Cathryn
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Drückerkolonnen
29.05.2009 um 16:53Heute Morgen, kurz nach 9 stand sie vor der Tuer. Sehr jung sah sie aus, hoechstens 15, war aber laut eigener Aussage schon 19. Ein huebsches Maedchen, sehr zierlich, nur ein bisschen zu dickes Make Up. Eine Umfrage moechte sie machen, zum Thema „ehemals drogenabhaengige Jugendliche“.
Soso …
Erst mal ein paar Fragen, dann faengt sie an zu weinen. Sie selbst war auch mal drogenabhaengig, Heroin und Amphetamine, und es ist ja so schwer davon loszukommen. Mittlerweile hockt sie auf der Treppe. Ich hocke mich dazu, es wird spannend.
Sie hat als 14jaehrige schon angefangen Drogen zu nehmen. Beim Vater aufgewachsen, der abwechselnd getrunken und gepruegelt hat, die Mutter schon vor langer Zeit davon gelaufen mit einem anderen Mann. Die Schule nach der achten Klasse abgebrochen, dann spaeter immer abwechselnd Vater und Heim. Schlimme Zeiten mit Drogen betaeubt. Und so weiter.
Ich frage mich, ob sie jetzt bei mir einziehen will, oder warum sie mir das erzaehlt. Die wird doch wohl nicht … doch sie wird.
Sie schaut mich an, glaubt, dass sie mich ueberzeugt hat und nun kommt die grosse Loesung aller Probleme. Eine Agentur kuemmert sich um sie, sie zahlen ihr den versaeumten Schulabschluss, aber sie muss auch etwas dafuer tun. Guten Willen und Einsatz zeigen und Abos verkaufen. Dadurch soll sie sich auch ihre Unterkunft und Verpflegung verdienen. Also doch: Drueckerkolonne. Nun reicht es mir. Ich klaere sie auf, dass ich mich nicht verarschen lasse. Ich lasse mir ihre Unterarme zeigen, keine Einstiche, keine Narben, aber zwei blaue Flecken. Meine Wut – die ich gerade noch hatte, schlaegt um – in Wut gegen die Bosse, das Maedchen selbst ist wahrscheinlich nur in eine Falle getappt. Ich schlage ihr vor, ihr zu helfen, aus der Kolonne zu entkommen. Ich will ihre Daten und den Namen ihrer Eltern, ich werde sie anrufen und ihnen erklaeren, in welcher Situation sie sich befindet. Sie zoegert – dann taucht ploetzlich ein Mann auf, knapp 25, er macht eine Kopfbewegung und sie steht wortlos auf, sagt nicht mal mehr tschuess und geht mit ihm die Treppe hinunter. Vor dem Haus steht ein Kleinbus. Sie steigt ein und ist weg.
Ja, warum schreibe ich das alles? Weil ich aufklaeren will. Nicht ueber Haustuergeschaefte – ueber die wissen wir wohl alle bescheid. Nein – ich habe ein bisschen recherchiert. Ueber Macht und Unterdrueckung in Drueckerkolonnen. Moderne Sklaverei. Abzocke, Abhaengigkeit, Gewalt und Missbrauch. Drueckerkolonnen kennen wir alle – aber ich moechte einmal die andere Seite diskutieren, naemlich die der Verkauefer, die der jungen Menschen, die uns beluegen, um selbst satt zu werden.
"75 JUNGE LEUTE
gesucht für Promotiontätigkeit im Zentrum Wuppertal.
Keine Erfahrung erforderlich.
Vollzeit / Festanstellung.
Reise- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Rufen Sie jetzt an: 0202-254 9911“
„50 junge Leute für Promotion- und Vertriebsaktionen in Berlin, oder Leipzig gesucht (ab 18 J.),
Vollzeit & Festanstellung,
keine Erfahrung notwendig,
ein Arbeitsklima was Dich umhauen wird.
Ruf jetzt an, Tel.: 030-2007 6888,
oder recruit@primus-enterprises.com“
So und aehnlich klingen die Annoncen in Tageszeitungen und im Internet, die man normalerweise ueberliest. Doch anscheinend melden sich doch ab und an junge Menschen auf genau diese Annoncen und werden anschliessend versklavt. Recherchen in Foren ergeben die Berichte von Aussteigern, von Freunden derer, die aussteigen wollen, von Misshandlungen, von Zwang zum Sex, von Schlaegen, Nahrungsentzug, Schlafentzug. Von Demuetigung und Erpressung. Wer nicht gnuegend „Scheine“ bringt, sprich, nicht genug verkauft, der muss dafuer buessen, macht „Schulden“ bei den Bossen, fuer Kleidung und Unterkunft und Verpflegung. Aussteigen ist so gut wie unmoeglich, staendig wird man beobachtet und kontrolliert. Wenn man keinen Kontakt zu Freunden oder Verwandten aufbauen kann, wird man wohl nicht entkommen. Weglaufen? Schlechte Idee, man wird hoechstwahrscheinlich gefunden, zurueck gebracht und es drohen Strafen koerperlicher Natur. Die eigenen Papiere und den Personalausweis hat man gleich beim „Vorstellungsgespraech abgeben muessen, also bringt der Weg zur Polizei auch nichts, da man sich gar nicht ausweisen kann. Das einzige, was den Leuten also uebrig bleibt, ist luegen und betruegen. Abos aufschwatzen. In Fussgaengerzonen „Spenden“ fuer Tierschutzvereine, Kindernothilfe oder Wiedereingliederung von ehemals abhaengigen Jugendlichen. Selbst der mobile Handyvertragsstand im Einkaufszentrum, der „nur noch heute“ da sein wird und einen super Tarif anbietet, ist mit „Promotern“ bestueckt, die lieber gestern als heute entkommen wuerden, denn wenn sie keine „Spendenvertraege“, keine Handyvertraege oder Zeitschriftenabos verkaufen, sind sie schlecht dran.
So, genug von meiner Seite – nun seid ihr dran:
habt ihr schon einmal Erfahrungen mit Drueckerkolonnen gemacht?
Welche Geschichten wurden euch erzaehlt?
Habt ihr schon einmal auf eine dieser „Promotion“-Annoncen geantwortet?
Seid ihr den Drueckern vielleicht sogar schon einmal ins Netz gegangen?
Und wenn ja – wie seid ihr wieder entkommen?
Ich bin gespannt.
Soso …
Erst mal ein paar Fragen, dann faengt sie an zu weinen. Sie selbst war auch mal drogenabhaengig, Heroin und Amphetamine, und es ist ja so schwer davon loszukommen. Mittlerweile hockt sie auf der Treppe. Ich hocke mich dazu, es wird spannend.
Sie hat als 14jaehrige schon angefangen Drogen zu nehmen. Beim Vater aufgewachsen, der abwechselnd getrunken und gepruegelt hat, die Mutter schon vor langer Zeit davon gelaufen mit einem anderen Mann. Die Schule nach der achten Klasse abgebrochen, dann spaeter immer abwechselnd Vater und Heim. Schlimme Zeiten mit Drogen betaeubt. Und so weiter.
Ich frage mich, ob sie jetzt bei mir einziehen will, oder warum sie mir das erzaehlt. Die wird doch wohl nicht … doch sie wird.
Sie schaut mich an, glaubt, dass sie mich ueberzeugt hat und nun kommt die grosse Loesung aller Probleme. Eine Agentur kuemmert sich um sie, sie zahlen ihr den versaeumten Schulabschluss, aber sie muss auch etwas dafuer tun. Guten Willen und Einsatz zeigen und Abos verkaufen. Dadurch soll sie sich auch ihre Unterkunft und Verpflegung verdienen. Also doch: Drueckerkolonne. Nun reicht es mir. Ich klaere sie auf, dass ich mich nicht verarschen lasse. Ich lasse mir ihre Unterarme zeigen, keine Einstiche, keine Narben, aber zwei blaue Flecken. Meine Wut – die ich gerade noch hatte, schlaegt um – in Wut gegen die Bosse, das Maedchen selbst ist wahrscheinlich nur in eine Falle getappt. Ich schlage ihr vor, ihr zu helfen, aus der Kolonne zu entkommen. Ich will ihre Daten und den Namen ihrer Eltern, ich werde sie anrufen und ihnen erklaeren, in welcher Situation sie sich befindet. Sie zoegert – dann taucht ploetzlich ein Mann auf, knapp 25, er macht eine Kopfbewegung und sie steht wortlos auf, sagt nicht mal mehr tschuess und geht mit ihm die Treppe hinunter. Vor dem Haus steht ein Kleinbus. Sie steigt ein und ist weg.
Ja, warum schreibe ich das alles? Weil ich aufklaeren will. Nicht ueber Haustuergeschaefte – ueber die wissen wir wohl alle bescheid. Nein – ich habe ein bisschen recherchiert. Ueber Macht und Unterdrueckung in Drueckerkolonnen. Moderne Sklaverei. Abzocke, Abhaengigkeit, Gewalt und Missbrauch. Drueckerkolonnen kennen wir alle – aber ich moechte einmal die andere Seite diskutieren, naemlich die der Verkauefer, die der jungen Menschen, die uns beluegen, um selbst satt zu werden.
"75 JUNGE LEUTE
gesucht für Promotiontätigkeit im Zentrum Wuppertal.
Keine Erfahrung erforderlich.
Vollzeit / Festanstellung.
Reise- und Aufstiegsmöglichkeiten.
Rufen Sie jetzt an: 0202-254 9911“
„50 junge Leute für Promotion- und Vertriebsaktionen in Berlin, oder Leipzig gesucht (ab 18 J.),
Vollzeit & Festanstellung,
keine Erfahrung notwendig,
ein Arbeitsklima was Dich umhauen wird.
Ruf jetzt an, Tel.: 030-2007 6888,
oder recruit@primus-enterprises.com“
So und aehnlich klingen die Annoncen in Tageszeitungen und im Internet, die man normalerweise ueberliest. Doch anscheinend melden sich doch ab und an junge Menschen auf genau diese Annoncen und werden anschliessend versklavt. Recherchen in Foren ergeben die Berichte von Aussteigern, von Freunden derer, die aussteigen wollen, von Misshandlungen, von Zwang zum Sex, von Schlaegen, Nahrungsentzug, Schlafentzug. Von Demuetigung und Erpressung. Wer nicht gnuegend „Scheine“ bringt, sprich, nicht genug verkauft, der muss dafuer buessen, macht „Schulden“ bei den Bossen, fuer Kleidung und Unterkunft und Verpflegung. Aussteigen ist so gut wie unmoeglich, staendig wird man beobachtet und kontrolliert. Wenn man keinen Kontakt zu Freunden oder Verwandten aufbauen kann, wird man wohl nicht entkommen. Weglaufen? Schlechte Idee, man wird hoechstwahrscheinlich gefunden, zurueck gebracht und es drohen Strafen koerperlicher Natur. Die eigenen Papiere und den Personalausweis hat man gleich beim „Vorstellungsgespraech abgeben muessen, also bringt der Weg zur Polizei auch nichts, da man sich gar nicht ausweisen kann. Das einzige, was den Leuten also uebrig bleibt, ist luegen und betruegen. Abos aufschwatzen. In Fussgaengerzonen „Spenden“ fuer Tierschutzvereine, Kindernothilfe oder Wiedereingliederung von ehemals abhaengigen Jugendlichen. Selbst der mobile Handyvertragsstand im Einkaufszentrum, der „nur noch heute“ da sein wird und einen super Tarif anbietet, ist mit „Promotern“ bestueckt, die lieber gestern als heute entkommen wuerden, denn wenn sie keine „Spendenvertraege“, keine Handyvertraege oder Zeitschriftenabos verkaufen, sind sie schlecht dran.
So, genug von meiner Seite – nun seid ihr dran:
habt ihr schon einmal Erfahrungen mit Drueckerkolonnen gemacht?
Welche Geschichten wurden euch erzaehlt?
Habt ihr schon einmal auf eine dieser „Promotion“-Annoncen geantwortet?
Seid ihr den Drueckern vielleicht sogar schon einmal ins Netz gegangen?
Und wenn ja – wie seid ihr wieder entkommen?
Ich bin gespannt.