Friedhöfe
26.11.2008 um 12:18
Dann möchte ich auch einmal ein bisschen zum Forengeschehen beitragen - nicht immer nur von Euren Beiträgen zehren ;-)
Als ich das erste Mal in Paris war, wusste ich nichts von irgendwelchen kathaphilen Besonderheiten. Logisch, Friedhöfe gibt es überall wo Menschen leben und lebten, aber was besonderes?
Ungebildet, dem allgemeinen Mainstream folgend, klapperten wir also Eifelturm, Champs-Elysées, Louvré, Sacré-Coeur, Château de Versailles, Notre Dame, diverse Märkte, Eurodisney und was sonst noch so alles durch die Medienwelt sprintet ab. Alles abgehakt auf unserer Liste blieben immer noch Tage übrig, und Gott Lob, hatte ich mir einen einheimischen Sightseeingführer zugelegt. Dort kam dann irgendwann, unscheinbar, der Vorschlag, einen Friedhof zu besuchen. Wirklich - ich habe mich immer schon recht geborgen auf Friedhöfen gefühlt - dort herrscht Ruhe, und gerade wenn man in Städten lebt, weiss man diesen Vorteil zu schätzen. Tagsüber - mit Dunkelheit hatte dies nie etwas für mich zu tun - im Gegenteil - ich bin ein kleiner "Schisser", und die paar Male, wo ich Nachts zwecks Abkürzungsgründen schnell und ohne nach links und rechts zu blicken über ein paar Meter Totenerde lief, waren von imensen Adrenalinschüben geprägt. Zudem - einmalig hatte ich am hellichten Tage auf dem Stuttgarter Hoppelau-Friedhof eine für mich sehr einschüchternde Erfahrung sammeln dürfen. Dazu vielleicht ein ander mal mehr.
Jedenfalls habe ich diesen Vorschlag, den angepriesenen Friedhof zu besichtigen in die Tat umgesetzt - und muss sagen, seither bin ich mehr als fasziniert von Nekropolen aller Arten.
"Cimitieré du Peré Lachaise" - angeblich sollen hier die meissten Berühmtheiten beerdigt sein - und nachdem ich mir mal so die Listen aller bekannten Weltfriedhöfe durchgelesen habe (wer wo Ruhe fand), muss ich dies bestätigen.
Morgens pünktlich um 08:00 Uhr, stand ich vor den Toren, und war schon davon recht beeindruckt. Mitten in der Stadt, riesige Mauern, Natodraht, eine Schranke vor den riesigen Toren (die im übrigen nicht nur am Haupteingang angebracht sind), ein Wächter in Uniform, Eisenspitzen an den mauerabschlüssen, da, wo kein Draht gespannt war - die Erinnerung an Gefängnisbilder kamen mir direkt ins Gedächtnis. Nur - hier sollten die "Inliegenden" vor den "Aussen liegenden" geschützt werden - nicht umgekehrt.
Nach passieren der Schranke kann man sich direkt auf einer Tafel ansehen, wer wo begraben liegt - ein orientierungsplan, denn ein Tag genügt keineswegs, alles in Ruhe anzusehen - wenn wirkliches Interesse entfacht wurde. Zudem konnte man sich den "Lageplan" auch direkt als Flyer besorgen. Wirklich gut organisiert!
Dann, nach der ersten Orientierung fällt der Blick direkt auf die Gräber - und ich muss sagen - so etwas habe ich meinen Lebtag nicht gesehen. Von Gräbern zu sprechen ist stark untertrieben, das sind Gruften, kleine Villen, Miniaturkirchen, Zwergenpyramiden, halbe Herrenhäuser. Und hier ist es tatsächlich egal, wer wie bekannt war - beinahe jeder "Bewohner" muss Unsummen investiert haben (oder sich von den Angehörigen finanziert haben lassen) um sich hier ein Denkmal zu setzen. Und nicht immer sind die berühmtesten jene mit den pompösesten Gruften! Jim Morrisons einfacher Grabstein beispielsweise wirkt im Vergleich wie jene "Null-8-Fünfzehn" - Grabstätten auf einem unserer Dorffriedhöfe. Chopin hingegen - Blumengeschmückt und überragend als sei er kürzlich noch unter den Lebenden gewandelt, um nur diese beiden zu benennen.
Trotz regem Besucherandrangs ist die Anlage wie geschrieben so gross, das man mitunter sehr einsam zwischen den eng aneinanderliegenden Gruften steht.
Mein erstes Gefühl war tiefste Ehrfurcht, Schauer auf und unter der Haut. Ich hatte mit einem mal keinerlei Zweifel mehr - hier, an diesem Ort - in dieser "Totenstadt" - lief die Zeit paralell zu unserer - auch wenn sich dies abgehoben lesen mag. Es hätte mich tatsächlich keine Spur gewundert, wenn bei Torschluss am Abend hier die Gruften aufgingen - und das Leben nach dem Tot beginnen würde. Ein normales "Leben" - genau so wirkte es.
Gigantisch, beeindruckend, unglaublich Sinneserweiternd. Empfehlenswert für all jene, die sich für Nekropolen interessieren.
Von Spuk allerdings - keinerlei Vorkommnisse - nirgends auf meinen Touren.
Dieses Jahr fuhr ich direkt wieder nach Paris - diesmal jedoch gebrieft, mit allen wirklich interessanten Adressen; sämtliche Cimitierés (Montmartre ist ebenfalls absolut sehenswert - man nennt diesen Friedhof auch "Katzenfriedhof", denn hier tummeln sich unzählige Katzen - für jene, die gerne schaurig-schöne Bilder knipsen ein "Muss" - Krähen auf den Kreuzen, Katzen mit herabbaumelnden Schwänzen auf den Dächern der Gruften - Gräber direkt unter Autobrücken....beeindruckend..ein "Hundefriedhof" - für die lieben Vierbeiner - und natürlich der "Cimitieré des Innocents": dem ersten Massenfriedhof, dessen Leichen während der Pest um 1810 gegen den Willen des Klerus in die Katakomben unterhalb von Paris "umgebettet" wurden..) und natürlich ein Gang durch die Katakomben selbst. Diese sind unbedingt zu empfehlen - aber dazu existiert bereits ein anderer Thread :).
Bilder habe ich massig gemacht - bei Interesse stelle ich gerne das ein oder andere ein.