Vogelgrippe!
13.03.2006 um 13:22
Wer von der Vogelgrippe profitiert
Wie wird die unaufhaltsameAusbreitung der Vogelgrippe die Weltmärkte und die Börsen treffen? Der FinanzkonzernCitigroup hat die möglichen Szenarios untersucht - und ist auf ein paar erstaunlicheErgebnisse gekommen.
New York - Manche Wissenschaftler haben heute keineZweifel mehr, dass die Vogelgrippe eines Tages auch von Mensch zu Mensch übertragbar seinwird. Die ungeklärte Frage bleibt: Wann - und wie virulent wird das H5N1-Virus dann sein?
Diese schwelende Ungewissheit bewegt auch die Investoren an den Börsen. Um etwasmehr Licht ins Dunkel zu bringen, hat sich der größte US-Finanzkonzern Citigroup diediversen H5N1-Schreckensszenarien jetzt mal etwas detaillierter ausgemalt - und ist zuein paar erstaunlichen Ergebnissen gekommen.
Die Vogelgrippen-Bedrohung und diedaraus resultierende, "extreme" Unsicherheit für die Finanzmärkte stelle Investoren undStrategen vor ein unlösbares Dilemma, heißt es in dem Report, den die Citigroup-AnalystenBruce Rolph und Robert Bonte-Friedheim anfertigten. "Unsere Analyse legt nahe, dass dieVogelgrippe ein wachsendes Risiko für den globalen Wirtschaftsausblick ist."
Potentielle Aktienrallye
Die Studie untersucht unter anderem diefinanzwirtschaftlichen Konsequenzen im schlechtest möglichen Fall (ein mutierter,menschlich übertragbarer H5N1-Virus) und im best möglichen Fall (gelegentliche, einzelneund kurzzeitige Übertragungen auf den Menschen).
Im schlimmsten Fall werde sich,so fürchten die Experten, an den Börsen und in der Weltfinanz "alles verändern". Diepolitischen Reaktionen auf eine weltweite Pandemie und das Verlangen des gefährdetenMenschen, persönlichen Kontakt zu vermeiden, würden "Angebot und Nachfrage" global ausdem Gleichgewicht werfen. Die Wirtschaftsaktivität werde sich generell verringern, diefinanzielle Risikobereitschaft sinken, die Währungspolitik werde sich abschwächen, dieRohstoffpreise würden kollabieren und die Zinsen fallen.
Im besten Fall würdendie Folgen denen der Sars-Epidemie ähneln, nur "extensiver und ausgedehnter": Eine"temporäre Störung" der Weltmärkte, ein vorübergehender Absturz der betroffenen Börsen,gefolgt jedoch von einer schnellen Erholung und einer globalen, "potentiell ziemlichstarken" Aktienrallye. Die vorübergehende Phase von Immobilität werde zur "intensiverenNutzung" von Technologie und vor allem von Internet-Handel führen.
Schlechtfürs Bier
Je nachdem, wann und wie schnell sich eine H5N1-Pandemieausbreitet, dürfte es der Untersuchung zufolge an den Börsen unweigerlich Kursverlierergeben - aber auch Kursgewinner, und das nicht nur in der Pharma-Branche, wo dies zuerwarten wäre.
Als Kursverlierer in der vordersten Vogelgrippen-Frontlinie nenntCitigroup - erwartungsgemäß - die Fluggesellschaften, vor allem international operierendeAirlines wie American, Continental, United, Qantas, British Airways, Lufthansa und AirFrance. Außerdem natürlich große Hotelketten (Marriott, Hilton,
Starwood). Aber auchdie Hersteller von Luxusgütern wären vom geänderten Reiseverhalten betroffen und würdenleiden, zum Beispiel Neiman Marcus und Tiffany in den USA und Richemont in Frankreich.Mit auf die Verliererliste setzt Citigroup auch die Versicherungen (AXA, Metlife,Prudential) und die Betreiber von Einkaufszentren (Westfield).
Im Fall einerausgedehnten Epidemie würden die negativen Folgen später dann auch auf andere Branchenübergreifen: Öl (BP, Total, Shell), Bergbau und Metall (so komme allein 30 Prozent derweltweiten Metallnachfrage aus dem Vogelgrippe-gefährdeten China), die gesamteTouristikindustrie sowie Bierbrauer.
"Alles nur ein böser Traum"
Unter den Kursgewinnern sieht Citigroup - keine Überraschung - die Pharmakonzerne,die antivirale Heilmittel produzieren (Gilead, Roche, GlaxoSmithKline) oder anImpfstoffen arbeiten (Sanofi-Aventis, CSL). Wobei die Bank vor allzu großer Hoffnung aufRoches Tamiflu warnt: Es gebe keinen klinischen Nachweis für die Effektivität von Tamiflugegen den derzeitigen H5N1-Stamm, geschweige denn künftige Mutationen. Die beschränkteVerfügbarkeit von Tamiflu sei überdies "eine Petrischale für Tamiflu-resistente Stämme".
Weitere Gewinner der Vogelgrippe wären nach Einschätzung der Citigroup-Expertendie Hersteller von Reinigungsprodukten (Henkel, P&G, Reckitt Benckiser, Ecolab, Clorox,Kao), das Gesundheitswesen (Tenet, Community Hospitals), Home-Entertainment-Firmen wieNintendo oder Blockbuster, die vom Drang zur persönlichen Isolation profitieren würdensowie längerfristig die Telekommunikations- (AT&T, Deutsche Telekom, BT) und dieInternet-Branche (eBay, Google, Yahoo).
All das, so prophezeien dieCitigroup-Analytiker, könnte bereits dieses Jahr wahr werden, spätestens aber 2008."Theoretisch möglich" sei jedoch auch noch ein anderes Szenario: "Es war alles nur einböser Traum."
Genies erreichen ihr Ziel mit einem einzigen Schritt;
der gemeine Sterbliche nur nach einer langen Reihe von Versuchen.
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