Mussen sich frauen immer wieder auf's neue beweisen ?
19.08.2006 um 09:25
ich hab was auf biblischer sicht entdeckt, wenns nicht interessiert sollte erst gar nichtweiterlesen, und wenns schon interessiert, hier:
Für eine Versöhnung mitLilith
Jüdische Feministinnen verwenden gern die alte Form des Midrasch, um ihreAnliegen zu formulieren. Besonders um die Gestalt Liliths, der ersten Frau Adams (nacheiner Interpretation des ersten Schöpfungsberichts), kreisen solche neuen Midraschimgern. Der folgende Midrasch übernimmt Elemente der alten Erzählungen um Lilith. Erschreibt aber auch den bekanntesten feministischen Midrasch weiter, Judith Plaskows "DasKommen Liliths".
Am Anfang schuf Gott Adam und Lilith aus dem Staub der Erde undblies ihnen den Lebensatem ein. Da sie beide gleich erschaffen worden waren, waren sieeinander in jeder Hinsicht gleichgestellt. Adam, als Mann, passte dies nicht, und erverlangte von Lilith, dass sie sich ihm unterordne. Lilith weigerte sich, rief Gottesheiligen Namen an und flog weg. Sofort beklagte sich Adam darüber bei Gott. Gott schicktedrei Boten zu Lilith, um sie zur Rückkehr zu Adam aufzufordern. Sonst werde sie bestraft.Lilith aber wollte nicht mit einem Mann zusammenleben, der sie nicht als Gleichgestelltebehandelte, und sie beschloss, dort zu bleiben, wo sie war.
Als Ersatz fürLilith „baute" (banah, 1. Mose 2. 22) Gott für Adam eine zweite Frau aus Adams Seite:Eva, die nun nicht mehr gleich wie Adam „erschaffen" (jazar, 1. Mose 2. 7), sondern als„eine Hilfe ihm gegenüber" „gebaut" wurde. Während des Schöpfungsprozesses wurde so,entgegen Gottes ursprünglichem Schöpfungsplan, die Frau verkleinert – so wie dies auchbeim Mond gegenüber der Sonne geschehen war (Chullin 60 b).
Adam und Eva warenzunächst glücklich miteinander. Mit der Zeit aber verspürte Eva gelegentlich Fähigkeitenin sich, die unentwickelt blieben, und Adam begann sich mit der angepassten Eva zulangweilen. Immer häufiger träumte er von Lilith, und eines Tages überstieg Adam, als Evagerade am Kochen war, die Mauer des Gartens Eden, um Lilith zu suchen. Er dachte, ihrfehle sicher der Mann, sodass er sie leicht zu seiner Nebenfrau machen könnte. Als erLilith fand, war sie gerade mit dem Studium der Tora beschäftigt – nicht unserer Tora ausTinte und Pergament, sondern der mit schwarzem Feuer auf weisses Feuer geschriebenenUr-Tora, die auf Gottes Knie ruht. Auch Adam studierte gelegentlich die Ur-Tora, und ergab vom Gelernten an Eva das weiter, was ihn für sie gut dünkte und ihm nützte. Lilithfreute sich über Adams Besuch, da sie hoffte, mit ihm zusammen die Tora studieren zukönnen. Aber es störte Adam, dass sie gleich viel oder teilweise noch mehr wusste als er,und er weigerte sich, mit ihr zu lernen. Statt dessen versuchte er, Lilith zu seinerNebenfrau zu machen. Als ihm dies nicht gelang, kehrte er zu Eva zurück. Nun begann erimmer intensiver von Liliths unerreichbarer Schönheit zu träumen. Eva aber erzählte er(indem er die Situation umkehrte), dass Lilith nachts zu ihm geflogen komme, um ihn zuverführen. Sie sei eine Dämonin und mit dem Satan liiert.
In Wahrheit aberinteressierte sich der Satan weniger für die starke und gelehrte Lilith als für dieangepasste und frustrierte Eva, der er Schlechtes über Lilith erzählte. Auch plante erdie Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten Eden. Eva war empfänglich für das Böse, dasder Satan von Lilith erzählte, und sie glaubte auch Adams verdrehte Geschichten überLilith.
Inzwischen machte Lilith, die völlig allein war, hin und wieder denVersuch, in die menschliche Gemeinschaft im Garten zurückzukehren. Nach ihrem erstenvergeblichen Versuch, die Mauern zu durchbrechen, verstärkte Adam die Mauer, und Eva halfihm sogar noch dabei. Dabei erhaschte Eva einen Schimmer von Lilith und sah, dass sieeine Frau war wie sie.
Jetzt hätten bei Eva eigentlich Zweifel aufkommen sollen,ob die Geschichten Adams und des Satans, Lilith sei eine Dämonin, wirklich stimmten. Siehätte sich eigentlich bemühen sollen, Lilith als andere Frau, als Schwester wirklichkennenzulernen. Eva und Lilith hätten so gemeinsam die Verkleinerung der Frau wiederrückgängig machen, damit den ursprünglichen Schöpfungsplan verwirklichen und die Erlösungherbeiführen können. Sie hätten dabei die Unterstützung Gottes gehabt, da Gott wachsendeProbleme mit Adam hatte, der sich mehr und mehr mit Gott identifizierte und immermächtiger wurde.
Doch das Gift, das Adam und der Satan Eva eingespritzt hatten,war stärker. Statt sich zu fragen, was sie in ihrem Leben und in ihrer Beziehung zu Adamändern müsste, um aus ihrer Unzufriedenheit herauszufinden, stilisierte sie sich (zumalsie inzwischen einen Sohn geboren hatte) zu einer Art rundum glücklichen Muttergöttinhoch, wozu Adam sie auch noch ermunterte. Gleichzeitig blickte sie voll Verachtung aufdie gelehrte Lilith, die Gleichstellung mit Adam wollte. Sie dichtete Lilith alles Bösean, das sie in sich selbst verspürte und das dem strahlenden Bild, das sie sich von sichselbst machte, widersprach.
Als Eva eines Tages der Gartenmauerentlangspazierte, sah sie einen jungen Apfelbaum, den sie und Adam einst gepflanzt hattenund dessen Zweige über die Mauer hinüberhingen. Sie kletterte hinauf und schaute über dieMauer. Drüben hatte Lilith auf diesen Augenblick gewartet und kam voll Freude zu Eva, inder Hoffnung, in ihr eine Schwester zu finden. Eva jedoch wollte nur die Gelegenheitbenützen, um alles Dunkle in sich auf Lilith zu laden und sie damit in die Wüste zuschicken. Sie warf Lilith alle Verleumdungen an den Kopf, die ihr Adam und der Satan überLilith eingeflüstert hatten, und beschimpfte sie als ehrgeizige Egoistin, die nichtbereit sei, sich für Adam aufzuopfern, und die nicht geduldig warten konnte, bis Adam ihrgewisse Dinge zu tun erlaubte. Lilith wandte Eva enttäuscht den Rücken zu und ging weg.
Seither wartet Lilith jedes Jahr, wenn die Zeit von Rosch Haschana, demGeburtstag der Schöpfung, und von Jom Kippur, dem Versöhnungstag, herannaht, darauf, dassAdam und Eva zu ihr kommen, um sich mit ihr zu versöhnen, damit sie gemeinsam dieVerkleinerung der Frau rückgängig machen und so den ursprünglichen Schöpfungsplanverwirklichen und die Erlösung herbeiführen können. Die Söhne Adams und die Töchter Evasund Liliths tragen den Zwiespalt zwischen den ersten Menschen bis in unsere Zeit weiter.Bis heute werden Liliths Töchter weiter ausgegrenzt. Die Zeit von Rosch Haschana und JomKippur wäre ein guter Zeitpunkt, um dies zu überdenken und sich zu versöhnen – und um denursprünglichen Schöpfungsplan endlich zu verwirklichen.
Marianne Wallach-Faller(1942-1997) hat in Deutschland und in der Schweiz mit ihren Vorträgen immer grössereBeachtung gefunden. Ihre Texte nehmen orthodoxe jüdische Traditionen auf und bringen siemit feministischen Fragestellungen ins Gespräch. Der hier publizierte Midrasch stammt ausdem im Oktober 2000 erscheinenden Buch "die Frau im Tallit - Judentum feministischgelesen" herausgegeben von Doris Brodbeck.
mit freundlicher Erlaubnis derHerausgeberin