Wann ist man erwachsen ?
04.01.2006 um 17:06
Klasse Beitrag, Doctrine!
Ich möchte hier einen sehr trefflichen Text hineinstellen, den ich selber erst gestern las:
Fast alle von uns wachsen heutzutage im Kraftfeld von Glaubenssätzen, Vorurteilen und Überzeugungen heran, die unserer direkten Erfahrung und der Warhnehmung unseres Herzens genau entgegengesetzt sind. Wie das Kind im Märchen "Des Kaisers neue Kleider" kommen wir zur Welt mit einem klaren, unverstellten Blick auf die Wirklichkeit, -mit dem alles durchschauenden Blick, der aus den Augen jedes Neugeborenen leuchtet. Wir wussten alles über uns selbst und wir wussten alles über jeden anderen Menschen. Wir wussten, welche Nahrung uns zum leuchten bringt, die Nahrung, die uns noch ein Jahr vor unserer Geburt am Leben erhielt und die einen Namen trägt: bedingungsloses Annehmen, bedingungslose Liebe. Doch schon nach wenigen Wochen des Besuchs in dieser Welt legten sich die ersten Schleier über dieses kraftvolle Licht. Für viele von uns ist der Lauf des Heranwachsens und Erwachsenwerdens ein langsames Eintauchen und Versinken in der Lüge - anfangs widerstrebend und zögernd, ungläubig, jede Falschheit und Heuchelei der Erwachsenen mühelos durchschauend. Wie ein gewaltiger Schraubstock wirkte die Lüge, senkte sich unmerklich langsam auf uns herab und quetschte uns in die Pressform des Zeitgeistes, jene Modellsammlung von Ideologien, Moralvorstellungen und Denkweisen, die uns vom Blick auf die Wahrheit fernhalten soll, die uns der Liebe entwühnt, der einzigen echten Nahrung für unsere Seele.
Widerstand ist sinnlos und wir leisten ihn nicht lange. Die Schmerzen der Isolation und der Einsamkeit als kleines, schwaches Kind im Kampf um Wahrheit und die LIebe, die wir wie einen SChatz in uns tragen, überwiegen nach und nach die Schmerzen der Gewöhnung an die Lüge und lassen Heuchelei und Anpassung an den Wahnsinn als das kleinere Übel erscheinen. Anfangs erkennen wir noch, dass Zuckerbrot und Belohnungen, die uns die Schmerzen des Lügenlernens betäuben helfen sollen, reines Gift sin, dass es nur die Bestechungsgelder der "normalen Welt" der Lüge sind, die Ersatzdroge für die Liebe. Anfangs versuchen wir sie noch zurückzuweisen, weil unsere Sinne und unser Herz das Gift erkennen, doch dann lassen unsere Kräfte nach. Strafen geben uns den letzten Anstoss, das Falsche als das "normale" zu akzeptieren, und uns mit den Brotkrümeln im Keller des Hauses der Wahrheit abzufinden.
Verwundet, zögernd und noch unbewusst hungernd nach dem Wesentlichen, später dann sogar um jeden Preis wollen wir ins das falsche Leben hineinwachsen, wollen mitmachen und dabei sein - einfach, weil die Einsamkeit des Erkennens der Wahrheit unerträglich ist, weil scheinbar niemand da ist, der die eigene Warhnehmung teilt, weil fast alle Älteren die eigene Vergangenheit im Licht schon vergessen haben. Bis wir schliesslich ganz aufgeben und uns in brave, voll angepasste Mitglieder der Gesellschaft verwandeln, die jedes falsche Spiel mitspielen.
Schwachen Trost für manche, machtvolle Selbsttäuschung für viel spenden die Gedanken: "Wenn ALLE so handeln, kann es so falsch nicht sein. Wenn ALLE so fühlen, muss es richtig sein. Ich bin derjenige, der verrückt ist, wenn ich sehe, was ich sehe, wenn ich spüre, was ich spüre." - So schwindet allmählich die Erinnerung an die Zeit des Anfangs, an die Zeit der Wahrheit und Liebe.
Die falsche Welt lehrt uns, das Leiden an ihr und die Schmerzen des ausgehungerten Herzens mit gedanklichen Winkelzügen zu verschleiern und zu betäuben: Blanke Habgier und gelber Neid verwandeln sich in lobensweren "Ehrgeiz" und verdienstvolles "Erfolgsdenken". Angst nennen wir "Zurückhaltung", "Takt" und "weise Vorsicht". Lähmende Trägheit wird zu "Lebenskunst, Gelassenheit, Muße". Gereizte Ungeduld heisst "frohe Erwartung, schöpferische Unrast, Euphorie". Man spendet Applaus für konfuse Gefühlsausbrüche und banale Hobbys und nennt sie "Kreativität" und "Kunst". Körperliche Lustgefühle und benebelte, angenehme Gefühlsverwirrungen, die so schnell gehen wie sie kamen, verwechselt man auf Geheiss der Experten mit "Liebe". Rachedurst und Unversöhnlichkeit lassen Psychotherapeuten entschuldigend von "Kindheitsschock", Pfarrer vom "Zorn des Gerechten" und Politiker von "Geradlinigkeit" sprechen. Schliesslich wird der Schleier so dicht, dass er wie eine Mauer wirkt, die ein Gefängnis umschliesst, und die Freiheit vor ihren Toren vergessen macht. Alle altgedienten Insassen helfen uns, die eigene Zelle wohnlich einzurichten, und bringen uns die Sprache des Gefängnisses bei: Das Gefängnis nennen wir zuletzt "die Welt, so wie sie ist".
Jeder Blick nach draussen, jede Botschaft, die auf Freiheit ausserhalb der Mauern hinweiss, wird schliesslich zur Bedrohung unseres eingebildeten Friedens. Früher töteten wir die Botschafter von draussen, die Freiheitshelden, die uns unsere Wirklichkeit vor Augen führten, heute ignorieren wir sie oder bekämpfen sie mit der fürchterlichsten Waffe, die es gibt: mit unseren Gedanken. Und dennoch, für Sekunden dringt manchmal ein Lichtstrahl durch die Mauern, durch die kleinen Lücken, die unser Gespür freilässt. Um ihn abzuwehren, haben wir den Zwang zur Rechtfertigung und Erklärung erfunden. Pausenlos rechtfertigen wir uns, vierundzwanzig Stunden am Tag, um unseren inneren Kern, den Ort, an dem unser unfehlbares Gespür sitzt und wacht, betäubt zu halten und dem Licht, das es aussstrahlt, nicht zu gestatten, die Wirklichkeit zu beleuchten - die Tatsache nämlich, dass wir jederzeit dem Gefängnis entkommen können.
Wir rechtfertigen oder bekämpfen Gewalttätigkeit und erklären sie nur "Natur" des Menschen, statt zu erkennen, was sie ist: Immer der SChmerzruf einer Seele, die endlich einmal bedingungslos geliebt werden will, weil es ihre einzige Nahrung ist. Wir rechtfertigen Bequemlichkeit und erklären sie zu "angeborenen" Trägheit es Menschen, statt zu erkennen, was sie ist: Immer das Signal einer Seele, die sich gegen den absurden "Lebenssinn", den ihr die Welt aufgeschwatzt hat, wehren will, aber ohne Gefühl für Richtung und ohne mutige Entschlossenheit angstvoll und hilflos bleibt. Wir rechtfertigen Habgier und erklären sie zum "gesunden Ehrgeiz", statt zu erkennen, was sie ist: immer der Versuch eines ausgetrockneten Herzens, in seiner Angst vor dem Tod die Gefängniszelle zu vergolden. Wir rechtfertigen Atomkraft und Gentechnologie und erklären sie zum Ausdruck des "angeborenen Forscherdrangs" des Menschen, statt zu erkennen, was sie bedeuten: immer der Ausdruck eines angstvollen Geistes, der alles unter Kontrolle haben will, und nicht erkennt, dass der Mensch schon vollkommen ist, wie er ist, dass die Natur alles schenkt, was er braucht, dass er den Schlüssel zur Gefängniszelle in der eigenen Tasche trägt. Ausdruck eines Geistes, der nicht erkennen will, dass alles, was unvollkommen ist, seinem eigenen Denken und Fühlen entspricht, von Anfang an.
Endlos rechtfertigen wir, und vielen von uns gelingt es sogar, die Erinnerung an die Wahrheit, Freiheit und Liebe so sehr zu vergessen, dass sie sich den Rest ihres Lebens mit einem Schatten des wahren Glücks zufriedengeben und ihre Tage damit verbringen, die Gitterstäbe der Gefängniszelle zu vergolden oder rastlos von einer Zelle zur anderen wandern, in der Selbsttäuschung, dass sich damit etwas ändert oder verbessert.
So ist es, seit langer Zeit.
Also lasst uns im Regen fröhlich umherspringen, laut unter Dusche singen ohne uns darum zu scheren, was wohl die Nachbarn denken könnten, nachts auf Dächer steigen und zu den Sternen sprechen, Karaoke mit Blumen singen, einfach wir selber sein ohne ständig daran denken zu müssen, wie man sich als "Erwachsener" denn angeblich zu benehmen habe;
Respekt und Fröhlichkeit zu verbreiten ist viel wichtiger.
Denn nur wer sich sein inneres Kind bewahrt hat, darf sich ernsthaft "erwachsen" nennen!
Gruss
Wer nur Stroh im Kopf hat, sollte sich vor dem Funken der Wahrheit in acht nehmen.