Werwölfe
05.01.2007 um 02:05
Der Begriff „Werwolf“ bezeichnet das Mysterium, dass sich ein Mensch unter besonderenUmständen nachts in ein Tier verwandeln kann und bei Tagesanbruch wieder seinemenschliche Gestalt annimmt. Die meisten Sagen berichten von Männern, die einen Pakt mitdem Teufel eingingen und von ihm einen Gürtel aus Wolfsfell erhielten, mit dessen Hilfesie sich verwandeln konnten. Es soll auch Sagen geben, die von Männern berichten, diesich aufgrund ihres familiären Erbgutes oder infolge einer Verletzung, die sie durch einesolche Kreatur erhalten haben, in bestimmten Nächten in ein Tier, meist einen Wolf,verwandeln. Doch scheinen hier eher die modernen Mythen aus Hollywood-Verfilmungen an derLegendenbildung mitgewirkt zu haben. Das Wesen, in welches diese Teufelsbündnerübergehen, wird als unheilvoll und raubtierhaft beschrieben.
Zu den modernenWerwolf-Mythen, die durch volkskundliche Überlieferungen nicht unterstützt werden, gehörtdie in verschiedenen Horrorfilmen vorgestellte Verwandlung eines Menschen, der vomWerwolf verletzt worden ist, in ein solches Ungeheuer. Sowohl die Akten derfrühneuzeitlichen Prozesse als auch die unzähligen Sagen aus verschiedenen Teilen Europassprechen einheitlich davon, dass die Opfer von Werwolfattacken zerrissen und teilweiseauch gefressen wurden. Von einer späteren Wolfsverwandlung ist erstmalig im von CurtSiodmak verfassten Drehbuch zu "The Wolf Man" (1942) die Rede. Eine Besonderheit findetsich im Rheinland, wo der als Stüpp bekannte Werwolf seinen Opfern aufhockt und sich vonihnen bis zur Erschöpfung bzw. bis zum Erschöpfungstod tragen lässt.
Verwandlungen zwischen Mensch und Tier sind in der Geschichte sehr weitzurückzuverfolgen. Bereits Zwitterwesen in Höhlenmalereien lassen sich entsprechendinterpretieren. Die ältesten schriftlichen Zeugnisse sind das Gilgamesch-Epos, in dem dieGöttin Ishtar einen Schäfer in einen Wolf verwandelt (Tafel 6, Vers 58–61). Aus dergriechischen Literatur ist beispielsweise Lykaon bekannt, der von Zeus in einen Wolfverwandelt wurde.
Der Ursprung der Werwolf-Sagen ist in kultischen Festen derSkythen zu suchen, bei deren Feierlichkeiten man sich mit einem wolfsgestaltigen Gottvereinte, indem man sich mit einem Wolfsfell bekleidete. Herodot berichtet (IV, 105),dass:
„… die Skythen und die im Skythenland wohnenden Hellenen behaupten,jährlich einmal verwandle sich jeder der Neuren für wenige Tage in einen Wolf und tretedann wieder in den menschlichen Zustand zurück.“
Von den Skythen gelangte dieserKult zu den germanischen Völkern, später, als der Ursprung vergessen wurde, nur als Sagein Verbreitung.
Eine weitere Ursprungstheorie besagt, dass der Begriff Menschenbeschrieb, die an einer extremen Form des Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) litten,der so genannten „Wolfskrankheit“. Die aufgrund eines genetischen Defekts Erkranktenwurden vor allem im frühen Mittelalter vom abergläubischen Volk gefürchtet.
Ebenso wurden Tollwutkranke für Werwölfe gehalten, da hier die Erkrankung durch denBiss eines Tieres erfolgt. Die Symptome dieser Krankheit passen zur Beschreibung vonWerwölfen: Anfälle, bei denen der Erkrankte wild um sich zu beißen beginnt, Angst vorWasser, aber gleichzeitig starker Durst, was zu spastischen Schluckkrämpfen führt etc.Die Menschen im Mittelalter sahen darin eine Verwandlung des Gebissenen in eben jenesTier, von dem er gebissen wurde.
Lykanthropie ist eine Form vonTherianthropie, der Glaube, sich in ein Tier – speziell in einen Wolf – zu verwandeln.Der Legende nach trug der Werwolf, wenn er als Mensch in Erscheinung trat, seineWolfshaut innen. Der Begriff „Lykanthropie“ leitet sich aus dem Griechischen ab („lykos“:„Wolf“, „anthropos“: „Mensch“). Von der Spätantike bis in die frühe Neuzeit wurden immerwieder Berichte über Lykanthropen gesammelt und veröffentlicht, d. h. über Menschen, diesich als Individuum oder kollektiv wie Wölfe aufführten und heulten und auf allen Vierenherumkrochen. Vermutlich handelt es sich um Schilderungen von Menschen mit einerindividuellen Psychose oder von Ereignissen (vielleicht Ritualen im Rahmen vonbäuerlichen Feldkulten), die von den Gelehrten in ihren Studierstuben nicht verstandenund deshalb in ein vorhandenes, den Mythen entnommenes Interpretationsmuster gepresstwurden, nämlich die arkadische Wolfsverwandlung. Versuche von Medizinern (RudolphLeubuscher: Über die Werwölfe und Tierverwandlungen im Mittelalter, Berlin 1850) undVolkskundlern (Richard Andree) des 19. Jahrhunderts, aus den spärlichen und oft auchverzerrten Darstellungen ein genau umrissenes Krankheitsbild herauszufiltern, waren zumScheitern verurteilt. Heutzutage spricht man von einer Form der Geisteskrankheit, ohnedass Mediziner oder Psychiater sich einig sind über Krankheitsbild, Symptome und vorallem über die Ursachen. Häufig dient der Begriff nur der Beschreibung einer allgemeinenPsychose, die entweder aus Mangel an einem geeigneten Namen oder auch aus Sensationslustals "Lykanthropie" etikettiert wird.
Im Zuge der Hexenverfolgungenwurden auch zahlreiche Männer vor Gericht gebracht und hingerichtet. Eine beträchtlicheAnzahl von ihnen wurde speziell der Werwolfverwandlung bezichtigt, was aber nichtbedeutet, dass alle Männer, die vom 16. bis ins 18. Jahrhundert wegen Hexerei verbranntoder gehängt wurden, gleichzeitig als Werwölfe angeklagt waren. Nach einer Reihe vonVerfahren im Herzogtum Burgund fand 1589 in Bedburg bei Köln der in derKriminalgeschichte bekannteste Werwolfprozess statt: Der Bauer Peter Stubbe (auch Stübbeoder Stump) wurde zusammen mit seiner Tochter und seiner Geliebten hingerichtet, weil erangeblich mindestens 13 Frauen und Kinder umgebracht hatte. Ob es sich hierbei um einenwirklichen Werwolfprozess oder um ein inszeniertes Gerichtsverfahren gegen einenpolitisch unbequemen Mann handelte, ist umstritten. Auf jeden Fall stieß der Fall aufgroße Resonanz, und selbst in den Niederlanden, in Dänemark und in England erschienenFlugblätter, teilweise mit Holzschnitten geschmückt, in denen die tatsächlichen oderangeblichen Gräueltaten des Peter Stubbe in allen Einzelheiten genüsslich geschildertwurden. Seither trug der Werwolf im Gebiet zwischen den Flüssen Erft und Rur den NamenStüpp.
Auf zahlreichen einschlägigen Websites und auch in schlechtrecherchierten Büchern wird häufig die Zahl von 30.000 Werwölfen genannt, die zwischen1530 und 1630 in Frankreich entweder ihr Unwesen getrieben, vor Gericht gestellt oderhingerichtet worden seien. Diese hohe Zahl ist jedoch ebenso aus der Luft gegriffen wiedie 9 Millionen Opfer der Hexenverfolgungen, von denen oft die Rede ist. Es handelt sichhierbei um historisch nicht belegte, oftmals als absurd hoch angesehene Zahlen.
Das heutige Bild des Werwolfes wurde vor allem durch Filme geprägt. So führteDrehbuchautor Curt Siodmak erst im Jahre 1941 in dem Film „The Wolf Man“ die Idee ein,dass Menschen, die von einem Wolf gebissen werden, bei Vollmond zu einem Werwolf mutierenund dass Silber das einzige Mittel sei, einen Werwolf zu töten. Andere Versionen sagenhingegen, dass ein Werwolf stirbt, wenn er eine Mondfinsternis sieht. Auch wird Werwölfenoft die Fähigkeit zugesprochen, sich sehr schnell von Verletzungen erholen zu können.
In neuen Werken wird das Thema oft ironisch behandelt, etwa bei ChristianMorgenstern, der ihn lyrisch in seinen „Galgenliedern“ dekliniert („des Weswolfs“ usw.Original) oder bei Terry Pratchett, bei dem die Werwölfin Angua als Vertreterin einerethnischen Minderheit in die „Wache“ („The Watch“) aufgenommen wird. In „Der Talisman“von Stephen King und Peter Straub freundet sich der Protagonist Jack mit einemWerwolfjungen an, der beim Übergang in unsere Welt kurzsichtig wird.
In demRollenspiel „Werwolf: Die Apokalypse“ von White Wolf spielen Werwölfe die Rolletragischer Helden, die halb Mensch, halb Wolf für die Rettung der Welt kämpfen.
Eine neuartige Behandlung erfährt das Thema in Joanne K. Rowlings Harry-Potter-Seriemit dem Lehrer Remus Lupin. Dieser Werwolf ist ein Sympathieträger, der sich durch seineLykanthropie unberechtigten Ängsten und Vorurteilen ausgesetzt sieht. Das mythischePhänomen des Werwolfs wird so zur modernen Metapher für chronische Krankheiten undBehinderungen in der nichtmagischen Welt. Im Gegenzug steht der Todesser Fenrir Greyback,der das Werwolfleben dermassen genießt, dass er auch als Mensch(artiger) mit VorliebeKinder beisst und tötet.
hoffentlich konnte ich helfen.