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Ausschnitt aus einem Luftbild vom 10. April 1945. Links die Kisten am Adventsweg, rechts oben der Zug in dunkler Farbe.
Foto: Luftbilddatenbank Würzburg
Experte schafft Klarheit: 1945 standen Kisten im Poppenwald
Ein Spionagefoto alliierter Aufklärer elektrisierte vor 14 Jahren nicht nur den Bernsteinzimmerjäger Dietmar Reimann. Doch die Deutung der Aufnahme ist umstritten gewesen. Bis jetzt.
Von Mario Ulbrich
erschienen am 30.05.2018
Wildbach. Die Sache mit den Kisten war für den Bernsteinzimmerjäger Dietmar Reimann († 2011) damals das i-Tüpfelchen auf seiner Theorie. Jahrelang hatte er im Poppenwald bei Wildbach nach einem Geheimdepot aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht. Dann fand einer seiner Mitstreiter in einem Luftbildarchiv Fotos alliierter Aufklärer vom April 1945. Sie zeigten Kisten just an der Stelle, an der Reimann den Eingang zum Versteck vermutete. Zumindest war für ihn klar, dass es sich bei den länglichen Objekten um Kisten handeln musste - jene Kisten, in denen der Schatz in den Poppenwald transportiert worden war.
"Wir haben damals den Waldboden mit einem Rechen durchgearbeitet, in der Hoffnung Bernsteinsplitter zu finden", sagt Alexander Burkel, der Entdecker der Luftbilder. "Aber Fehlanzeige". Auch das unterirdische Versteck, falls es existiert, ist bis heute nicht enttarnt worden. Kritische Betrachter sehen in den weißen Objekten deshalb lediglich geschälte Baumstämme, die am sogenannten Adventsweg lagerten.
Ein Experte für militärische Luftbildauswertung schließt diese Deutung jetzt aber aus. Auf keinen Fall handele es sich um geschälte Bäume, sagt Hagen Beer (68), ein pensionierter Bundeswehr-Offizier aus dem Rheinland. Er hat die Objekte als Kisten identifiziert. Beim Militär hat Beer als Luftbildauswerter gearbeitet, sein Blick ist der eines Fachmanns. Als Maße der Kisten ermittelte er: circa 5 bis 5,50 Meter lang und 1,50 Meter breit. "Man hat den Eindruck, dass einige der länglichen Objekte geteilt sind, es sich also um zwei Kisten handelt, möglicherweise sogar um drei, wenn eine auf einer anderen gestapelt steht", sagt er. Die Höhe der Kisten, beziehungsweise der Kistenstapel beträgt seiner Meinung nach um die 1,50 Meter.
Laien glaubten in der Vergangenheit noch manch anderes auf den Luftbildern zu sehen, unter anderem ein Stollenmundloch. Diese Entdeckungen hat Beer als Bildfehler identifiziert. Abgesehen von den Kisten erscheint ihm nur ein dunkler Zug auf der Bahnstrecke zwischen Niederschlema und Hartenstein bemerkenswert. Im Vergleich zu den auffälligen Zügen daneben könnte man ihn glatt für einen Buschgürtel halten. Allerdings behauptet Beer nicht, dass der Zug absichtlich getarnt wurde. "Die Waggons sind grün oder braun gestrichen, mehr lässt sich dazu nicht sagen", erklärt er.
Der Experte wusste nicht, dass sich mit den Luftbildern Spekulationen um das verschollene Bernsteinzimmer verbinden. Zu den Kisten merkte er noch an: "Gegen militärische Güter spricht die helle Farbe der Objekte. Es könnte sich um Material einer zivilen Firma handeln, das vor Bombenangriffen in Sicherheit gebracht werden sollte."
Die Gewissheit, dass im April 1945 tatsächlich Kisten im Gebiet der heutigen Schatzsuche gestanden haben, könnte die Wissenschaftliche Arbeitsgruppe Poppenwald beflügeln, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die offenen Fragen ein für alle Mal zu beantworten.