5000 Hartz-IV-Empfänger werden zu Erziehern. Richtig?
10.07.2012 um 22:34
So ein Projekt gab es schon vor 3 Jahren in Frankfurt, da kann auch nicht jeder Arbeitslose dran teilnehmen und es müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein.
Erwerbslose werden zu dringend benötigten Erziehern ausgebildet
Neues Projekt von Werkstatt Frankfurt und Beruflichen Schulen Berta Jourdan
Frankfurt, 3. April 2009 - In einem bundesweit einmaligen Projekt von Werkstatt Frankfurt e.V. in Zusammenarbeit mit den Beruflichen Schulen Berta-Jourdan wer-den 140 erwerbslose Menschen zu Erzieherinnen und Erziehern ausgebildet. Die Qualifizierung hat im Februar dieses Jahres begonnen und erfolgt in enger Kooperation mit den Dezernaten für Soziales und Bildung, der Rhein-Main Job-center GmbH, der Agentur für Arbeit Frankfurt, dem Staatlichen Schulamt und sowie Kindertages¬stättenträgern.
Dreifache Problemlage führte zu einer beispielgebenden Idee
„Es handelt sich bei dem Projekt um eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, bei der alle Beteiligten nur gewinnen können“, sagte Sozialdezernentin Daniela Birken-feld. „Zum einen brauchen wir bis zum Jahr 2013 zusätzlich 4.000 Erzieherinnen und Erzieher. Zum anderen haben wir in Frankfurt viele Arbeitslose mit schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil ihnen ein Berufsabschluss fehlt oder weil er in Deutschland nicht anerkannt wird. Und nicht zuletzt sind fehlende Kinderbe-treuungsplätze ein Problem für alleinerziehende Erwerbslose, die gerne arbeiten würden, wenn sie denn ihr Kind gut versorgt wüssten“, so die Vorsitzende von Werkstatt Frankfurt weiter. Unter den rund 22.000 Arbeitssuchenden, die in Frankfurt am Main Arbeitslosengeld II beziehen, gibt es etwa 3.000 Alleinerziehende, die angeben, aufgrund fehlender Kinderbetreuungsplätze nicht an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen zu können und auch nicht in der Lage zu sein, eine reguläre Beschäftigung aufzunehmen.
Daraus ergab sich die Idee mit einem Projekt gleich drei Probleme teil- oder ansatzweise zu lösen. Zum einen wird Langzeitarbeitslosigkeit bei den Projektteilneh-menden nachhaltig beendet und zum anderen wird ein nennenswerter Beitrag zur Lösung des Personalbedarfs in Kinderbetreuungseinrichtungen geleistet. Und so sollen mit diesem neuen Projekt bis zum Jahr 2012 bis 140 bislang arbeitslose Frankfurter Bürgerinnen und Bürger zu Erzieherinnen und Erziehern ausgebildet werden.
Beste Berufsaussichten für Erzieherinnen und Erzieher -
Überdurchschnittliches Interesse von Männern an der Ausbildung
Da der Bedarf an ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern immens ist, haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ausbildungsprojekt eine ganz sichere und dauerhafte Jobperspektive. Möglicherweise auch ein Grund dafür, dass es dem Projekt gelungen ist, besonders viele Männer für diesen Beruf zu interessieren. Während nur 5 Prozent aller Erziehungsfachkräfte in Kinderbetreuungsein-richtungen männlich sind, hat dieses Projekt einen Männeranteil von über 30 Prozent. Auch konnten viele, zum Teil sehr gut ausgebildete Migrantinnen und Migranten angesprochen werden. Sie bringen andere kulturelle Erfahrungen in die Kindererziehungsarbeit ein. Die 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind zwischen 26 und 46 Jahre alt und bringen alle auch andere berufliche Erfahrungen ein. „Selten haben wir eine solche Begeisterung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Ausbildungsprojektes erlebt. Die Motivation ist außergewöhnlich und schon jetzt zeigt sich, dass Langzeitarbeitslose sehr wohl für anspruchsvolle Qualifizierung zu interessieren sind. Dieses Projekt widerlegt daher schon jetzt weitverbreitete Vorurteile gegenüber Langzeitarbeitslosen“, erklärte Conrad Skerutsch, Geschäftsführer von Werkstatt Frankfurt e.V.
Umsetzung des Erzieher-Projekts war eine große Herausforderung
Was sich einfach anhört, war in der konkreten Umsetzung eine große Herausforderung. Gemäß § 45 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) ist die Erlaubnis zum Betrieb von Kinderbetreuungseinrichtungen an den Einsatz fachlich geeigneten Personals gebunden. Landesrechtliche Regelungen schreiben konkret den Einsatz staatlich anerkannter Erzieherinnen und Erzieher vor. Ein Einsatz von Personal im Erziehungsdienst ohne eine entsprechende Ausbildung und staatliche Anerkennung ist nicht möglich. Daher ist es ein wichtiges Ziel dieses Projektes, diesen hohen fachlichen Anspruch an die Qualifizierung uneingeschränkt zu erfül-len.
Alle Maßnahmeteilnehmer müssen beispielsweise über die die Mittlere Reife verfü-gen und einschlägige berufliche Erfahrung nachweisen können. Die Qualifizierung muss uneingeschränkt den fachlichen Anforderungen der einschlägigen Landesver-ordnung für die Ausbildung an Fachschulen der Sozialpädagogik folgen.
Andererseits bestehen deutliche Hürden, um eine solche anspruchsvolle Qualifizie-rung über die Förderung von Arbeitslosen zu finanzieren. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer müssen in vollem Umfang den Lebensunterhalt, das heißt, Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II nebst Unterkunftskosten, während der Ausbildung erhalten. Voraussetzung für eine solche Förderung ist u.a. dass die Qualifizierungsmaßnahme ein sehr aufwändiges Zertifizierungsverfahren durchläuft.
Es dauerte fast zwei Jahre, bis alle Voraussetzungen für diese Maßnahme erfüllt waren. Die Vorbereitung umfasste auch ein umfangreiches Teilnehmerauswahlverfahren. Rund 3.000 Leistungsbezieher wurden von der zuständigen Behörde angeschrieben und auf das beabsichtigte Ausbildungsprojekt hingewiesen. Rund 400 Bewerberinnen und Bewerber wurden in Informationsveranstaltungen über die Inhalte informiert. Die Interessierten mussten schriftlichen Tests, Einzelgespräche und förderrechtlichen Prüfungen „überstehen“.
Immer wieder gab es bei der Vorbereitung des Projekts Probleme, die zeitweise unüberwindlich erschienen. In Zusammenarbeit mit den Beruflichen Schulen Berta Jourdan, dem Stadtschulamt, dem staatlichen Schulamt, der Agentur für Arbeit, der Rhein-Main-Jobcenter-GmbH und dem Sozialdezernat konnten jedoch Lösungen für die vielen Probleme gefunden werden. Besonders wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den großen Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen in Frankfurt: Caritas, Diakonisches Werk, BVZ, Eigenbetrieb Kindertagesstätten der Stadt Frankfurt und Lehrerkooperative.
Einjährige Vorbereitungsphase und zweijährige Ausbildungsphase
Am 1. Februar haben 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer einjährigen Vorbereitungsphase begonnen. In diesem Jahr können Teilnehmende ohne mitt-lere Reife, diese mittels Externenprüfung nachholen. Alle Teilnehmer führen mit 20 Wochenstunden eine Hospitation in Frankfurter Kinderbetreuungseinrichtungen durch und werden mit 5 Wochenstunden in Gruppenveranstaltungen inhaltlich (Themen aus Pädagogik, Psychologie u.ä) auf die anspruchsvolle zweijährige Qualifizierung vorbereitet. Dieses Vorbereitungsjahr eignet sich ideal dafür, auch die persönliche Eignung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den Beruf der Erzieherin, bzw. Erziehers zu ermitteln. Für die Aufnahme in die nachfolgende Maßnahme der beruflichen Fort- und Weiterbildung ist zwingend der Nachweis einer einschlägigen Praxiserfahrung im sozialen Bereich nachzuweisen (gem. Lan-desverordnung über die Ausbildung an Fachschulen für Sozialpädagogik). Da die Teilnehmenden auch umfassend inhaltlich in diesem ersten Jahr in die Themen der Sozialpädagogik eingewiesen werden, haben sie es dann in der Hauptmaßnahme leichter, dem Unterricht in den Beruflichen Schulen Berta Jourdan zu folgen. In diese schulische Qualifizierung steigen dann alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 1.2.2010 ein, die bis dahin „durchgehalten“ haben.
Diese Hauptphase der Ausbildung dauert zwei Jahre und verteilt sich in der Woche je zur Hälfte in Teilnahme in der Schule (Fachtheorie) und Mitwirkung in den Praktikumsbetrieben (Lernen im Arbeitsprozess). Als dritter Part in dieser Qualifizierungsmaßnahme erfolgt eine Begleitung durch Lerngruppen. Diese Lerngruppen mit jeweils bis zu zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden von Werkstatt Frankfurt mittels geeigneter Fachkräfte organisiert und sind ein zu-sätzliches Angebot für die Zielgruppe, um Fragen des Selbstlernens, der Lernbe-ratung, der Förderung des gemeinsamen Lernens anzusprechen und Hilfestellungen zu organisieren.
Nach Abschluss der Fachqualifizierung erfolgt dann das Anerkennungsjahr für den Erhalt der staatlichen Anerkennung.
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