@taren Ach ja, wer arbeitet, kann sich nicht politisch/gesellschaftlich/sozial/kulturell oder sonstwie engagieren? Erinnert mich an den Spruch aus meiner Jugend "Geh' doch erst mal arbeiten!" - Was lustig war, wenn ich nach einer Doppelschicht im Hafen vor dem Werkstor eines anderen Betriebes noch Flugblätter verteilte.
Ich war Zeit meines Lebens politisch aktiv, eigentlich seit den Schülertagen der späten 1960er, weil ich die Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht widerstandslos hinnehmen wollte und will. Das fing mit Schülervertretung und Schülerzeitung an, es folgten Engagements in diversen mehr oder weniger revolutionären Organisationen und Parteien, die Arbeit mit "randständigen Jugendlichen", also Obdachlosen, Suchtkranken, Kriminellen.
Ich habe in meiner Jugend und auch noch später mein Geld und meinen Urlaub gespart, um in Alternativblättchen über die Lebenssituation von Menschen in Kriegsgebieten wie Libanon, Nordirland oder Nicaragua zu berichten. Ich konnte auch nichts richtig praktisches, ausser dem, was man als Hafenarbeiter halt so lernt. Eigentlich darüber hinaus nur schreiben.
Man kann alles, wenn es einem wirklich wichtig ist. Und man kann alles mit Jobs, Familie etc. kombinieren. Es ist nur eine Frage des Wollens und der Organisation. Ich habe Dutzende Jobs gehabt, vom Hafenlöwen bis zum mittleren Management in einem internationalen Medienunternehmen, die entweder körperlich anstrengend waren (Doppelschicht Kaffeesäcke rauskloppen) oder nervlich anstrengend (zähe, aber entscheidende Verkaufsverhandlungen auf Englisch), mitunter auch lebensgefährlich (journalistische Tätigkeit im Libanon, in Nordirland und Nicaragua) - aber ich habe das nie als Argument gebraucht, um mich vor politischer Entscheidung, Aktivität und Verantwortung zu drücken.
Drei Kinder grossziehen, eins davon zeitweilig als Alleinerziehender, eine demenzkranke Mutter bis zum Tode pflegen und sich um Haus und Hof im nordfriesischen Outback kümmern, hat mich eigentlich nie davon abgehalten, politisch mitzumischen, weil mir meine eigenen Interessen und Bedürfnisse immer zu wichtig waren, um sie an irgendwen anders wegzudelegieren. "Ärger" (Knüppel, Knast, Jobverlust) und Arbeit bringt politisches Engagement nun mal so mit sich. Manchmal sogar Lebensgefahr - ob wohl wir hierzulande noch vergleichsweise gut dastehen. Aber sollte man deshalb die Hände in den Schoss legen und die Klappe halten? Nicht mit mir!