Link: www.tagesspiegel.de (extern) (Archiv-Version vom 23.04.2007)Der fette Deutsche
Die Bundesrepublik liegt beim Übergewicht auf Platz eins in Europa– aber was kann man dagegen tun?
Von Adelheid Müller-Lissner
Die Deutschensind in Europa auf Platz eins – beim Übergewicht. Das bestätigt erneut eine Studie, dieam morgigen Sonntag vorgestellt wird. Die Daten über dicke Europäer, die dieInternational Association for the Study of Obesity (IASO) zusammengestellt hat, beruhenunter anderem auf Daten, die, wie berichtet, kürzlich von der EU veröffentlicht wordenwaren. Was Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaft, in seinemJahrbuch berichtete, alarmierte vor allem mit Blick auf die deutschen Männer, die inSachen Übergewicht den Europarekord halten: 48 Prozent der Männer sind demnachübergewichtig, sie haben einen Body-Mass-Index zwischen 25 und 29 (Körpergewicht inKilogramm geteilt durch Größe in Metern im Quadrat), fast 19 Prozent sind mit einem BMIüber 30 sogar als fettleibig einzustufen. Die IASO, die zusätzliche Quellen hinzugezogenhat, spricht sogar von 52,9 Prozent übergewichtigen und 22,5 Prozent fettleibigen Männernund 35,6 Prozent übergewichtigen und 23,3 Prozent fettleibigen Frauen. Zählt man beideKategorien zusammen, dann sind drei Viertel der deutschen Männer und etwas mehr als dieHälfte der deutschen Frauen betroffen: Sie alle wiegen zu viel, jedenfalls nachmedizinischen Kriterien. Denn sie erhöhen damit ihr persönliches Risiko für Krankheitenwie Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, verschiedene Formen von Krebs oder auchGelenkschäden. Nicht nur weil die Deutschen älter werden, sondern auch, wenn sie weiterzunehmen, werden wir nach Einschätzung von Experten in zehn Jahren doppelt so vieleDiabetiker haben wie heute. Schon heute werden sechs Prozent der Gesundheitsausgaben aufdie Folgen von Übergewicht zurückgeführt.
.....Der Entwurf für einen nationalenAktionsplan, den die Adipositas-Gesellschaft den Ministerien für Gesundheit und fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 23. März präsentiert hat, schlägt dennauch 30 konkretere Maßnahmen vor. Unter anderem soll die Lebensmittelindustrie beiPackungsgrößen und in der Werbung in Zukunft weniger mehr sein lassen. Außerdem will mansich verstärkt dem Thema Bewegung widmen. Denn wer zunimmt, nimmt zu viele Kalorien zusich – und zwar relativ, im Verhältnis zu seinem Verbrauch. Der Energieverbrauch aber hatim Unterschied zu den Menschen selbst in den letzten Jahrzehnten in den Industrienationenrapide abgenommen. „Wir brauchen unbedingt Richtlinien für körperliche Aktivität, und wirbrauchen dafür mehr attraktive Freizeitmöglichkeiten“, sagt Westenhöfer. Es sei deshalbein politischer Skandal, wenn Hallenbäder aus Kostengründen geschlossen werden. AuchBundesernährungsminister Horst Seehofer will sich des Themas annehmen: Für Mitte Mai sindEckpunkte der Bundesregierung zur Förderung von gesunder Ernährung und mehr Bewegungangekündigt. In letzter Instanz bleibt zwar jeder Einzelne selbst dafür zuständig.Westenhöfer: „Wir sollten aber wenigstens den gesellschaftlichen Rahmen dafür schaffen,dass die gesünderen Verhaltensweisen zugleich auch die sind, die nahe liegen und leichtfallen.“