Woher kommt der Ausländerhass?
18.11.2014 um 16:31
Weil sich viele so gern ein möglichst schlichtes Weltbild machen, das ihr Vorstellungsvermögen nicht überfordert, schaffen sie sich "den Ausländer".
Wer ist er denn eigentlich, "der Ausländer"? Wo kommt er her, was will er, was kann er...
Ist es der Däne, der Schweizer, der Kongolese, der Türke, der Iraker, der Japaner, der Brasilianer? Der, dessen Vorfahren vor Jahrhunderten nach Russland, Polen, Rumänien, Österreich ausgewandert sind? Der verfolgte irakische Christ, der vor dem Krieg flüchtende muslimische Syrer, der jüdische Israeli, der daheim nicht zum Militär will? Die ukrainische Zwangsprostituierte, der afghanische HNO-Arzt, der polnische Ingenieur, der russische Physiker, der türkische Comedian, der rumänische Maurer, die portugiesische Putzfrau. Nein, "der Ausländer" ist natürlich der polnische Autoschieber, das bettelnde Roma-Kind oder der kurdische Dealer. Ganz so, als gäbe es keine eingeborenen Vertreter dieser Berufsgruppen.
Es gibt keinen einheitlichen "Ausländer". Es handelt sich um Individuen wie Du und ich. Sind wir "Biodeutschen" (blödes Wort) denn alle gleich? Haben wir alle die gleichen Eigenschaften, Ansichten, Verhaltensweisen? Na, das will ich doch nicht hoffen!
Wie lange bleibt er Ausländer? Auch, wenn er hier geboren ist, die deutsche Staatsbürgerschaft hat, nur möglicherweise eine andere Hautfarbe, Haarfarbe, einen anderen Namen oder eine andere Religion hat - bleibt er auf ewig "der Ausländer"? Verändere ich mein Verhalten, wenn ich eine andere Staatsbürgerschaft annehme? Werde ich, um im rassistischen Klischee zu bleiben, Autoklauer, wenn ich die polnische Staatsbürgerschaft erwerbe? Oder Gangsta, wenn ich die türkische erwerbe?
Ich schrieb schon, dass Auslandsaufenthalte den Blickwinkel weiten. Möchte man so leben, wie manche Menschen in manchen Weltgegenden (über)leben müssen? Würde man dann nicht alles tun, um von da weg zu kommen? Wenn man nicht gleich von dort verjagt wird. So, wie es Millionen Deutsche getan haben, die durch den Eisernen Vorhang geflohen sind oder vertrieben wurden. Und wie möchte man dann an seinem Fluchtziel behandelt werden? Wie ein Mensch oder wie ein "Ausländer"?
Ich war im Laufe meines Lebens in vielen Weltgegenden, in denen ich es unter den dort herrschenden Bedingungen (Bürgerkrieg, Unterdrückung, Folter, Naturkatastrophen, Hunger) nicht lange ausgehalten hätte. Ich hatte stets ein Rückflugticket bei mir. Ich konnte der Hölle entkommen, wenn ich die Schnauze voll hatte. Die anderen waren zum Bleiben verdammt.
Ich lebe gern in der friedlichen und idyllischen Umgebung, in der ich nun mal zufällig zu leben mir erlauben kann. Warum also sollte ich kein Verständnis haben für die, die sich auch danach sehnen? Was hätte ich getan, wenn ich es mir hierzulande dreckig gegangen wäre? Wenn ich unter Krieg, Verfolgung und Not zu leiden hätte? Würde ich bleiben oder gehen? Mit Sicherheit gehen, koste es, was es wolle! Etwas besseres als den Tod finden wir überall, sagten sich die Bremer Stadtmusikanten. Warum also soll ich das Recht nicht auch anderen zugestehen?