MissMary schrieb:Die traurige Wahrheit ist nein: Solche Maßnahmen sind völlig kontraproduktiv. Sollte deinem Kind mal was passieren, gibt es sich die Schuld "ich habe ihn mit meinen langen Haaren gereizt". Da ist der Denkfehler. Bei mir fielen auch alle meine Schwestern den Nachbarn in die Hände. Obwohl wir alle sehr unterschiedlich aussehen. Es war die Struktur, die es so einfach machte.
Das ist vollkommen richtig. Wer sein Kind wirklich effektiv vor Missbrauch schützen möchte, der sollte in erster Linie sein Selbstbewusstein stärken, es darüber aufklären, was passieren kann, es ermutigen "Nein" zu sagen zu allem, was es nicht will, ihm niemals das Gefühl geben, selbst Schuld an einem Übergriff zu sein/haben und vor allem, ihm selbst eine Vertrauensperson sein, vor der es sich unter keinen Umständen zu fürchten hat. Ein Kind, das Sexualität als etwas Schlechtes und Verruchtes kennenlernt, wird sich im schlimmsten Falle wohl eher für den Missbrauch schämen und aus Angst und Scham den Täter decken, zumal Täter häufig genau solche Dinge ausnutzen und dem Kind damit drohen, ihre Eltern hätten es nicht mehr lieb, wenn sie erfahren würden, was für "schmutzige Dinge" sie getan haben. Allgemein ist es so, dass Täter bevorzugt unsichere Kinder suchen, gerne auch aus prekären Verhältnissen, die kein gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben und/oder nicht die Liebe und Aufmerksamkeit erfahren, die sie eigentlich brauchen, denn solche Kinder sind besonders anfällig für Manipulation. Denn der Täter gibt sich ja nett, er gibt dem Kind Aufmerksamkeit, vermeintliche Liebe, er bewundert es - und der geschickte Täter agiert langsam und bedächtig und vermittelt dem Kind den Eindruck, als habe es ja selbst gewollt, was ihm angetan wurde. So etwas funktioniert bei aufgeklärten, selbstsicheren Kindern deutlich schlechter!
Was den eigentlichen Threadtitel angeht: Ich habe nicht alle Seiten gelesen und kann daher nicht beurteilen, wwelche Argumente dafür oder dagegen bereits aufgeführt wurden, will aber meine Sicht gerne kurz erläutern.
Ich bin klar gegen eine solche öffentliche Liste, da sie nicht nur die Persönlichkeitsrechte der ehemaligen Täter verletzt, sondern auch ganz klar kontraproduktiv im Sinne der Resozialisierung und Reintegration wäre.
Für eine erfolgreiche Resozialisierung braucht es nicht nur die Hilfe kompetenter Fachkräfte bzw. der Arbeit mit dem Delinquenten im Strafvollzug, sondern auch einer entsprechenden Perspektive und Akzeptanz nach der Haftentlassung. Menschen, die Ausgrenzung und Verachtung ausgesetzt werden, können sich nicht reintegrieren, man verwehrt ihnen die Integration, was letztendlich nur dazu führt, dass die Rückfallgefahr ansteigt, denn für eine gelungene Resozialisierung bzw. gute Sozialprognose bedarf es auch eines sozialen Umfelds, das die positiven und guten Ressourcen der entsprechenden Person aktiviert und fördert.
Ein Mensch, der auch noch nach Verbüßen seiner Haftstrafe massiver Ausgrenzung und Anfeindungen ausgesetzt ist, ist in der Umsetzung seiner (im Idealfall) neu erlernten Skills deutlich beeinträchtigt und läuft Gefahr, sich aufgrund dessen nur noch weiter zu radikalisieren oder aus Frust und Stress wieder in alte Muster zu verfallen und rückfällig zu werden.
Menschen, die ohnehin eine schlechte Prognose haben, deren Rückfallgefahr als hoch einzustufen ist, sollten daher lieber unter Verschluss gehalten werden, zumindest so lange, bis sich an der Prognose eine signifikante Änderung ergibt.
Diejenigen, auf die das nicht zutrifft, sollten auch im Sinne einer erfolgreichen Resozialisierung ein Recht auf eine 2. Chance haben - dadurch, dass ihre Tat ohnehin in ihrem Führungszeugnis aufgeführt ist, sind sie in ihren Perspektiven schon genug eingeschränkt. Wir sollten als Gesellschaft lieber daran arbeiten, dass solche Leute darin unterstützt werden, ein gesetzeskonformes und straffreies Leben zu führen, statt sie noch weiter an den Rand der Gesellschaft zu treiben.
Wer sich mal, ganz unabhängig von der Thematik "Sexualstraftaten", im Bereich der Kriminologie umschaut, wird feststellen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Kriminalität von Menschen ausgeht, die in irgendeiner Weise am Rande der Gesellschaft stehen, sich selbst als abgehängt oder abgelehnt empfinden und denen die positiven Perspektiven und Anreize im Leben fehlen.