@MaatSexueller Missbrauch von Behinderten durch Pflegepersonal oder andere ist ein sehr gern verdrängtes Thema. Diesbezüglich haben Behinderte, vor allem "geistig Behinderte" so gut wie keine Lobby.
Karin Jahn und Meike Eilers schreiben in dem Buch "Störfall Sexualität",
"Zur sexuellen Gewalt zählen verbale übergriffe wie sexistische Beleidigungen, das Zeigen und Produzieren pornographischer Aufnahmen, exhibitionistische Handlungen, das Aufzwingen von Küssen und Streicheln sowie orale, anale und vaginale Vergewaltigung. Das Risiko, Opfer sexueller Gewalt zu werden, ist dort hoch, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Männern und Frauen, Erwachsenen und Kindern, Pflegern und zu betreuenden Personen, Nichtbehinderten und Behinderten vorliegen. Die Täter nutzen dabei die Macht-, Abhängigkeits- und Vertrauensbeziehung aus, um die Gefügigkeit des Opfers und eine Geheimhaltung der Tat zu erzwingen. Die Täter kommen aus dem Nahraum und sind in der Regel bekannt. Durch die strukturell bedingte Aussonderung behinderter Menschen in Sondereinrichtungen, durch die Fremdbestimmung und tatsächliche schädigungsabhängige Hilfebedürftigkeit ist die Lebenssituation (vieler) behinderter Menschen durch Abhängigkeitsverhältnisse gekennzeichnet. Diese Struktur der Lebensbedingungen behinderter Menschen kann Gewaltanwendungen begünstigen." (E. Zwierlein, 1995, S. 62)
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen sind Macht, Missbrauch und Machtausübung oftmals gewohnt, sodass die sexuelle Gewalt meist nur zu einem zusätzlichen Aspekt ihres Daseins wird. Die strukturelle Macht von Einrichtungen, die Entmündigung in vielen Fragen des Alltags, die Reglementierung ihres Lebens bis hin zu intimsten Bereichen wie Körperpflege und Sexualität macht es für sie schwer, "nein" zu sagen, sich zu wehren oder Gewalt überhaupt noch als solche zu erkennen und zu benennen. Sexuelle Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen ist ein Tabuthema und ein gut gehütetes Geheimnis von Betroffenen, BetreuerInnen und der Öffentlichkeit. Es liegen nur wenige Untersuchungen über das Ausmaß an sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen vor und in den Institutionen werden Fragen von sexueller Gewalt meist nur im Anlassfall, am Rande oder gar nicht problematisiert. Ein Grund für die zögernde Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt liegt vermutlich in der allgemeinen Tabuisierung von Sexualität im Leben von Behinderten, sie dürfte aber kaum von den Zahlen der übrigen Bevölkerung abweichen. Das Risiko, Opfer sexueller Gewalt zu werden, ist dort hoch, wo Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen BetreuerInnen und zu betreuenden Jugendlichen vorliegen. Die TäterInnen, die aus dem alltäglichen Nahraum kommen, nutzen dabei ihre Macht-, Abhängigkeits- und Vertrauensbeziehung aus, nicht nur um die Gefügigkeit des Opfers zu erreichen, sondern auch um die Geheimhaltung zu erzwingen. Behinderte Kinder und Jugendliche stehen in einem noch größeren Abhängigkeitsverhältnis zu Erwachsenen, sind noch rechtloser und ohnmächtiger als nicht behinderte. Vor allem geistig behinderte Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer nicht altersgemäßen intellektuellen Entwicklung noch viel weniger als ihre Altersgenossen in der Lage, die Inanspruchnahme ihrer Person für sexuelle Handlungen zu erkennen. Die Praxis der Sterilisation behinderter Mädchen im Jugendalter bietet diese zudem als Opfer für ein "Verbrechen ohne Folgen" an. Auch wird Behinderten, wenn sie über den Missbrauch berichten oder nonverbale Zeichen geben, noch weniger geglaubt als nichtbehinderten Mädchen und Jungen. "Und wenn schon, sie soll doch froh sein, daß sich überhaupt einer für sie interessiert" - so die weitverbreitete Meinung" (Enders, 1990, S. 52).