Winchester House, USA
13.02.2007 um 01:22Link: www.udo-leuschner.de (extern)
Das "Winchester Mystery House" gehört heute zu den "historischen Wahrzeichen"Kaliforniens. Nach erfolgter Renovierung ist es ein gut gemanagtesSightseeing-Unternehmen. Als erstes werden die Besucher durch "Sarah's Gift Shop"geschleust, neben dem sich "Sarah's Cafe" befindet. Im Anschluß an die Führung können derGarten und etliche Nebengebäude besichtigt werden, in denen sich ein "Feuerwaffen-Museum"und ein "Winchester-Museum" befinden. An jedem Freitag, der ein 13. ist, findenabendliche Führungen beim Schein von Taschenlampen statt. Außerdem läuten dann um 13 Uhrdie Glocken des Glockenturms genau 13 mal. Besondere Führungen gibt es zu "Halloween",dem traditionellen Mummenschanz vor Allerheiligen. Zu Weihnachten wird das Gebäudedekoriert. Wer Lust hat, kann hierher auch Geschäftsfreunde einladen, Seminaredurchführen oder seine Geburtstagsparty feiern. Die Marketing-Abteilung macht sicherbötig, Gruppen zwischen 30 und 1 500 Personen zu bewirten.
Die Erwartungen desPublikums und die Versprechungen des Managements verdeutlicht plakativ der Totenkopf imWerbe-Emblem. Er verspricht gelinden Nervenkitzel, als sei das viktorianische Haus ausHitchcocks "Psycho" zur Besichtigung freigegeben worden. So ein "Mystery House" rührt anUrängste des Amerikaners - nämlich an die Angst, daß sich "home, sweet home", seinhäusliches Paradies, plötzlich als Gruselkabinett entpuppen könnte.
Von dieserAngst scheint auch Mrs. Winchester gepeinigt worden zu sein, als sie ihr Heim wie eineBesessene ständig umbauen und erweitern ließ, um den bösen Geistern zu wahren. Niemandvermag genau zu sagen, was sie sich dabei gedacht oder eingebildet hat. Es heißt, daß siedurch den frühen Tod ihres einzigen Kindes und späteren Verlust ihres Gatten so schrulliggeworden sei. Eine andere These lautet, daß sie sich von den Seelen der unzähligenMenschen verfolgt gefühlt habe, die durch Winchester-Gewehre getötet worden seien. Eswerden ihr auch Kontakte zur "Theosophie" oder zu Mary Baker-Eddys "Christian Science"nachgesagt. Am ehesten überzeugt aber noch die Vermutung, daß sie zu den zahllosenAnhängern des Spiritismus gehörte.
Die für den Spiritismus bezeichnende Mixturaus Moderne und Mittelalter, aus radikaler Empirie und haltlosem Mystizismus, offenbartauch das "Winchester Mystery House": Es enthält keineswegs nur magische Zahlen,Spinnennetzmuster und Verwirrtreppen, sondern zugleich eine für damalige Verhältnisseäußerst moderne und praktische Ausstattung. Dies fängt schon in der Eingangshalle an, dieSarah Winchester so anlegen ließ, daß sie mit der Kutsche - später mit dem Automobil -direkt ins Haus fahren konnte. Ihre Kutscheneinfahrt antizipiert das Grundmuster heutigeramerikanischer Häuser, die in der Regel durch die Garage betreten und verlassen werden,während der offizielle Eingang kaum benutzt wird. Für ihr Gewächshaus erfand Mrs.Winchester einen Fußboden, der während der Bewässerung einfach hochgeklappt wurde, so daßder Boden immer trocken blieb. Über ein damals hochmodernes elektrisches Signalsystemließ sie die Diener herbeirufen und zugleich wissen, in welchem Zimmer sie sich geradebefand. Die Garage, in der sie ihren "Pierce-Arrow" von 1917 parkte, verfügte bereitsüber eine Autowaschanlage. Auf die eingebauten Waschbretter in der Küche soll sie sogarein Patent bekommen haben.
Eine ähnlich bizarre Mischung aus "Aufklärung" undKöhlerglauben bietet die angeblich authentische Geschichte von Mrs. Winchester ("A DrivenWoman"), die heute dem Besucher des "Winchester Mystery House" feilgeboten wird. AlsVerfasserin zeichnet eine "Parapsychologin" und "ordinierte Geistliche derspiritistischen Religion". Das bunte Titelblatt zeigt Mrs. Winchester, wie sie von dreilangmähnigen Geistern in wallenden Gewändern umschwebt wird.
Dem malerischenDuktus nach sind es dieselben Geister, die - üblicherweise auf den Covers der "esoteric"-und "new age"-Literatur ihren Dienst versehen. Dahinter beginnt dann einsachlich-nüchtern gehaltener Report über die angebliche Lebensgeschichte der Mrs.Winchester. Zum Beispiel berichtet die Autorin haarklein, sogar mit ausführlichenwörtlichen Zitaten, wie Mrs. Winchester im Jahre 1883 eine Wahrsagerin in Bostonkonsultiert und von dieser den Rat empfangen habe, an die Ostküste zu fahren und dort einHaus zu bauen, das nicht vollendet werden dürfe, solange sie am Leben bleiben wolle.Fachmännisch moniert die Autorin, daß Mrs. Winchester wohl an kein echtes spiritistischesMedium geraten sei: "Es hätte alles ganz anders kommen können, wenn Sarah zuVerifizierungszwecken ein zweites Medium konsultiert hätte."
Geisterglauben, soder Eindruck, verträgt sich in den USA heute wie damals bestens mit "modernem" Denken. Jaes scheint, als sei er eine Reaktion auf Defizite des vorherrschendenBewußtseinszustandes.
Das "Winchester Mystery House" gehört heute zu den "historischen Wahrzeichen"Kaliforniens. Nach erfolgter Renovierung ist es ein gut gemanagtesSightseeing-Unternehmen. Als erstes werden die Besucher durch "Sarah's Gift Shop"geschleust, neben dem sich "Sarah's Cafe" befindet. Im Anschluß an die Führung können derGarten und etliche Nebengebäude besichtigt werden, in denen sich ein "Feuerwaffen-Museum"und ein "Winchester-Museum" befinden. An jedem Freitag, der ein 13. ist, findenabendliche Führungen beim Schein von Taschenlampen statt. Außerdem läuten dann um 13 Uhrdie Glocken des Glockenturms genau 13 mal. Besondere Führungen gibt es zu "Halloween",dem traditionellen Mummenschanz vor Allerheiligen. Zu Weihnachten wird das Gebäudedekoriert. Wer Lust hat, kann hierher auch Geschäftsfreunde einladen, Seminaredurchführen oder seine Geburtstagsparty feiern. Die Marketing-Abteilung macht sicherbötig, Gruppen zwischen 30 und 1 500 Personen zu bewirten.
Die Erwartungen desPublikums und die Versprechungen des Managements verdeutlicht plakativ der Totenkopf imWerbe-Emblem. Er verspricht gelinden Nervenkitzel, als sei das viktorianische Haus ausHitchcocks "Psycho" zur Besichtigung freigegeben worden. So ein "Mystery House" rührt anUrängste des Amerikaners - nämlich an die Angst, daß sich "home, sweet home", seinhäusliches Paradies, plötzlich als Gruselkabinett entpuppen könnte.
Von dieserAngst scheint auch Mrs. Winchester gepeinigt worden zu sein, als sie ihr Heim wie eineBesessene ständig umbauen und erweitern ließ, um den bösen Geistern zu wahren. Niemandvermag genau zu sagen, was sie sich dabei gedacht oder eingebildet hat. Es heißt, daß siedurch den frühen Tod ihres einzigen Kindes und späteren Verlust ihres Gatten so schrulliggeworden sei. Eine andere These lautet, daß sie sich von den Seelen der unzähligenMenschen verfolgt gefühlt habe, die durch Winchester-Gewehre getötet worden seien. Eswerden ihr auch Kontakte zur "Theosophie" oder zu Mary Baker-Eddys "Christian Science"nachgesagt. Am ehesten überzeugt aber noch die Vermutung, daß sie zu den zahllosenAnhängern des Spiritismus gehörte.
Die für den Spiritismus bezeichnende Mixturaus Moderne und Mittelalter, aus radikaler Empirie und haltlosem Mystizismus, offenbartauch das "Winchester Mystery House": Es enthält keineswegs nur magische Zahlen,Spinnennetzmuster und Verwirrtreppen, sondern zugleich eine für damalige Verhältnisseäußerst moderne und praktische Ausstattung. Dies fängt schon in der Eingangshalle an, dieSarah Winchester so anlegen ließ, daß sie mit der Kutsche - später mit dem Automobil -direkt ins Haus fahren konnte. Ihre Kutscheneinfahrt antizipiert das Grundmuster heutigeramerikanischer Häuser, die in der Regel durch die Garage betreten und verlassen werden,während der offizielle Eingang kaum benutzt wird. Für ihr Gewächshaus erfand Mrs.Winchester einen Fußboden, der während der Bewässerung einfach hochgeklappt wurde, so daßder Boden immer trocken blieb. Über ein damals hochmodernes elektrisches Signalsystemließ sie die Diener herbeirufen und zugleich wissen, in welchem Zimmer sie sich geradebefand. Die Garage, in der sie ihren "Pierce-Arrow" von 1917 parkte, verfügte bereitsüber eine Autowaschanlage. Auf die eingebauten Waschbretter in der Küche soll sie sogarein Patent bekommen haben.
Eine ähnlich bizarre Mischung aus "Aufklärung" undKöhlerglauben bietet die angeblich authentische Geschichte von Mrs. Winchester ("A DrivenWoman"), die heute dem Besucher des "Winchester Mystery House" feilgeboten wird. AlsVerfasserin zeichnet eine "Parapsychologin" und "ordinierte Geistliche derspiritistischen Religion". Das bunte Titelblatt zeigt Mrs. Winchester, wie sie von dreilangmähnigen Geistern in wallenden Gewändern umschwebt wird.
Dem malerischenDuktus nach sind es dieselben Geister, die - üblicherweise auf den Covers der "esoteric"-und "new age"-Literatur ihren Dienst versehen. Dahinter beginnt dann einsachlich-nüchtern gehaltener Report über die angebliche Lebensgeschichte der Mrs.Winchester. Zum Beispiel berichtet die Autorin haarklein, sogar mit ausführlichenwörtlichen Zitaten, wie Mrs. Winchester im Jahre 1883 eine Wahrsagerin in Bostonkonsultiert und von dieser den Rat empfangen habe, an die Ostküste zu fahren und dort einHaus zu bauen, das nicht vollendet werden dürfe, solange sie am Leben bleiben wolle.Fachmännisch moniert die Autorin, daß Mrs. Winchester wohl an kein echtes spiritistischesMedium geraten sei: "Es hätte alles ganz anders kommen können, wenn Sarah zuVerifizierungszwecken ein zweites Medium konsultiert hätte."
Geisterglauben, soder Eindruck, verträgt sich in den USA heute wie damals bestens mit "modernem" Denken. Jaes scheint, als sei er eine Reaktion auf Defizite des vorherrschendenBewußtseinszustandes.