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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

13 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Justiz, Alternative, Zeitgemäß ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Begründung: Thema bereits vorhanden, Diskussion bitte dort fortsetzen: Wir sollten Gefängnisse langfristig abschaffen
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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 14:18
Dieser Thread soll einen neuen Umgang mit Gewalt diskutieren. Es geht um transformative Gerechtigkeit, also darum, Sicherheit vor Gewalt zu gewährleisten, ohne dass Dinge wie Inhaftierung oder Bestrafung benötigt werden.
Transformative justice hat das Ziel, Menschen, die Gewalt erfahren, eine unmittelbare Sicherheit sowie langfristig angelegte Heilungs- und Wiedergutmachungsprozesse zur Verfügung zu stellen, indem gewaltausübende Personen in und durch ihre Umfelder zur Verantwortungsübernahme bewegt werden. Diese Form der accountability beinhaltet dabei die Gewalt unmittelbar zu unterbrechen, die Verpflichtung, zukünftig keine Gewalt mehr auszuüben, und Angebote zur Wiedergutmachung für die verübten Grenzverletzungen.
Quelle: https://www.transformativejustice.eu/de/was-sind-community-accountability-kollektive-verantwortungsuebernahme-transformative-justice-transformative-gerechtigkeit/

Dazu gibt es ein Interwiev, das, wie ich finde interessante Denkanstöße gibt, wie wir unsere Justiz und die Gesellschaft an sich bessern könnten. Vielleicht wäre es sogar möglich, ganz ohne Gefängnisse auszukommen.

https://taz.de/taz-Sonderausgabe-zu-Utopie/!5964901/

Ich will das kurz zusammenfassen: Mensch tut etwas böses und muss ins Gefängnis, wird also aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Wie Rückfallquoten zeigen, ist Bestrafung oder "Rache" bei Gewalttätern nicht wirklich wirkungsvoll. Bei transformativer Gerechtigkeit geht es darum, herauszufinden warum der Mensch gewaltätig ist, und ihm die Chance zu geben sein Verhalten zu ändern ohne ihn auszuschließen. Es geht darum, Menschen zu begleiten und als Gemeinschaft die Sicherheit für Betroffene wiederherzustellen.
Gewalt ist oft facettenreich und subjektiv. Ausgangspunkt sollte sein, der von Gewalt betroffenen Person zu glauben. Betroffene von Gewalt sollten nichts beweisen müssen. Das ist im staatlichen Strafsystem aber noch anders, in dem das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt. Betroffene sind also in unserem jetzigen Justizsystem nicht wirklich geschützt. Bei Transformativer Gerechtigkeit liegt der Fokus nicht auf Rache und Bestrafung, sondern auf Heilung und auf Veränderung von Verhalten und Strukturen. Es geht darum, Menschen zu begleiten und als Gemeinschaft die Sicherheit für Betroffene wiederherzustellen
Es bedeutet aber auch, die Person, die die Gewalt ausgeübt hat, in der Aufarbeitung ihrer Taten zu begleiten. Außerdem nimmt man auch die Gruppe in Verantwortung: Müssen wir über Bilder von Männlichkeit reden oder über Alkoholkonsum in Räumen nachdenken? Wie sprechen wir miteinander? Wo ist Raum für Unsicherheiten, wo für Emotionen? Wie stark ist das gegenseitige Vertrauen? Das und vieles mehr hat Einfluss darauf, wie Gewalt entsteht.
Was haltet ihr von transformativer Gerechtigkeit, und wäre zeitgemäß unser Justizsystem zu revolutionieren? Denn im Grunde sieht es so aus:
In vielen Köpfen herrscht ein binäres Denken, das heißt, man denkt, alles ist entweder gut oder schlecht. Im Strafsystem findet sich das in Begriffen wie „Täter“ und „Opfer“ wieder. Das gewaltvolle Erlebnis wird damit zur Identitätszuschreibung. Damit ist kaum Platz für Veränderung.
Quelle: https://taz.de/taz-Sonderausgabe-zu-Utopie/!5964901/


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 14:37
Hannah Hettich ist 28, aus Wien, hat gerade den Master (also ein Diplomstudium) in Internationaler Entwicklung abgeschlossen, ist also nicht mal Juristin. Über diese Angaben zur Person aus der TAZ findet sich nichts Weitergehendes im Netz. Konkretes sagt sie auch nicht, nämlich wie dieses Konzept umgesetzt werden könnte.

Das angeführte Kollektiv Radix in Wien besteht aus acht Leuten, die Workshops an Schulen für Erwachsene, für politische Gruppierungen anbieten. Themen: Wirtschaftswachstum, Klima, Arbeitswelt, Aktivismusschulung und eben auch (drei Leute) Transformative Gerechtigkeit.

Wenigstens outet sich nun eine der drei Personen, auf der Webseite des Kollektiv Radix ist kein Name angegeben, wer diese acht Leute überhaupt sind. Zum Thema haben sie letztes Jahr ein dreitägiges Workshop in Wien durchgeführt. Beschreibung auf kollektiv-radix.at.

Dort steht auch nicht viel mehr. Für mich kein Ansatz, mehr dazu beizutragen, außer dass sie aus Wien sind.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 14:46
@Narrenschiffer

Es gibt da noch einen sehr interessanten Ansatz: Kollektive Verantwortungsübernahme. Also anstatt die Polizei zu rufen wenn etwas passiert, wird im Vorfeld versucht diese Gewalt erst gar nicht enstehen zu lassen. Geht natürlich auch nur in einem begrenzten Umfeld oder in Gemeinschaften.
Erarbeitung und Umsetzung von WERTEN UND PRAKTIKEN, die sexualisierter Gewalt und Unterdrückung entgegenstehen sowie Sicherheit, Unterstützung und accountability gewährleisten
Herstellung von SICHERHEIT UND UNTERSTÜTZUNG von Angehörigen des Umfelds, die von Gewalt betroffen sind, wobei deren SELBSTBESTIMMUNG RESPEKTIERT wird
Entwicklung von nachhaltigen Strategien zum UMGANG MIT GEWALTAUSÜBENDEN ANGEHÖRIGEN DES UMFELDS und Erarbeitung eines Prozesses, damit sie die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen und ihr Verhalten transformieren können
Verpflichtung zu einer kontinuierlichen Weiterbildung aller Angehörigen der community und der community an sich, um die POLITISCHE BEDINGUNGEN ZU TRANSFORMIEREN, die Unterdrückung und Gewalt ermöglichen“
Quelle: https://www.transformativejustice.eu/de/was-sind-community-accountability-kollektive-verantwortungsuebernahme-transformative-justice-transformative-gerechtigkeit/


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:15
Ehrlich gesagt ist es kein Geheimnis, dass man was am System ändern muss. Das Problem ist lediglich das man damit keine Wahl gewinnen kann und dadurch wird es nicht gemacht.

Gefängnisse abschaffen wäre gut aber leider nicht machbar. Der Weg dahin ist also das Ziel, sprich so viele Verbrechen verhindern wie möglich. Leider denkt der Volksmund sehr alt, nämlich das dies mit härteren Strafen zu erreichen wäre.
Zitat von SchnapspralineSchnapspraline schrieb:Gewalt ist oft facettenreich und subjektiv. Ausgangspunkt sollte sein, der von Gewalt betroffenen Person zu glauben. Betroffene von Gewalt sollten nichts beweisen müssen. Das ist im staatlichen Strafsystem aber noch anders, in dem das Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt.
Das hier übrigens ändern zu wollen ist Blödsinn, es ist schon ganz gut so, dass der Staat dem Täter die Tat nachweisen muss.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:21
Zitat von Ray.Ray. schrieb:Das hier übrigens ändern zu wollen ist Blödsinn, es ist schon ganz gut so, dass der Staat dem Täter die Tat nachweisen muss.
Ja und so lange z.B. Vergewaltiger nicht zu ihrer Tat stehen, ist Gefängnis angebracht, wenn einer überführt ist. Der sitzt dann halt für die anderen mit.

Ernsthaft. Wie will die Allgemeinheit denn so einen auf dem rechten Pfad halten? Gerade erst wurde wieder ein Obdachloser von Jugendlichen ermordet. Wer will das denn als Bürger verhindern, bei der hohen Anzahl von Kriminellen unter uns?


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:26
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Der sitzt dann halt für die anderen mit.
Blödsinn, niemand sitzt für andere mit. Das wäre ja noch schöner.
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Wer will das denn als Bürger verhindern, bei der hohen Anzahl von Kriminellen unter uns?
Indem man mehr Geld in die Prävention steckt und dieser einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft verpasst.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:29
Zitat von Ray.Ray. schrieb:Indem man mehr Geld in die Prävention steckt und dieser einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft verpasst.
Wie soll die z.B. bei Mördern oder Totschlägern VOR der Tat aussehen? Nachher ist es doch eh zu spät. Der Verbrecher lebt nach paar Jahren sein Leben als wäre nichts aber tot ist tot und das für immer, da gibt es keine zweite Chance.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:36
Die deutsche Sicherheitsgewahrsam ist doch bereits sehr viel Resozialisierung.

Ich hatte damals nur ein Semester Jura studiert, aber selbst da habe ich in Strafrecht mitgenommen,
dass es maßgeblich darum geht, dass man den Straftäter daran hindern möchte, dass er diese Straftat
noch einmal begeht. Das ist zumindest in Deutschland die Prämisse.
Hier geht es nicht so sehr um Strafe und Vergeltung wie in anderen Ländern.

Unsere Gefängnisse sind oftmals besser als die Wohnungen, Studentenbuden oder Krankenhäuser
in vielen anderen Ländern. Es gibt sogar Yoga-Kurse für Gefangene.

Da sieht das Gefängnis in anderen Ländern z.B. in den USA ganz anders aus.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:44
Gefängnisse abschaffen finde ich nicht die Lösung. Opferschutz und Schutz der Allgemeinheit sollte immer Vorrang haben. Ich glaube nicht, dass das ohne Gefängnisse und ohne Haftstrafen möglich sein wird.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:52
hatten wir doch schon

Wir sollten Gefängnisse langfristig abschaffen


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:56
Zitat von Frau.N.ZimmerFrau.N.Zimmer schrieb:Wie soll die z.B. bei Mördern oder Totschlägern VOR der Tat aussehen? Nachher ist es doch eh zu spät. Der Verbrecher lebt nach paar Jahren sein Leben als wäre nichts aber tot ist tot und das für immer, da gibt es keine zweite Chance.
Es gibt ja noch viel mehr Straftaten als diese beiden extremen und die haben oft ähnliche Wege. Da kennt man also Faktoren. Bei den von dir genannten Straftaten kann es die auch geben, jedoch sind die nicht immer gut zu erkennen, das muss ich zugeben. Wenn jedoch jeder lernt seine Aggression zu erkennen und zu bekämpfen wird man auch diese reduzieren.

Übrigens keiner der ein lebenslang hinter sich hat, lebt sein Leben als wäre nicht gewesen. Du hast nämlich oft genug keins mehr.


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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 17:58
Zitat von SuiGenerisSuiGeneris schrieb:Unsere Gefängnisse sind oftmals besser als die Wohnungen, Studentenbuden oder Krankenhäuser
in vielen anderen Ländern. Es gibt sogar Yoga-Kurse für Gefangene.
Und was soll man daraus schließen?


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Doors ehemaliges Mitglied

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Sind Gefängnis und „Im Zweifel für den Angeklagten“ zeitgemäß?

27.10.2023 um 18:24
Um auch noch mal auf die zweite Hälfte des Thread-Titels einzugehen:

In dubio pro reo (Im Zweifel für den Angeklagten) sollte in einem zivilisierten Rechtsstaat natürlich immer gelten. Was wäre denn die Alternative? Pauschales "Rübe runter!"?


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