rockandroll schrieb:welche mehrheit, draussen auf der strasse, oder hier in einem extra dafür vorgesehenen thema
http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/gehasst-verfolgt-verschrien-rassismus-gegen-sinti-und-roma-europa-8833Politiker warnen vor "Armutsflüchtlingen" aus dem Osten. Tausende Sinti und Roma werden ausgewiesen und abgeschoben. Neonazis demonstrieren in Roma-Siedlungen und brennen diese ab. Sinti und Roma werden offen angefeindet – von Beleidigungen über Verfolgung bis hin zu Gewalt, mit Todesopfern. Was sich anhört wie eine Beschreibung der Zustände Anfang der 1990er ist heute wieder harte Realität.
von Sina Laubenstein
In Tschechien marschieren Neonazis in Roma-Vierteln und hetzen gegen die Anwohner. In Italien werden Roma-Siedlungen niedergebrannt. In Griechenland greifen Rechtsextreme Roma auf offener Straße an. In Serbien wird ein Roma-Junge, ein Kind, von Neonazis zu Tode getreten. In Frankreich werden Tausende Roma ausgewiesen. In Ungarn werden zwischen 2008 und 2009 neun Roma ermordet, darunter auch Kinder. Und in Deutschland? Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnt vor den "Armutsflüchtlingen" und schürt so Vorurteile gegenüber Sinti und Roma. Der Rassismus gegen Sinti und Roma ist ein europäisches Problem - auch in Deutschland.
Antiziganismus in Deutschland und Europa
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1989 wurde vor der "Zigeunerwelle" aus Osteuropa gewarnt: Die Hetze von Politik und Medien schürte die Abneigung gegen die Sinti und Roma, das Asylrecht wurde in der Folge weiter verschärft. Dass Sinti und Roma schon seit 600 Jahren in Deutschland und Europa mitten in der Gesellschaft leben und arbeiten, wurde dabei vergessen: Nicht nur Neonazis protestierten gegen die Zuwanderung aus dem Osten und demonstrierten in Roma-Vierteln. Das ging in den 1990ern so weit, dass Sinti und Roma auf der Straße offen beleidigt und angegriffen wurden. Den Höhepunkt bildeten die Brandanschläge in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen. Was man damals als Reaktion der rechten Szene auf die Zuwanderung nach der Ostöffnung abtat, wiederholt sich zwanzig Jahre später in ganz Europa.
Angefangen bei Beleidigungen gegen Sinti und Roma bis hin zur Verfolgung und Ermordung durch extreme Gruppierungen: In Ungarn, Tschechien und Bulgarien kommt es derzeit zu progromartigen Ausschreitungen gegen Roma, Faschisten sammeln sich in Roma-Siedlungen, demonstrieren, randalieren und hetzen gegen die Bewohner. In Ungarn wurden bereits neun Roma ermordet, darunter Kinder. Auch in Tschechien spitzt sich die Lage immer weiter zu, man befürchtet neue, noch gewalttätigere Ausschreitungen gegen Sinti und Roma. Was man als osteuropäisches Phänomen abtun könnte, findet ebenso in Frankreich und Italien statt. Und auch in Deutschland gibt es Antiziganismus – nicht nur in den Köpfen, sondern auch im konkreten Handeln. Die Situation weckt ungute Erinnerungen an die Ausschreitungen der 1990er Jahre.
In der Mitte der Gesellschaft
Erst 2012 wurde das Denkmal für die 500.000 ermordeten Sinti und Roma im Nationalsozialismus eingeweiht. Damals setzte man darauf große Hoffnungen: Endlich wird die Vergangenheit aufgearbeitet, man bekennt sich zu den Taten des Nationalsozialismus, die Sinti und Roma werden als Minderheit akzeptiert und als Teil der Gesellschaft integriert. 600 Jahre dauert dieser Prozess. Denn so lange versuchen die Sinti und Roma schon, in Deutschland und Europa zu leben. Diskriminiert, gehasst, verfolgt und ermordet – nicht nur während des Nationalsozialismus. Doch ein Ende schien in Sicht. Eine Woche vor der großen Geste der herbe Rückschlag: Innenminister Friedrich warnt vor den "Armutsflüchtlingen" aus Osteuropa, die die deutschen Sozialleistungen ausnutzen und auf Kosten der Steuerzahler leben wollten. Zuwanderer aus "dem Osten" werden sofort mit Sinti und Roma gleichgesetzt – ein Zeichen dafür, wie stark der Antiziganismus in den Köpfen verbreitet ist. Gleichzeitig will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) aber junge, arbeitslose Spanier, Griechen und Portugiesen nach Deutschland holen, um sie vor der Jugendarbeitslosigkeit in ihrem Herkunftsland zu schützen und um den Fachkräftemangel in Deutschland wett zu machen. Millionen offene Stellen gebe es in Deutschland, so von der Leyen. Dass diese nicht mit den "Asylschmarotzern" aus Bulgarien und Rumänien besetzt werden, scheint niemanden zu verwundern. Auch der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete von Bremen, Martin Korol, warnt vor der Armutszuwanderung der Roma. Aussagen, die man aus der rechten Szene vermutet, sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. "Antiziganismus ist eine Grundstruktur der Mehrheitsgesellschaft", lautet auch das harte Urteil von Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Zwar gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen den serbischen und mazedonischen Asylsuchenden, die ihr Asyl missbrauchen wollen, und den Armutsflüchtlingen aus Osteuropa. Doch durch seine Aussage hat Friedrich den Rassismus gegen die Roma insgesamt geschürt - weder die Medien noch die Bevölkerung machen dabei einen Unterschied und vermischt die Debatten zu "Asylschmarotzern" und "Armutsflüchtlingen".