Ägypten: Terroranschläge in Scharm el Scheich
24.07.2005 um 14:16
Woher kommen Terroristen? Was bewegt sie zu ihren Taten? Wählen sie ihre Opfer geziehlt aus oder ist jeder willkommen, der bei einem Anschlag verletzt oder getötet wird? Heute, wo wir mal wieder nachdenken, ob sie sich auch mitten unter uns bewegen, ob sie uns noch eben ins Gesicht gelächelt haben, vielleicht sogar nach dem Weg oder der Uhrzeit fragten und dann ins Auto stiegen, die U-Bahn nahmen, mit den Fahrrad "zur Arbeit" fuhren....Wer weiss das schon? Können wir unserem Nachbarn noch trauen? Was erwartet uns, wenn wir in den Urlaub in südliche Länder fahren? Müssen wir auf alles gefasst sein, was Terrorismus ausmacht? Der User jaodernein fliegt trotzdem nach Ägypten, obwohl es dort nun gerade nicht so sicher scheint. Aber, vielleicht hat er Glück und der Blitz schlägt nicht zweimal in den selben Baum ein. Eine Londoner Urlauberin erlebte dort, nachdem sie die Schrecken von London erlebte, ihr zweites persönliches Stelldichein mit dem Terror. Ja, man kann ihm nicht entkommen, man muss gefasst sein auf alles und gefasst bleiben, wenns passiert. Selbstverständlich wird die Berichterstattung in der Presse eines jeweiligen Landes sich zuerst auf Informationen bezüglich dem Verbleib inländischer Urlaubsgäste stürzen und diese Verbreiten. Das machen die jeweiligen Auslandsvertretungen aller Staaten so. Sich darüber zu mokieren und gleich mit der Rassismuskeule zu kommen, halte ich für wenig sinnvoll. Mit Sicherheit wurde auch in Türkischen Nachrichten erwähnt, dass sich keine türkischen Opfer unter den Toten und verletzten im Urlaubsort Scharm el Scheich befinden. Wir wollen doch hier nicht einen Rassismus herbeireden und sachlich bleiben.
Hier mal ein Artikel, der wieder einen Erklärungsversuch darstellt:
Terrorismus-Forschung
In den Dschihad mit europäischem Paß
22. Juli 2005 Seit dem 11. September 2001 gibt es eine Flut von Veröffentlichungen über den islamistischen Terrorismus. So gut wie keine der vielen kriminologischen, politischen, kulturell-religiösen oder wirtschaftlichen Studien zu Herkunft und Wesen des globalen Dschihads bedient sich allerdings moderner sozialwissenschaftlicher Methoden. In der Regel werden einzelne Ereignisse (wie Anschläge) oder subjektiv-anekdotische Einschätzungen (etwa über die Bedeutung des Palästina-Konflikts) als Grundlage für die Argumentation herangezogen.
Zwei amerikanische Wissenschaftler haben nun zum ersten Mal den Versuch unternommen, terroristische Aktivitäten in westlichen Ländern mit quantitativen Methoden zu untersuchen. Dabei sind Robert Leiken und Steven Brooke vom „Nixon Center”, einem Forschungsinstitut in Washington, zu überraschenden Ergebnissen gekommen: Sie haben herausgefunden, daß die größte Gruppe von islamistischen Terroristen in Europa und Nordamerika nicht aus dem Nahen Osten oder Entwicklungsländern stammt, sondern aus dem Westen selbst. Und sie haben einen Zusammenhang zwischen Terrorismus und Migration festgestellt. Die weitaus meisten Terroristen in westlichen Staaten sind Einwanderer.
Terroristen-Datenbank als Grundlage
Grundlage für die Studie ist eine von Leiken und Brooke erstellte Datenbank, in der 373 islamistische Terroristen erfaßt wurden, die zwischen 1993 und 2004 in Nordamerika und Westeuropa angeklagt, verurteilt oder getötet wurden. Ihre ersten Ergebnisse haben die beiden Forscher im Juni 2005 in einem bisher unveröffentlichten Papier zusammengefaßt, das der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegt. Die Daten sind aus frei zugänglichen Quellen zusammengestellt, aus Medienberichten, Gerichts- oder Regierungsdokumenten sowie Veröffentlichungen von Forschungsinstituten und Nichtregierungsorganisationen. Gegenstand der Erhebung waren allerdings nur Mitglieder „transnationaler sunnitischer Terroristengruppen”, wie sie im Netz von Al Qaida zu finden sind. Palästinensische Gruppen oder etwa die libanesische Hizbullah wurden nicht einbezogen, weil ihre Aktionen nicht als Teil des globalen „salafistischen Dschihads”, sondern als „lokal” gegen Israel eingestuft wurden.
Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen lassen sich interessante Erkenntnisse aus der Datenbank gewinnen. So trifft die auch in Deutschland verbreitete Wahrnehmung, der Terrorismus sei im wesentlichen ein nahöstliches Problem, nicht zu. Weniger als die Hälfte der von Leiken und Brooke registrierten Terroristen wurde im Nahen Osten geboren. 41 Prozent hatten eine Staatsangehörigkeit der Europäischen Union oder Nordamerikas, und 36 Prozent stammten aus dem Maghreb. Nur 17 Prozent hatten Nationalitäten des „arabischen Kernlands” (hierzu zählen die Autoren Ägypten, den Irak, Jordanien, Syrien, Israel und die besetzten Gebiete, den Libanon sowie die Staaten der arabischen Halbinsel). Drei Prozent kamen aus asiatischen Ländern wie Malaysia, Indonesien, Indien und Pakistan.
Die meisten Terroristen sind Einwanderer
Dem Datenmaterial läßt sich entnehmen, welche wichtige Rolle Einwanderung und geographische Nähe zur muslimischen Welt für die Herausbildung terroristischer Zellen in westlichen Ländern spielen. In Europa stammten die meisten Terroristen (59 Prozent) aus dem Maghreb, einer unmittelbaren Nachbarregion. Das dürfte damit zusammenhängen, daß Migranten aus Nordafrika eine der größten Einwanderergruppen in Europa sind. Mehr als zwei Millionen Algerier, Marokkaner und Tunesier leben legal in der EU. Betrachtet man einzelne europäische Länder, dann wiederholt sich dieses Muster in den meisten Fällen. In vier europäischen Staaten stammten die Mehrzahl der Terroristen aus dem muslimischen Land, aus dem die meisten Einwanderer kamen: Frankreich (33 Prozent der Terroristen waren Algerier), Spanien (38 Prozent aus Marokko), Belgien (50 Prozent aus Marokko) und Großbritannien (südasiatische Abstammung bei vielen Terroristen der „zweiten Generation”).
Nur in zwei großen EU-Ländern bestand hier kein eindeutiger Zusammenhang. In Italien stellten Tunesier mit 65 Prozent die meisten Terroristen, obwohl sie dort eine viel kleinere Volksgruppe als die Marokkaner sind und es auch noch eine beträchtliche Zahl an Albanern und Senegalesen gibt. Und in Deutschland wurden keine Dschihadisten türkischer Herkunft registriert, obwohl die Türken hier den größten Teil der muslimischen Bevölkerung stellen. In Deutschland kamen die meisten islamistischen Terroristen aus Algerien und Syrien. Leiken und Brooke schließen aus diesen Daten, daß zwar nicht die meisten Einwanderer Terroristen seien, aber die meisten Terroristen Einwanderer.
Illegale Einwanderung spielt kaum eine Rolle
Die beiden haben auch versucht, Aufschlüsse über den bevorzugten Zugangsweg der Dschihadisten in ihre westlichen Gastländer zu gewinnen. Diese Daten sind allerdings unvollständig, da nur für 55 Prozent der Personen (206 von 373) Erkenntnisse über den Einreiseweg vorlagen. Immerhin ist zu erkennen, daß die illegale Einwanderung, der die westlichen Behörden so viel Aufmerksamkeit schenken, für Terroristen kaum eine Rolle spielt. Nur sechs Prozent der betrachteten Personen kam illegal in das Gastland. 33 Prozent verwandten Visa. Darunter waren Touristen- und Studentenvisa am häufigsten, vor Arbeitserlaubnissen und Geschäftsvisa. 23 Prozent kamen durch Asylanträge in ihr Gastland, und 38 Prozent hatten eine europäische Staatsangehörigkeit. Auffällig war auch, daß neun Prozent oder 35 der 373 Terroristen Konvertiten waren. Gemessen am Anteil der Konvertiten an der muslimischen Bevölkerung ist das eine hohe Zahl. Nach Ansicht von Leiken und Brooke bestätigt sie Geheimdiensterkenntnisse, daß Al Qaida verstärkt versucht, „unauffällige” Personen für ihre Sache zu gewinnen, zu denen neben Konvertiten auch Frauen gehören.
Die beiden Forscher haben aus ihrer Datenbank auch Informationen darüber gewonnen, wie Al Qaida Anschläge organisiert. Dabei war ein Unterschied zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zu erkennen: In Europa fanden sich 27 Operationen von Terroristen, die von einer Gruppe ausgeführt wurden, in Amerika dagegen nur sieben. In den Vereinigten Staaten waren viel mehr Einzeltäter aktiv. Leiken und Brooke führen diesen Unterschied auf die wesentlich dichtere muslimische Wohnbevölkerung in Europa zurück, die offenbar die Herausbildung von Zellen erleichtert. Auffällig ist darüber hinaus, daß die Grundlage der Zellenbildung stets Gemeinsamkeiten in der Nationalität oder Einwanderung waren. So wurden die Anschläge vom 11. September überwiegend von Saudis ausgeführt, die Madrider Angriffe von Marokkanern und die Londoner Attentate am 7. Juli von Pakistanern. Das ist ein bemerkenswerter Unterschied zu der Art, wie Terrorgruppen und revolutionäre Bewegungen in der Vergangenheit Attentäter ausgesucht haben. Während Zellen früher meist nach „professionellen” Gesichtspunkten zusammengestellt wurden (Dokumentenfälscher, Fahrer, Sprengstoffexperte), entstehen die Al-Qaida-Gruppen offenbar vornehmlich auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu Familien, Nationalitäten, Dörfern, Regionen oder auf der Basis von Freundschaften. Leiken und Brooke halten das für einen der Gründe, warum Al-Qaida-Zellen oft informell arbeiten, ohne die Sicherheitsvorkehrungen, die geheime Organisationen sonst für gewöhnlich treffen.
Größter Terroristen-Anteil aus Frankreich
Schließlich haben die beiden Wissenschaftler versucht, aus ihren Zahlen Schlüsse auf das islamistische Potential in einzelnen europäischen Ländern zu ziehen. Am weitesten scheint die Radikalisierung in Großbritannien, Spanien, Italien und Belgien fortgeschritten zu sein. Diese Länder stellten jeweils einen deutlich höheren Anteil an Terroristen, als ihr Anteil an der (sunnitischen) Gesamtbevölkerung in Europa beträgt (Großbritannien: 20 Prozent der Terroristen in Europa, 12 Prozent der sunnitischen Muslime in Europa; Spanien: 18/8; Italien: 15/8; Belgien: 7/3). Der größte Anteil an Terroristen kam mit 22 Prozent aus Frankreich, das mit 34 Prozent aber auch den größten Anteil an den sunnitischen Muslimen in Europa stellt. In Deutschland dagegen scheint der Islamismus weniger stark Fuß gefaßt zu haben. Ein Viertel der sunnitischen Muslime in Europa lebt hier, nur neun Prozent der Terroristen kamen aber aus Deutschland.
Ein Ergebnis der Studie dürfte vor allem in den Vereinigten Staaten Aufmerksamkeit hervorrufen: Leiken und Brooke haben keinen einzigen Terroristen registriert, der über die mexikanische Grenze in die Vereinigten Staaten eingereist ist. Dagegen haben sie 26 Dschihadis gefunden, die in Kanada lebten, von denen drei nach Amerika einreisten oder es versuchten. Dieses Ergebnis läßt es als überflüssig erscheinen, daß in Amerika immer wieder darüber diskutiert wird, daß die lange und schwer zu sichernde Grenze zu Mexiko ein Haupteinfalltor für Terroristen sein könnte.
Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung/Autor Nikolas Busse
Ich wünsche allseits einen friedlichen Sonntag.
Gruß
Die Reihenfolge ist:
Regnerisch kühl, Schaufensterbummel, Hundekot....Oo.NWIO-WBIN.oO