interpretationen weiter zurückgedrängt. Kurt Imhof, der schweizerische Presseberichte über Katastrophen im 20. Jahrhundert analysierte, stellte fest, dass bei Naturkatastrophen über lange Zeit nur noch der Verweis auf die „unberechenbare Natur“ erfolgt sei, die Interpretationsmuster „Schicksal“, „Fügung“ und „menschliche Hybris“ verschwanden.
Ab den 70-er und vor allem in den 80-er Jahren wandelte sich die Ausdrucksweise in der öffentlichen Diskussion. Die New-Age-Philosophie, die ein harmonische Gleichgewicht propagierte, das durch menschliches Verhalten gestört werden könne, setzte sich immer mehr durch. Der Mensch, nicht mehr die Natur, galt nun als unberechenbar und Katastrophen wurden in diesem Kontext gedeutet.
Das Seebeben im Indischen Ozean vom 26. Dezember 2004 könnte – 250 Jahre nach dem Desaster von Lissabon einen weiteren Einschnitt markieren. Wohl werden Schuldzuweisungen gemacht und unterlassene Warnungen reklamiert. Doch die Unberechenbarkeit der Natur und die menschliche Begrenztheit sind genauso ein Thema. Der Öko-Schriftsteller Frank Schätzing formulierte in der „Zeit“ eine Selbstanklage: „Wir haben versagt!“ Die jüngste Katastrophe in Südasien sei weniger Folge einer instabilen Erdkruste als vielmehr „der Instabiliät unserer viel besungenen Weltgemeinschaft“.
Für den französischen Kulturkritiker Paul Virilio ist der 26.12. ein Ereignis, das unsere Epoche bestimmen wird. Seit dem 18. Jahrhundert sei die Welt einer „Dynamik der Revolution“ in Politik, Technik und Wissenschaft gefolgt. Das ändere sich mit dem Eintreten ins 21. Jahrhundert: „Wir treten von der Ära der ‚Revolution’ in die Ära der ‚Revelation’, der Offenbarung, ein. Denn, so prophezeit Virilio: „Die entscheidenden politischen Impulse werden nicht mehr von Revolutionen ausgehen, sondern von Katastrophen, die eine völlig neue Situation offenbaren.“ Das Entscheidende an den Katastrophen sei nicht, dass sie den Weltuntergang einläuteten, sondern dass sie chaotische politische Kräfte freisetzten.
Virilio begründet seine Sicht damit, dass Katastrophen Emotionen, nicht Meinungen oder Ideologien erzeugten: „Eine Meinung wird gemacht, eine Emotion wird bloss hervorgerufen. Die öffentliche Meinung wird von einer minimalen Rationalität strukturiert. Die Demokratie der Emotionen wird beherrscht von Angst, von Panik und Betroffenheit.“ Ausgelöst werden Emotionen durch die medial aufbereitete Bilderflut.
Georg Sesslen schreibt in einem Essay: „Die Barmherzigkeit unserer Spendenaktion wird mit einer Unbarmherzigkeit der Bilder erkauft.“ Das Bild des menschlichen Elends sei der Preis dafür, dass wir hierzulande einen "Spendenrekord" erzielten, dass Staaten sich durch Hilfsbereitschaft ihren Platz in der Weltordnung sichern wollten, dass sogar über Schuldenerlass gesprochen werde (nicht aber über Veränderungen des Welthandels). Sesslen: „Wir brauchen die Bilder der Katastrophen, und wir brauchen sie in einer bestimmten Form, sonst wäre unser Geiz noch geiler, unser Herz noch leerer, und sonst bliebe uns nichts anderes übrig, als auf den Nihilismus der Katastrophe mit einem eigenen Nihilismus zu antworten. Wie sollte eine Mediengesellschaft denn anders trauern als in ihren Medien?“
Tatsächlich kennt die Spendenbereitschaft auf der ganzen Welt keine Grenzen. In zwei Wochen haben Regierungen und Bürger fünf Milliarden Dollar zugesagt. Matthias Nass rechnete nach: „Geht man von etwa fünf Millionen Betroffenen aus, die verletzt worden sind, die Angehörige verloren haben, deren Haus, deren Boot oder deren Werkstatt zerstört wurde, dann entfallen auf jeden fast tausend Dollar.“
Gibt es auch eine Globalisierung der Moral? Macht diese Katastrophe der Menschheit deutlich, dass Arme wie Reiche nur diesen einen verletzlichen Planeten haben, für den sie gemeinsam Verantwortung tragen?
Matthias Nass macht eine wichtige Feststellung: „Die Weltpolitik hatte sich in die Weihnachtsferien verabschiedet, als der Tsunami auf die Küsten Südasiens zurollte. George W. Bush, Kofi Annan, Tony Blair, Gerhard Schröder – sie alle hatten sich mit ihren Familien über die Feiertage zurückgezogen. Langsam nur begriffen sie das Ausmass der Katastrophe. Dann aber, als sie endlich wach waren, begann ein karitativer Wettstreit, wie ihn die Menschheit nie erlebt hatte – ein Wettstreit unter den Nationen und mit den eigenen Bürgern, die auf die Fernsehbilder mit überwältigender Hilfsbereitschaft reagierten.“
Paul Virilio scheint recht zu haben. Die Demokratien der Welt werden durch Emotionen wie Angst und Mitleid gesteuert, die über Bilder geschürt werden. Die Mächtigen der Welt wissen das und erst recht die unsichtbaren Drahtzieher jener Welt, die gegen Gott streitet.
Nothilfe reicht nicht. Nur eine andere Entwicklungspolitik kann die schlimmsten Folgen von Naturkatastrophen verhindern. Und Entwicklungspolitik, welche die Versöhnung mit Gott ausklammert, hilft nicht, um den Menschen in die Freiheit zu führen.
.21Was bedeutet dieses Seebeben? Erschliesst die gleich nach der Flutkatastrophe einsetzende Solidarität der Weltgemeinschaft eine neue Dimension des Zusammenlebens und echten Teilens oder nur eine gefährliche politisch manipulierte Schein-Gemeinschaft? So wie das Beben von Lissabon die europäische Geschichte prägte, so könnte das Beben im Indischen Ozean den weiteren Verlauf der Weltgeschichte lenken.
Europa kann sich nach Ansicht des Risikoforschers Gerhard Berz nicht vor einem Tsunami sicher fühlen. "Im Mittel-atlantischen Rücken gibt es starke vulkanische Aktivität. Auch wenn es dort zu einem Meteoriteneinschlag kommt, könnte das bei uns eine gewaltige Flutwelle auslösen", warnt der langjährige Leiter der Abteilung "GeoRisikoForschung" der Münchner Rückversicherung in der "Zeit". Seiner Meinung nach werden die Gefahren von Naturkatastrophen verdrängt. Dabei sei es eine Frage der Zeit, bis ein starkes Beben direkt unter einer Millionenstadt mehrere hunderttausend Todesopfer fordere. Berz: „Man kann in keiner Weise sagen, dass wir solche Risiken im Griff hätten.“
Auf La Palma ist die Westflanke des Vulkans Cumbre Vieja instabil. Bei einem Bergsturz würden 500 Milliarden Tonnen Gestein ins Meer stürzen. Eine Welle, wie sie die Welt noch nie gesehen hat, würde dann in Richtung der amerikanischen Ostküste rasen.
Experten, die sich mit möglichen künftigen Katastrophen beschäftigen, machen keine beruhigenden Prognosen. Die Schäden durch Naturkatastrophen haben sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht. Das es noch schlimmer kommen dürfte, liegt an globalen Entwicklungen, die unumkehrbar scheinen: An Bevölkerungswachstum, Klimawandel, Mobilität, Beweglichkeit des Kapitals.
Nach einem Uno-Bericht leben schon heute 75 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten, die im Laufe der vergangenen 20 Jahre von Erdbeben, Stürmen, Hochwasser und Dürren heimgesucht wurden:
* Tropenstürme bedrohen mehr als 500 Mio. Chinesen
* Sturmfluten gefährden 160 Mio. Inder
* Erdbeben gefährden 30 Mio. Japaner
* 2/3 der Weltbevölkerung lebt im Küstenbereich innerhalb von 50 km und ist sämtlichen Gefahren im Zusammenhang mit dem Meer ausgesetzt
An vielen Küsten steigt das Wasser an. Immer grössere Landstriche können überschwemmt werden. Salzwasser dringt dann in die Süsswasserquellen, Trinkwasser wird zur Mangelware. Stürme spülen Küsten weg. Insel tauchen ab. Mit den vermehrten Überschwemmungen und Erdrutschen steigt die Gefahr von Durchfall- und Atemwegserkrankungen.
Die immer noch laufende Verstädterung schafft ein enormes Gefahrenpotential. Die 100 grössten Städte der Welt verdoppelten sich in den letzten Jahren auf durchschnittlich mehr als 5 Mio. Bewohner. In den Mega-Citys Bombay, Lagos oder Kairo haust die Hälfte der Einwohner in Slums, unter erbärmlichen hygienischen Bedingungen. Ein Erdbeben direkt unter einem solchen Moloch forderte auf einen Schlag mehrere hunderttausend Tote.
Wo so viele Menschen auf engstem Raum leben, wächst die Gefahr, dass sich ein gefährlicher Virus einnistet und blitzschnell ausbreitet. Eine globale Verbreitung ist durch den internationalen Flugverkehr nur eine Frage von Tagen.
Die geheimnisvolle Lüngenentzündung Sars, die anfangs 2003 plötzlich auftauchte, weist darauf hin wie rasch sich eine solche Seuche ausbreiten kann.
Eines dürfen wir mit Blick auf das Risikogebiet Erde und neben den Naturkatastrophen nicht vergessen: Labil und krisenanfällig ist auch unser globales Finanzsystem. Auch eine Wirtschaftskrise kann die Welt aus den Fugen kippen. So wie einige Mausklicks in New York, London und Tokio über die Rohstoffpreise bestimmen und damit die Kaffee-, Kakao-, Baumwolle- und Zuckerproduzenten in Afrika und Zentralasien von einem Tag auf den anderen ins Elend stürzen, so kann ein Währungszerfall uns alle treffen.
Als 1997 der Kurs der thailändischen Währung einbrach, kam es zur Asienkrise. Die Arbeitslose in Thailand verdreifachte sich, in Indonesien stieg sie um das Zehnfache. Millionen von Menschen, die zuvor ein normales Einkommen hatten, wussten bald nicht mehr wie sie den Reis für die Kinder bezahlen sollten.
Die Schuldenkrisen in Lateinamerika 1982, Mexiko 1994, Asien 1997, Russland 1998, Brasilien 1999 und Argentinien 2001 sind Warnungen dafür, wie unberechenbar das globale Finanzsystem sein kann. Es lässt Länder und ganze Erdteile in Wirtschaftskrisen taumeln, wenn das kurzfristig orientierte Finanzkapital abgezogen wird.
Noch boomt China. Aber wie gut sind seine vielen Kredite bei einer Öffnung auf dem internationalen Platz? Und die hochverschuldete USA mit dem schwächelnden Dollar – was wenn das Finanzkapital in Panik gerät und sich zurückzieht? Weltweit würde die Wirtschaft zusammenbrechen, die Staatshaushalte könnten nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden, die Gesundheitsausgaben würden gestrichen, die Privatspenden blieben aus, weil die Menschen mit sich selbst genug zu tun hätten. Wenn in einer solchen Situation auch noch ein tödlicher Virus ausbrechen würde, käme es zu einer Katastrophe, die man sich gar nicht weiter vorstellen mag.
Wie reagiert die Welt auf Flutkatastrophe? Sie gibt Geld und hilft den Opfern und sie versucht sich am Aufbau eines globalen Frühwarnsystems für Naturkatastrophen. Dagegen ist nichts zu sagen, das ist richtig. Doch wenn das die einzige Reaktion auf das Flutdesaster bliebe, hätten wir ein Flüstern überhört, dass nach dem gewaltigen Donnern der Chaosmächte über der Zerstörung lag.
Die zerrissene Erde mit ihren tödlichen Strukturen ist Abbild und Folge des menschlichen Herzens. Der von Gott emanzipierte Mensch ist das einzige Wesen auf diesem Planeten, das es wagt, sich gegen seinen Schöpfer aufzulehnen. Das Ergebnis ist ein tiefer Riss zwischen Mensch und Gott. Satan bekommt Macht, das Böse zieht ein in die Welt und beeinträchtigt die gesamte Schöpfung. Unfreiwillig wird sie der Vergänglichkeit unterworfen (vgl. Röm. 8,20f.). Sie „seufzt und liegt in Wehen“, etwas Neues wird geboren werden.
Leid und Schmerz begleiten das Leben seit dem Missbrauch der menschlichen Willensfreiheit. Die Bibel berichtet uns nun - angefangen vom Buch Genesis bis hin zur Offenbarung - vom grossen Plan Gottes, die Schöpfung wieder in einen vollkommenen Zustand zu führen. Gottes Wille und Absicht ist eine vollkommene Welt, so wie sie in den ersten zwei Kapiteln im 1. Buch Mose und im letzten Kapitel der Offenbarung beschrieben wird. Was dazwischen liegt – Armut, Krankheit, Hass, Leid, Gewalt, Tod – das ist gegen Gottes Absicht mit seiner Schöpfung gerichtet. Der Sündenfall mit dem Einfall des Bösen und seiner Diener, die sich als Kosmokratoren gebärden, als „Weltbeherrscher der Finsternis“, hat die Lebensumstände umgekrempelt und das Antlitz der Erde entstellt. In dieser Welt leben wir. Gott nur vor dem Hintergrund schrecklicher Zeitereignisse beurteilen zu wollen, ist ein tragischer Denkfehler.
Philip Yancey schreibt im Buch „Wo ist Gott in meinem Leid?“: „Man stelle sich folgende Szene vor: Vandalen brechen in ein Museum ein, das Gemälde aus Picassos blauer Periode ausstellt. Aus reiner Zerstörungswut spritzen sie rote Farbe über die Bilder und schlitzen sie mit Messern auf. Es wäre äusserst unfair, diese Werke, die nur einen Teil seines schöpferischen Werkes ausmachen (und überdies verwüstet sind), als typische Picassos zu bezeichnen. Dasselbe gilt auch für Gottes Schöpfung. Gott hat sein Urteil über diese Welt bereits gefällt: Er wird sie richten und die Erde neu machen. Dass diese durch Sünde und Leid verdorbene Welt überhaupt noch existiert, beweist keineswegs, wie grausam er ist, sondern es ist ein Zeichen seiner Gnade.“
Unsere Generation hat Gott mit einer Unverfrorenheit abgeschafft, wie keine Generation zuvor. Gott kommt in unseren Wissensbereichen nicht mehr vor, weder in den Geistes- noch in den Naturwissenschaften. Seine lebenserhaltenden Ordnungen im ethischen Bereich lehnen wir ab. Seine Gesetze übertreten wir. Den angeboten Bund mit ihm schlagen wir aus. In der Schule ist er kein Thema. In der Biologie haben wir ihn ausgetrickst mit einer ausgefuchsten alternativen Entstehungserklärung: Aus einem Knall heraus und dem anschliessenden Chaos, habe sich das Leben entwickelt. Wir glauben das, weil wir Gott nicht wollen. Der Riss soll bleiben.
Die Ablehnung Gottes geht heute soweit, dass Molekularbiologen wie Dean Hamer bei religiösen Menschen ein „Gott-Gen“ festgestellt haben wollen, das bei ihnen entsprechende Stimmungen und Gefühle steuere.
Der amerikanische Soziobiologe Wilson glaubt tatsächlich, dass die Evolution ein Gehirn geformt habe, das religiöse Gefühle aufbauen könne. Irgendetwas habe den tierischen Instinkt ablösen müssen – möglicherweise sei das die Geburtsstunde der Religion gewesen, mutmasst Wilson. Um die Ordnung in der Gruppe sicherzustellen, habe man ein Ehrfurcht gebietende höhere Macht erfunden. Gott sei ein Gedankenkonstrukt des Menschen.
Hirnforscher meinen allen Ernstes, diese absurde Behauptung mittels Positronen-Emmissions-Tomogrammen „beweisen“ zu können, indem bei betenden oder meditierenden Menschen für bestimmte Gefühle zuständige Gehirnregionen aktiv werden. – In dieser Weise wird heute über den Schöpfer von Himmel und Erde gedacht. Wie würden wir reagieren, wenn uns unsere Kinder als nützliche, aber irreale Erfindung ihrer Gedanken betrachteten? Was kann Gott tun, um gehört zu werden? Wie kann er uns klarmachen, dass die Erde zerrissen und das menschliche Herz die Quelle böser Gedanken ist und weit davon entfernt, seinen Vorstellungen zu genügen? Wie spüren wir, das etwas mit uns nicht stimmt?
C.S. Lewis prägte den Begriff vom „Megaphon Gottes“. Schmerz sei ein Mittel, eine taube Welt aufzuwecken: „Gott flüstert in unseren Freuden, er spricht in unserem Gewissen; in unseren Schmerzen aber ruft er laut. Sie sind sein Megaphon, eine taube Welt aufzuwecken.“
Das Leid in der Welt schreit: Hier stimmt etwas nicht! Not und Tod zwingen uns, über bestimmte Dinge nachzudenken. Wenn 200000 Menschen an den Traumstränden der Welt in einer Stunde ertrinken, dann fällt es mir schwer zu glauben, dass die Welt nur dazu da ist, mich zu vergnügen. Ich kann diesen Gedanken verdrängen, aber das Leid schaffe ich nicht aus der Welt. Es verfolgt mich und erinnert mich daran, wie sinnlos dieses Leben wäre, wenn danach nichts mehr käme.
Natürlich denken wir, auch ohne das Megaphon des Schmerzes sehr gut leben zu können. Philipp Yancey, der sich seit vielen Jahren mit der Frage nach dem Leid auseinandersetzt, warnt vor einer Selbsttäuschung: „Wir täuschen uns, wie die Geschichte vom Garten Eden beweist. Der Mensch hat sich in einer Welt ohne Leid und Schmerz gegen Gott entschieden. Und darum stehen wir vor der Wahl: Wir können Gott vertrauen oder ihn für einen Zustand verantwortlich machen, den wir im Grunde selbst verschuldet haben.“
Angesichts unseres unsicheren Planeten muss jeder Mensch die Frage seiner Beziehung zu Gott klären. Hier ist eine Entscheidung gefordert. Wird sie hinausgeschoben, wächst das Risiko stündlich, das Leben nicht mehr zu finden. Angesichts der Flutkatastrophe in Südasien oder der Krebserkrankung meines Nachbarn, kann ich entweder Gott die Schuld geben und mich gegen ihn weiter verhärten oder ich wende mich ihm zu und vertraue ihm, dass er aus dem Unglück etwas Neues schafft, was ich vorher überhört hatte.
Ausgerechnet am Tag nach Weihnachten, wo wir inmitten von Kitsch und Pomp das in einem Kuhstall und grösster Armut geborene, blond gelockte Baby singend verklärten, riss uns ein Desaster auf brutalste Weise aus der sentimentalen Stimmung und wir stehen vor der Frage: Haben wir Gott falsch verstanden?
Der Sohn Gottes kam in die Welt und lebte als Mensch unter den Menschen. Jesus war sich über den Zustand der Erde bewusst. Er sprach über sie nicht vom Paradies, sondern von der Finsternis. Deshalb predigte er: „Ich bin als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt“ (Joh. 12,46).
Der wahre Gott kam in die Welt und gab sein Leben für uns. Um uns von der Todesangst zu befreien, stieg er hinab bis zum Kreuz; er erniedrigte sich selbst. Auf Golgatha geht es um dich und mich. Da ist von deiner und meiner Schuld die Rede. Dort geschieht meine Lebensrettung. Wer sich an diesem einsamen, leidenden Gott am Kreuz stört, der hat seine tatsächliche Situation nicht begriffen. Das liegt aber nicht am aufgeklärten Verstand, sondern an unaufgeklärter Sünde.
Hebräer 2,14 und 15: „Weil nun aber alle diese Kinder Geschöpfe aus Fleisch und Blut sind, ist auch er ein Mensch von Fleisch und Blut geworden. So konnte er durch den Tod den entmachten, der mit Hilfe des Todes seine Macht ausübt, nämlich den Teufel, und konnte die, deren ganzes Leben von der Angst vor dem Tod beherrscht war, aus ihrer Sklaverei befreien.“
Gottes Macht wird gerade in seinem Verzicht sichtbar, Macht und Zwang auszuüben. Leidenschaftlich will er den Menschen zu sich ziehen – aber das aus Liebe. Gott unternimmt nichts, das uns zwingen würde, ihn zu lieben.
Ein Trupp Soldaten nahm Jesus, den Herrn des Universums, den König aller Könige, im Garten Gethsemane gefangen. Er liess sich von einem Jünger verraten und von den Soldaten widerstandslos fesseln. Das himmlische Heer musste tatenlos zusehen, wie Gott sich bewusst schwach machte und sich in die Hand des Menschen gab. Der Mensch entscheidet, was er mit Jesus machen will. Gott beharrt mit letzter Konsequenz auf der Freiheit des Menschen. So konsequent, dass wir leben können, als würde er nicht existieren.
Im 13. Kapitel des Lukas-Evangeliums finden wir verschiedene Hinweise, wie Jesus mit der Frage nach dem Leid umging. Wir sehen, dass er es unterschiedlich beurteilt. Hinter dem Leiden einer verkrüppelten Frau sah er eine böse Geistmacht (V.11). Der letzte Abschnitt des Kapitels berichtet, wie Jesus über das Schicksal Jerusalems weint. Den Untergang der Stadt bringt er in Verbindung mit moralischem Fehlverhalten und Auflehnung gegen die göttliche Ordnung (V.34).
Am Anfang des Kapitels berichtet Lukas über zwei Ereignisse, die damals viel Aufsehen erregten. Das eine war die schreckliche Hinrichtung der Mitglieder einer religiösen Minderheit durch die Römer und das zweite war der Einsturz eines Turms, der 18 Leute unter sich begrub. Es sind diese Beispiele, die uns angesichts der wahllos zuschlagenden Todeswellen helfen können, in der lauten Katastrophe das leise Reden Gottes zu verstehen.
Die Menschen wollten von Jesus die Ursache des Leidens wissen. Was hatten die Opfer verbrochen? Jesus ging nicht auf die Warum-Frage ein. Eines unterstrich er aber mit aller Deutlichkeit: Ihr Tod hatte keinen direkten Zusammenhang mit einen konkreten Fehlverhalten. Jesus entgegnete: „Meint ihr, diese Leute seien grössere Sünder gewesen als alle ‚übrigen’ Galiläer, weil so etwas Schreckliches mit ihnen geschehen ist?“ – „Oder denkt an jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach den Tod fanden. Meint ihr, ihre Schuld sei grösser gewesen als die aller anderen Einwohner Jerusalems? Nein, sage ich euch...“ (Lk. 13,1-5)
Keiner brauchte sich mehr nach dem Warum zu fragen. Die Opfer haben nichts Besonderes getan. Sie waren weder besser noch schlechter als andere. Dabei blieb Jesus aber nicht stehen. Die beiden tragischen Ereignisse griff er auf, um auf eine Wahrheit hinzuweisen, die bis heute für alle gilt: „...Wenn ihr nicht umkehrt, werdet ihr alle ebenso umkommen.“
Die ganze Menschheit ist Zuschauer der Flut rund um den Indischen Ozean, alle sind mit eingeschlossen. Uns sollte spätestens jetzt bewusst werden, dass wir die nächsten Opfer einer tödlichen Welle, eines einstürzenden Gebäudes oder eines politischen Terroraktes sein könnten. Katastrophen erinnern uns an die Vergänglichkeit des Lebens und sie rufen zur Umkehr zu Gott auf. Woran hängt unser Leben?
Am Ende der Geschichte wird die Erde in ihrer jetzigen Gestalt vergehen. Kein globales Frühwarnsystem wird den Tag des Gerichts ankündigen. Alles wird überraschend und blitzschnell gehen: Die Atmosphäre explodiert, die Atome lösen sich aufgrund der enormen Hitzestrahlung auf „und die Erde und die Werke darauf verbrennen“ (vgl. 2. Petrus 3,10).
Doch nach dem Gericht über Satan und die Sünder beginnt sich das Ziel des Heilsplans des Ewigen zu erfüllen. Er bildet einen neuen Himmel und eine neue Erde, in der Gerechtigkeit herrscht (vgl. Jes. 65,17; Offb. 21,1 bis 22,5).
Darauf sollen sich Christen ausrichten und ihren Weg hoffnungsvoll und Gott bezeugend weitergehen. Rolf Höneisen
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