@Orion07 Die Sache mit dem Rechtsanwalt fällt dem durchschnittlich intelligenten Fünfjährigen aber nicht einfach so ein. Die Kinder gucken bzw. hören sich das von ihren Eltern ab. Das sind ihre Vorbilder und wenn die sich daneben benehmen können die Sprösslinge ja gar nicht anders, als es ihnen nachzumachen.
Wobei das extreme Anspruchsdenken, also das Denken, dass man immer im Recht ist und dann konsequenterweise direkt mit dem Anwalt droht, wenn die andere Seite da mal anderer Meinung ist, nur ein Teilaspekt des Problems ist. Ein anderer ist der, dass die Kinder, als Anhängsel ihrer Eltern, entsprechend natürlich auch immer im Recht sind. Dass also alles geduldet wird, was die Kids gerade so wollen. Egal wie störend das Verhalten für alle anderen ist.
So als Beispiel: Ich arbeite in einer Bibliothek. Wir haben regelmäßig eine Vorleseveranstaltung mit anschließendem Basteln und Kuchenessen für Kinder im Kindergartenalter. So weit, so gewöhnlich. Wären da nicht die Teilnehmer. Beim letzten Mal hat ein Vater einem der Kinder aktiv in einen unserer Bilderbuchtröge
hinein geholfen, wo es dann auf bzw. zwischen den Büchern stand und das Kuchenstück, dass es gerade in der Hand gehalten hat, hinein gekrümelt hat. Hab noch zu meiner Kollegin gesagt, dass da jemand die Bezeichnung "Trog" wohl ein bisschen zu wörtlich nimmt. Andere Kinder sind mit ihrem Kuchen wild in der Bibliothek herum gerannt. Später haben wir dann zwei Bücher gefunden, die so mit Schokoklasur vollgesaut waren, dass sie in den Müll wanderten.
Wir trauen uns aber schon gar nicht mehr, die Eltern darauf hinzuweisen, dass sie doch bitte mal ihrer Erziehungspflicht nachkommen sollten bzw. das Fehlverhalten ihrer Kinder nicht sogar aktiv unterstützen sollten, weil das entweder zu massiven Diskussionen führt oder wir von den Eltern geradezu manisch angegrinst werden, nur um dann festzustellen, dass die Kids beim nächsten mal wieder die gleiche Show abziehen. Auf den Kuchen z.B. können wir aber auch nicht verzichten, weil das bei den wenigen Versuchen, die wir unternommen haben, zu massiven Protest von Seiten der Eltern führte.
Wie du es machst, machst du es also falsch.
Und das zieht sich natürlich immer weiter und führt letztendlich dazu, dass diese Kinder keinen Respekt haben, wenn ihnen mal jemand eine Ansage macht, weil sie es nicht gewohnt sind, einer Aufforderung nachzukommen.
Da wir an eine Schule angeschlossen sind und die Kinder der Gesamtschule ihre Pausen gerne bei uns verbringen - wir sind zu zweit und an der Theke vollauf beschäftigt, es gibt aber bei uns von Seiten der Schule auch keine Pausenaufsicht und das auf 100+ SuS je Pause in der Bibliothek - sehen wir jeden Tag, was das Ergebnis ist.
Beliebte Pausenspiele: Mitschüler mit den Sitzkissen, die wir in einem Bereich haben, fast ersticken; mit den Drehstühlen gegen den DVD-Ständer fahren und schauen, wer dabei die meisten DVDs zu Boden wirft, Lautsprecher irgendwo zwischen den Regalen verstecken und sich, während man lauten Krach abspielt, dabei beömmeln, wie die ollen Mitarbeiter die Quelle des Lärms suchen und last but not least: Den alarmgesicherten Notausgang öffnen, rausrennen und sich dabei schief lachen, weil deswegen jedes Mal in der Bibliothek ein ohrenbetäubender Sirenenton losgeht.
Dass sich manch einer von uns daran erinnert, dass wir früher nicht so waren, liegt meiner Meinung nach allerdings nicht daran, dass Kinder und Jugendliche früher generell nicht so gewesen wären, sondern dass sich in solchen Fällen vor allem diejenigen zu Wort melden, die nicht so erzogen worden sind. Die gibt es aber auch heutzutage.
Die "Problemkinder" von früher haben halt keine Bluetooth-Lautsprecher verstecken können, weil es die noch nicht gab und Eltern haben ihren Kindern in der Bibliothek früher vermutlich nur deshalb nicht alles durchgehen lassen, weil solches Verhalten damals noch eher vom persönlichen Umfeld, dass man eben auch hin und wieder vor Ort getroffen hat, mit abschätzigen Blicken und Kommentaren abgestraft worden ist.
Dafür erinnere ich mich an andere hässliche Streiche, die manche Mitschüler anderen gespielt haben. Von Mobbing, das es früher ebenfalls schon gab, ganz zu schweigen. Der Gedanken, das damals alle liebe, wohlerzogene Engel waren, ist lachhaft.