Neue Schule in Hamburg
01.10.2007 um 20:14
Liebe Frau Nena...
von boubou | Voerde | 1686 mal gelesen
Böser Brief.
(Nicht ganz ernst zu nehmen. Aber Satire trifft es auch nicht wirklich.)
Liebe Frau Nena,
ich glaub', ich muss mal ein paar Worte sagen, oder besser schreiben, zu Deiner Idee mit der Neuen Schule. Vorweg erstmal, ich konnte Dich noch nie richtig gut leiden und Deine Musik war auch nie mein Geschmack, aber das nur am Rande.
Viele werden jetzt glauben, ich sei nur neidisch auf Deinen Erfolg oder Dein jugendliches Aussehen und müsse mich nun meines Frustes mittels dieses Briefes entledigen, neenee, so ist das nicht.
Ich finde Deine Idee mit der Neuen Schule ja recht interessant, leider geht es aber doch ziemlich an der Realität vorbei. Waldorfschulen sind da doch schon ein echtes Negativbeispiel: Sicher, die Schüler sind selbstbewusst, können Schwerter schmieden, spinnen und weben, absolutes Grundlagenwissen in der heutigen Zeit, haben aber inder 12. Klasse zum Beispiel in Französisch noch nicht mal den Stand der 9. Klasse erreicht und müssen dann zusehen, dass sie bis zum Abitur alles nachgeholt kriegen... na, wer's gerne so will und auch noch das nötige Kleingeld hat, die Nachhilfe zu bezahlen, bitte sehr. Wenn dann aber ein 18 jähriger nach der 12 zu einem Berufskolleg wechselt, weil die Schule ja doch nicht wirklich zu ihm passt, und dort zurückgestuft wird in die 11. Klasse (d.h. 2 Jahre verloren!), dann frage ich mich doch, ob diese Schule so ganz den richtigen Weg geht.
Klar, es ist bestimmt nicht falsch, die Neigungen der Kinder zu berücksichtigen, aber gewisse Lehrpläne sollten doch schon eingehalten werden, denn spätestens im Abitur (Zentralabitur!) wird Wissen geprüft, nicht Selbstbewusstsein oder handwerkliches Geschick. Und wenn die Schüler gar selbst bestimmen dürfen, wann sie was lernen... da fällt mir eigentlich gar nichts mehr zu ein.
Lernen sie denn auch irgendwann einmal, dass esRegeln gibt? Dass Dinge getan werden müssen, auch wenn sie einem nicht liegen? Oder werden alle Absolventen Deiner Schule Popstars und können sich ihr eigenes Leben in einer schöneren, freieren Welt zurechtstricken?
Ganz ehrlich, ich bin in Erziehungsfragen total konservativ. Meine armen Kinder müssen ein konventionelles Gymnasium besuchen, so richtig mit Lehrplänen, Hausaufgaben, Referaten und diesem überflüssigen Kram. Theaterspielen oder Musik machen oder zusätzliche Sportangebote gibt es nur nach dem Unterricht. Und Nachmittagsunterricht haben sie auch noch. Werden sie so zu unselbständigen, unfähigen Menschen, die sich in der heutigen Welt nicht zurecht finden? Oder tut es ihnen vielleicht sogar gut, früh zu wissen, dass eine Gesellschaft, vom Kindergarten über Schule bis zur Arbeitswelt, nach festen Spielregeln funktioniert?
Ach weißte, Frau Nena, jeder muss es ja selbst wissen. Nicht jedes Kind passt aber in diese liberale Schulform, manche braucheneinfach ein Schild: Da geht's lang!!!
Wahrscheinlich hassen mich jetzt alle Waldorfeltern und andere Verfechter neuer pädagogischer Konzepte, aber damit komme ich gut klar.
Mein Selbstbewusstsein ist nämlich auch ohne Waldorfpädagogik recht ausgeprägt.
So, und jetzt fahr' ich mit dem Auto die 50 Meter bis zum Bäcker zum Brötchenholen und heute nachmittag geh' ich dann in den Wald einen Baum umarmen und wenn ich schon dort bin schütte ich noch eben meine Gartenabfälle ins Unterholz... das Umarmen des Baumes reicht ja wohl, um meine Verbindung zur Natur zu beweisen, nich'?
Gruß
boubou