@RoterApfel Als jemand, der schon viele Jahre älter ist und der langjährige berufliche Erfahrung in der Arbeit mit Ausländern und Behörden hat, möchte ich mich hier mit einem Rat anschliessen:
Du und sie, Ihr beide solltet einmal Luft holen, einen Schritt zurücktreten, und die Situation überblicken:
A) Du bist offensichtlich ein herzensguter Mensch, EU-Bürger, verliebt, aber hast noch nicht viel Lebenserfahrung
B) Sie ist offensichtlich ein lieber Mensch, fast noch teenager, vermutlich aber durch die Erfahrungen der letzten Monate "älter" als typische Gleichaltrige. Sie ist von ihren liebsten Menschen getrennt, muss sich grosse Sorgen um sie machen, lebt in unangenehmen Umständen in einem fremden, und Fremden gegenüber oft sehr kalten Land.
C) Da sind noch ihre Eltern, sie sitzen in einem Land, das in Ruinen liegt, wo immer noch die Gefahr besteht, dass halsabschneidende Horden einfallen und jeden massakrieren, die deshalb ihre Kinder auf eine gefährliche Reise gesandt haben, in ein fremdes Land, von dem man nicht nur Gutes hört. Sie wissen nicht, was aus den anderen beiden Kindern geworden ist und hören nun, dass ihre Tochter eine Art Beziehung hat mit einem sehr jungen Mann den sie nie gesehen oder gesprochen haben, von dem sie kaum etwas wissen, dessen Leben sie sich gar nicht vorstellen können.
Man braucht kein Moslem zu sein um in so einer Situation eine Heidenangst um seine Tochter zu haben und vor lauter Sorgen nicht ein noch aus zu wissen. Als Vater einer Tochter kann ich das locker nachvollziehen.
So, und nun ergibt sich aus der Sache was?
Gerade weil die Eltern sich vermutlich sowieso Riesensorgen machen, kann es durchaus sein, dass die Tochter bisher vermieden hat, ihnen von ihrem deutschen Freund zu erzählen. Ich selbst habe mehrere syrische Mandanten und kenne inzwischen ein wenig die Gepflogenheiten in Syrien. Wenn es um Beziehungen und Heirat geht, sind die eben dort ganz anders als in Deutschland, egal welcher Religion die Syrer angehören. Wann immer sich dort zwei Menschen verlieben, geschieht nichts ohne die Beteiligung beider Familien. Eltern, Brüder und so weiter nehmen an der Sache einen regen Anteil, das ist erst einmal gar nicht negativ zu betrachten, sondern ist einfach nur Ausdruck des ganz anderen Familienzusammenhalts dort.
Nun versuche nachzuvollziehen, wie sich das den Eltern darstellt, was Ihr beide habt: komplett ungewöhnlich, unbekannt, daher Angst machend.
Wenn aus Eurer Beziehung etwas werden soll, dann musst Du versuchen, diese Gefühle zu verstehen und aufzufangen. Eure Beziehung ist im Kern typisch für die gesamte Lebenssituation dieser Familie: hin und her gerissen zwischen dem, was sie kennen, was ihnen auch Geborgenheit vermittelt, und einer neuen unbekannten Welt die erst einmal Angst macht. Auf der anderen Seite aber einer Welt, die ihrerseits Sicherheit und Zukunft verspricht, auch gerade in deiner Person.
Das bringt jedes 17-jährige Mädchen an die Grenze ihrer Fähigkeiten, damit umzugehen.
Und Du selbst siehst ja auch, wie es an Dir zerrt. Als 20-jähriger Europäer hast Du auch keine Ahnung, wie man mit dieser grossen Verantwortung umgeht. Denn Verantwortung für dieses Mädchen hast Du jetzt.
Also, was tun:
1) Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen. Ich befürchte, das alles auf allmy zu diskutieren bringt Euch nichts als noch mehr Kopfweh.
2) Es gibt genug Beratungsstellen und ehrenamtliche Professionelle, die Euch schnell und vor allem zuverlässig über ein paar Dinge aufklären könnnen: ihren rechtlichen Status. Ihre rechtlichen Möglichkeiten, nachdem sie 18 wird. Was eventuell eine Heirat mit einem EU-Bürger für ihren Aufenthaltsstatus bedeutet. Was aus ihrem Status ohne eine Heirat wird. Welche Bedingungen für ein gemeinsames Wohnen vor und nach ihrem 18. Geburtstag existieren.
Diese Fragen bringst Du hier immer wieder. Hier wirst Du keine verlässliche Antwort finden. Die Fragen können aber alle an einem Nachmittag beantwortet werden: mache einen Termin in einer professionellen Flüchtlingsberatungsstelle oder bei einem Rechtsanwalt. Wenn es sein muss, zahle eine Beratungsgebühr, Du wirst dafür "peace of mind" erhalten.
3) Wenn diese Bürde der Unsicherheit von Euch genommen ist, schaut realistisch Eure Möglichkeiten an. Redet miteinander über die Gefühle, die in jedem von Euch sind. Drängel nicht auf eine Konversation mit den Eltern sondern werdet Euch erst einmal darüber im Klaren, ob die Zeit dafür überhaupt schon gekommen ist.
Und wenn, dann geht das behutsam an. Auch da kann es -muss aber nicht - hilfreich sein, professionelle Hilfe dazu zuholen. Findet heraus, welche Ängste auf allen drei Seiten existieren und wie man sie abbauen kann.
4) Konzentriert Euch auf das Positive: Ihr habt Euch. Sie ist sicher. Sie macht Fortschritte in der Integration. Seid jeden Tag dankbar für die kleinen Schritte und denkt nicht immer an das Übermorgen, bevor Ihr mit dem Heute und dem Morgen zurecht kommt.
Und nun: Viel Glück und Segen Euch beiden!