@Atrox In meiner "linken Subkultur" Anfang der 1970er wurde Fussball als "proletarischer Sport" (vgl. die zahlreichen Arbeitersportvereine einst und Migrantensportvereine jetzt) angesehen. Wer keinen Fussball mochte, galt als dekadenter Abweichler. Aber damit konnte ich leben.
Darf man als Linker also Fussball gucken? Ist das nun ein proletarischer Massensport oder eine kapitalistische Ausbeutungs- und Ablenkungsmaschinerie. (Kompromiss: Bundesliga = böse, alles darunter = gut) Die DKP-Genossen hielten 1974 natürlich den volkseigenen Balltretern im Volks(!)parkstadion die Stange bzw. reichten ihnen das Sparwasser.
Es ist natürlich immer so eine Gratwanderung, wie ich Bewusstsein und Sein unter einen Deckel bringe. Ich kann mich an Diskussionen innerhalb der westdeutschen revolutionären Linken erinnern, in der es darum ging, ob man als Antifaschist VW Käfer fahren dürfe, oder ob der Antiimperialist Jeans tragen dürfe. Darf ich als Kommunist Wein statt Bier trinken? Wo Bier doch proletarisch ist, Wein hingegen bourgeois. Krimsekt durften ohnehin nur die Revisionisten von der DKP saufen. Die tranken sich ihren Parteiladen schön.
Atrox schrieb:Den Zusammenhang zwischen politischer Gesinnung und Sport-Faszination musst du mal erklären.
Zum Thema Bert Brecht und die Vorliebe für's organisierte Hauen verweise ich auf den nachstehenden Link, aus dem ich kurz zitiere:
"Obwohl Brechts Liebe zum Sport platonisch war, schätzte er den Boxsport sehr – weil er richtig gefährlich war. Als die Boxhandschuhe zum Schutze der Sportler eingeführt wurden, hielt er das für den Ruin des Sports. Sowieso, konstatiert Brecht, "ist Sport aus Hygiene etwas Abscheuliches". Es geht nicht um kultivierte Gesellschaftsfähigkeit, nicht um einen über sich selbst hinausweisenden Zweck."
Quelle und viel mehr Text dazu:
https://www.berliner-ensemble.de/mehr-der-lebenslauf-des-boxers-samson-koernerIch persönlich würde Brecht in einem politischen Spektrum eher als "links" einschätzen.
Auch Fussball-Fan Eckhard Henscheid und F. W.Bernstein (eigentl. Fritz Weigle), beide "Pardon" und "Titanic" Urgestein, würde ich nicht auf die "rechte" Seite packen.