Der gesunde Mittagsschlaf: Erfolg durch Power-Nap
Kennen Sie das? Siearbeiten, es ist zwischen 13 und 14 Uhr, und Sie werden immer müder und müder. Auch derKaffee oder ein Plausch mit den Kollegen hilft nur bedingt. Am liebsten würden Sie denKopf auf den Tisch legen und schlafen. Warum machen Sie es nicht einfach? Schon seitlangem ist bekannt, dass der Rhythmus des Menschen um 14 Uhr auf Ruhe eingestellt ist.Chronobiologen, also Forscher, die sich mit dem biologischen Zeitrhythmus beschäftigen,halten das Phänomen des Mittagslochs für ganz natürlich. Und das beste Hilfsmittel indiesem Moment ist ein kurzer Mittagsschlaf. Den würden zwar viele gerne halten, doch nurwenige erlauben es sich tatsächlich oder haben dazu die Möglichkeit. Viele Chefs sehen esnicht gern, und sogar Freiberufler haben Hemmungen, sich den Kurz-Schlaf zu gönnen. Dabeihaben gerade besonders erfolgreiche Menschen regelmäßig ihren Mittagsschlaf zelebriert,unter anderem Albert Einstein, Thomas Mann oder Margaret Thatcher. Auch Gold-BiathletSven Fischer nutzt jede freie Minute für einen erquickenden Kurzschlaf tagsüber. Aber wasist dran am gesunden Nickerchen, modisch "Power-Napping" genannt? Wir haben den Testgemacht.
Der Quarks-Test: Fit durch Mittagsschlaf?
Foto: graues Testgerät, Anzeige 234; Rechte: WDR
Das unauffällige Gerättestet, wie wach die Versuchspersonen sind: Bleiben sie zehn Minuten lang aufmerksam undreaktionsschnell?
Vergrößernvergrößern
Für den Test habenwir uns von Schlafexperten ein Gerät geborgt, das die Daueraufmerksamkeit prüft und damitRückschlüsse auf den Grad der Wachheit oder Schläfrigkeit der Testperson erlaubt. In derForschung heißt dieser Test PVT – er enthält eine einfache Aufgabe, bei der die Probandenkontinuierlich zehn Minuten lang auf einen Reiz reagieren müssen, zum Beispiel eineTaste drücken. Der PVT-Test ist sehr simpel: Das Gerät hat einen kleinen Bildschirm, aufdem wie bei einer Stoppuhr die Zeit in Ziffern durchläuft. Der Unterschied zur Stoppuhrist, dass nicht die Testperson den Start auslöst, sondern das Gerät selbst. Sobald dasgeschieht, soll die Versuchsperson eine Taste drücken. Das Gerät misst somit, wie vielZeit zwischen Erscheinen der Null und dem Tastendruck vergeht. Die Zahl, die beiTastendruck stehen bleibt, gibt die Reaktionszeit in Millisekunden an. Das Auslösen desZählers erfolgt in unregelmäßigen Abständen, so dass die Testteilnehmer nicht vorhersehenkönnen, wann sie drücken müssen. Zehn Minuten dauert der Versuch, und er ist mit Absichtetwas langweilig gestrickt: Die Probanden sollen keine spielerische Motivationentwickeln, dies könnte das Testergebnis verfälschen. Wer müde ist, kann mit einemsolchen Test recht gut entlarvt werden.
Chef gegenMitarbeiterin
Foto: Cornelia Scharnagl und Dr. Bernhard Kallupauf dem Parkplatz; Rechte: WDR
Die Versuchspersonen: Dr. Bernhard Kallup istbekennender Power-Napper, Cornelia Scharnagl schläft nicht amArbeitsplatz
Vergrößernvergrößern
Unsere beiden Probanden arbeitenin einem Büromöbelunternehmen: Dr. Bernhard Kallup ist Chef der Firma, Cornelia Scharnaglarbeitet als Produktmanagerin. Kallup ist ein bekennender Power-Napper, er lebt dieseEinstellung sehr offen: Seine Mitarbeiter können ihn bei seinem Mittagsschlaf auch durchdie gläserne Bürotür beobachten. Cornelia Scharnagl hält keinen Mittagsschlaf amArbeitsplatz, sie ist die Vergleichsperson im Test.
Am Morgen um 10 Uhr messen wir zumersten Mal: Bernhard Kallup hat eine durchschnittliche Reaktionszeit von 229Millisekunden (ms). Die Ergebnis-Kurve des Tests zeigt eine relativ konstanteAufmerksamkeit über die gesamte Zeit. Cornelia Scharnagl bringt es um 10 Uhr sogar imDurchschnitt auf 210 ms. Sie ist also etwas schneller, das liegt wohl daran, dass siejünger ist. Je nach Alter und Geschlecht fallen die Reaktionszeiten ohnehin bei einemPVT-Test unterschiedlich aus. Das können wir für unseren Versuch aber ignorieren – wirsetzen die individuellen Werte vom ersten Durchgang am Morgen einfach als persönlichenAusgangswert an. Die späteren Ergebnisse werden dann jeweils mit diesem Wert verglichen.Unsere beiden Probanden gehen jetzt nun ihrer normalen Arbeit nach.
Das Mittagstief schlägt zu
Foto: Kallup zurückgelehnt imBürostuhl, die Füße hoch, Augen zu; Rechte: WDR
Bernhard Kallup nutzt die Mittagspausefür einen Nickerchen von 15 Minuten im Büro
Vergrößernvergrößern
Um 12.30 Uhr ist Mittagspause, beide gehen in der Kantine essen. Auf den Kaffeenach dem Essen müssen sie heute aber verzichten - das Koffein würde das Testergebnisverändern. Als wir nach dem Essen testen, erreicht Bernhard Kallup im Durchschnitt eineReaktionsgeschwindigkeit von 308 ms – er ist also langsamer geworden. Im Vergleich zumMorgen hat er nur noch 74 Prozent seiner Leistungsfähigkeit. Zudem zeigt der Verlauf derErgebnis-Kurve, dass seine Konzentration innerhalb des 10-Minuten-Zeitraums abnimmt.Cornelia Scharnagl kommt statt auf 210 ms auf 281 ms, das entspricht 75 Prozent ihrerLeistungsfähigkeit vom Morgen. Beide sind also in etwa demselben Ausmaß langsamergeworden. Doch Cornelia Scharnagls Ergebnis-Kurve zeigt eine deutliche Streuung vonAnfang an: Ihre Konzentrationsfähigkeit schwankt recht stark. Beide Probanden sind imklassischen Mittagstief – wir lassen eine Stunde verstreichen. In dieser Stunde arbeitetCornelia Scharnagl durch, Bernhard Kallup hingegen macht ein kleines Nickerchen von 15Minuten. Schon seit Jahren beherrscht er die Technik, schnell mal zwischendurchabschalten zu können: Innerhalb von wenigen Minuten kann er einschlafen, ob im Flugzeug,im Büro oder irgendwo anders.
Der dritte Test zeigt einenUnterschied
Grafik: Zwei Kurven, gelb und rot; Rechte: WDR
Die vonuns aus den vier Testergebnissen nachgestellten Leistungskurven zeigen: Beide Teilnehmersind um 13 Uhr im klassischen Mittagstief. Durch das Nickerchen schnellt die gelbe Kurvevon Bernhard Kallup jedoch direkt nach oben, während Cornelia Scharnagls Leistungskurvebis 17 Uhr langsam ansteigt
Vergrößernvergrößern
Um 14.00 Uhrdrücken wir beiden Teilnehmern wieder die Testgeräte in die Hand. Cornelia ScharnaglsWerte liegen fast unverändert bei 280 ms im Durchschnitt. Ihr bleiben also 75 Prozentihrer Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Morgen. Wieder zeigen die Werte außerdem, dassihre Aufmerksamkeit im Verlauf der Prüfung stark schwankt. Doch beim Chef sehen die Werteanders aus: Bernhard Kallup kommt auf 237 ms - das entspricht 97 Prozent vom persönlichenAusgangswert! Und dazu zeigt seine Verlaufskurve, dass er seine Aufmerksamkeit währendder 10-Minuten Testphase recht stabil halten kann. Er ist also nur minimal langsamer alsbeim ersten Test am Morgen – und hat dem Mittagstief erfolgreich ein Schnippchengeschlagen.
Kurz vor Feierabend testen wir noch einmal. Der vierte Durchgang nach16 Uhr zeigt: Bernhard Kallup erreicht 238 ms, dies entspricht 96 Prozent seinerReaktionszeit vom Morgen. Cornelia Scharnagl braucht im Durchschnitt 228 ms, bis siereagiert, sie ist damit auch wieder auf 92 Prozent ihrer Reaktionszeit angelangt. Beidesind einige Stunden nach dem Mittagessen ungefähr auf gleichem Niveau - der Vorteil desNickerchens ist ausgeglichen. Das stimmt mit Ergebnissen der Chronobiologen überein:Menschen erreichen um 17h wieder ein Leistungshoch, auch wenn sie nicht geschlafenhaben.
Tipp:
Ein Power-Nap sollte zwischen 10 und 30 Minuten dauern, länger nicht.Denn sonst sinkt man in den Tiefschlaf und das ist tagsüber ungünstig – man wird dannschlechter wieder wach. Wer nach dem Nickerchen mit der anschließenden kurzenSchlaftrunkenheit zu kämpfen hat (die Dauer der Schlaftrunkenheit entspricht der Dauerdes zuvor gehaltenen Kurzschlafs), der sollte vorher einen Espresso trinken. Das Koffeinnämlich wirkt erst nach einer halben Stunde und hilft als Anschubkraft direkt nach demMittagsschlaf.
http://www.quarks.de/dyn/28589.phtml (Archiv-Version vom 13.07.2007)1984