Heijopei schrieb am 22.02.2013:Was meint ihr , machen wir uns einen Grossteil unseres Alltagsstresses selbst weil wir ständig der Meinung sind irgendwelchen Trends hinterherjagen zu müssen ?
na klar ist das so. wenn wir unsere ansprüche nur ein wenig zurückschrauben würden, würden wir erkennen, wie glücklich wir doch sein können. das problem ist, dass wir allesamt probanten des größten langzeit-experiments der menschheitsgeschichte sind: der medien.
unentwegt wird die kunst des aneinander-herumnörgelns auf ein neues niveau gehoben.
im grunde werden ein paar evolutionär anerworbene grundprinzipien unserer egostruktur angesprochen und ihre überstimulanz ausgenutzt.
first of all: das lob. wir unterschätzen heute immer noch, wie sehr das lob doch beinah alles ausmacht, das wir wünschen. insbesondere das elterliche lob macht uns glücklich und erzieht uns.
wenn man mal drauf achtet, können medien uns tiefenpsychologisch erfolgreich liebende pseudoeltern vorgaukeln, seis durch die sanfte bassstimme oder den liebevollen blick.
das zweite prinzip ist unsere verletzlichkeit. wir kommen im grunde alle als rohe eier auf die welt. wir stoßen uns aneinander, verletzen uns, und bilden schalen, die uns immer mehr voneinander trennen und sogar schließlichst zu feinden macht. es gibt typische verletzungsmuster, die beinahe ein jeder durchmacht, beispielsweise schelte, trennung oder einsamkeit. medienpsychologen, werbestrategen und filmemacher wissen genau wie sie uns beiläufig hintergründig an jene verletzungsszenarios erinnern und können unseren durst nach erlösung dann nach belieben umlenken. oft wird ausgenutzt, dass wir uns in andere hineinversetzen können. sehen wir selbst auf der mattscheibe jemanden unter qual, fühlen wir mit ihm und entwickeln wie vermutlich auch er rachegefühle für seinen peiniger oder schlichtweg überlebenskraft. wenn kein peiniger da ist, so wünschen wir ihn uns beinah.
womit wir beim dritten prinzip sind: den sehnsüchten, ansprüchen, begierden, der gier. im grunde ist sie nichts anderes als jener hunger nach leben, der uns am funktionieren hält. deswegen ist es so wichtig, die gier in diesem system einzuspannen. das ganze system ist von vorne bis hinten auf gier aufgebaut. wärend gier vergleichbar mit blindem hass ist, ist neid vergleichbar mit rekapitulierter wut.
es gibt nur 2 hoheitsgebiete, wo gier und neid kaum macht hat: zwischen kind und mutter und mann und frau. das zwischenmenschliche prinzip von gier hat also immer dort keine macht, wo es liebe gibt.
dort herrscht eine andere form des begehrens. und auch die wird von den allesschauenden allesentweihenden psychologen nicht unangetastet.
"sex sells" weiss heute jeder lausbub. und jeder lausbub kann sich aufs psychologische ross aufschwingen und über unsere gefühle (
schnelllebig) hinwegreiten, als hätte er selbst keine.
dies ist die gefahr, die nun kommt: der überdruss, die apathie. die verleugnung der gefühle. die verleugnung, mensch zu sein.
in gewisser weise das, was die ponerologie als die psychopathisierung der gesellschaft bezeichnet und die laut ihr die selbsttilgung des wesens mensch vom planeten erde einläutet.
die frage ist nicht, ob man den medien die alleinige schuld zu schieben darf, ohne die schuld auch in sich zu suchen.
die frage ist, ob wir dieses experiment noch abbrechen können.
aber wen schert das schon?
:D wir sind doch vielmehr an der positiven tagesbilanz interessiert als an allem anderen! so sind wir: der optimismus ist unsere ureigenste eigenschaft.
wir vergessen, dass wir unsere probleme verdrängen, wenn wir sie anderen anlasten, wir vergessen, dass wir noch vorhatten, charakterstärken zu entwickeln, wärend wir versuchen "jemand" zu werden.
In Gerichtssälen, Klassenzimmern, Operationssälen, Sitzungssälen, Kirchen und selbst im Flugzeug sprechen die Amerikaner nicht miteinander, sie unterhalten einander. Sie tauschen keine Gedanken aus; sie tauschen Bilder aus. Sie argumentieren nicht mit Sätzen; sie argumentieren mit gutem Aussehen, Prominenz und Werbesprüchen.
Neil Postman