@reach Optische Halluzinationen
Nachfolgend nur einige Hinweise zu den in diesem Zusammenhang interessierenden optischen Halluzinationen.
Optische Halluzinationen, auch Gesichts-Halluzinationen genannt, äußern sich z. B. in konturlosen optischen Erlebnissen in Form von Lichtern, Farben, Blitzen u. ä. Oder auch als mehr oder weniger deutliche Gestalten, Figuren, Szenen, statisch oder bewegt, farbig oder schwarz-weiß. Im Einzelnen in entsprechenden Fachbegriffen:
- Photome: Blitze, Funken, Flecken, geometrische Figuren oder ein undifferenzierter Licht- oder Farbenschein. Manchmal auch mehr oder weniger deutliche Gestalten sowie farbige oder schwarz-weiße Szenen, bewegt oder unbewegt, bis hin zu schnellen wechselhaften Abläufen.
- Visionen: szenisch ausgestaltete optische Halluzinationen, z. B. als farbenprächtige, leuchtende und detaillierte Bilder, Szenen und Gestalten, häufig religiös-mythologischen Charakters oder allegorische (sinnbildliche, gleichnishafte) Darstellungen. Entweder szenisch verändert oder unbewegt. In krankhafter Hinsicht eher selten, im Bereich des "Normalen" auch im Rahmen religiöser Ekstase, während der Meditation usw. möglich.
- Schnell wechselnde szenenhafte Abläufe, meist mit kleinen beweglichen Objekten wie Käfer, Würmer, Spinnen, Mäuse, sonstiges "Ungeziefer".
Wo kommen optische Halluzinationen vor?
Optische oder Gesichts-Halluzinationen gibt es vor allem bei der schizophrenen Psychose, allerdings seltener als vermutet. Am ehesten die szenisch ausgestalteten Visionen in religiöser Ekstase. Photome, also Blitze, Flecken, Licht- oder Farbenschein usw. finden sich besonders bei Erkrankungen des Auges, der Sehbahnen und der Hinterhauptslappen des Gehirns. So haben Epileptiker gelegentlich optische Halluzinationen, mitunter visionär-szenisch ausgestaltet. Endogen Depressiven mit Versündigungs- und Verdammungsgefühlen können bisweilen flüchtige Teufelsfratzen oder Schattenfiguren von Skeletten (Tod) u. a. erscheinen. Kleinere bewegte Gegenstände oder Tiere bedrohen vor allem den deliranten Alkoholkranken (oftmals auch den Kokainisten: "Kokain-Tierchen" unter der Haut). Bisweilen auch bei halluzinatorischen Verwirrtheitszuständen durch andere organische Psychosen (Geisteskrankheiten mit körperlich fassbaren Ursachen) möglich.
Insgesamt gesehen sind optische Halluzinationen weitaus weniger spektakulär, wie man sich dies in der Allgemeinheit vorstellt. Das, was vor allem bei schizophrener Erkrankung als schockierend empfunden wird, sind Leibhalluzinationen oder leibliche Wahrnehmungstäuschungen. Einzelheiten dazu siehe die Begriffe zoenästhetische Halluzinationen, Leib-Halluzinationen oder leibliche Wahrnehmungsstörungen in dem speziellen Kapitel über die Halluzinationen.
Halluzinations-ähnliche Phänomene
Als den Halluzinationen nahestehende Phänomene, die in diesem Zusammenhang von Interesse sein können, gelten
"Physiologische Halluzinationen": normale, nicht krankhafte Trugwahrnehmungen während des Einschlafens (so genannte hypnagoge Halluzinationen) und während des Aufwachens (hypnopompe Halluzinationen). Meist auf optischem und akustischem Gebiet, also Gesichts- und Gehörs-Sinnestäuschungen mit oft stark gefühlsbestimmten Inhalten
. Vorkommen: wie erwähnt nicht krankhaft, stehen den Pseudo-Halluzinationen (siehe unten) nahe. Gehäuft bei Narkolepsie (siehe diese).
Pseudo-Halluzinationen: Wahrnehmung von Sinneseindrücken ohne äußeren Sinnesreiz (Gehörtes, Gesehenes, Geschmecktes, Gefühltes, Gerochenes), die im Unterschied zu den eigentlichen Trugwahrnehmungen keinen Wirklichkeitscharakter besitzen und schon gar nicht als "von anderen gemacht und erzwungen" bezeichnet werden. Bildhafte Erlebnisse im Sinne "plastischer Vorstellungen". Der Trugcharakter wird aber stets erkannt ("nicht wirklich", "eingebildet").
Vorkommen: nach längerer intensiver Beschäftigung mit einem Gegenstand oder bei lebhafter Vorstellung aus entsprechender Gemütslage heraus. Fließende Übergänge zwischen Halluzinationen und Pseudo-Halluzinationen möglich. Bilden sich während der Pharmakotherapie (z. B. Neuroleptika) echte Halluzinationen zurück, können sie zeitweise den Charakter von Pseudo-Halluzinationen annehmen, also vom Kranken zunehmend als irreale Sinnestäuschungen erkannt werden.
Illusionäre Verkennungen: vom lateinischen: illudere = verhöhnen, verspotten. Verfälschte Wahrnehmung, d. h. Fehlwahrnehmungen, Täuschungen des Erkennens. Fehldeutungen von Sinneseindrücken, die aber durch ein wirkliches Objekt hervorgerufen werden. Tatsächlich vorhandene Gegenstände werden also in ihrer Bedeutung verkannt. Beispiele: Wanduhr als Fratze, Tapetenmuster oder Schatten als Gestalten. Klassisches Beispiel: Goethes "Erlkönig". Übergänge zu echten Sinnestäuschungen, zu Pseudo-Halluzinationen und Wahn-Wahrnehmungen (siehe unten) möglich. Vorkommen: durch Übermüdung, im Fieberzustand, bei Bewusstseinstrübung, in extremer Erwartungsspannung oder unter anderen starken gefühlsmäßigen Einflüssen. Begünstigt durch erschwerte Wahrnehmungsbedingungen wie Dämmerung, Nebel, lautes Stimmengewirr, aber auch hochdosierten Genussmittelkonsum (Kaffee, Alkohol) usw. Bei der schizophrenen Psychose vor allem auf akustischem Gebiet (Gespräche, Straßenlärm, Vogelgesang, Hundegebell, Motorengeräusch). Hier hat plötzlich alles eine andere Bedeutung, von der diffusen Bedrohung bis zur konkreten Beschimpfung. Auch bei Psychosen (Geisteskrankheiten) anderer Ursachen möglich (z. B. Kopf-Unfall, Vergiftung, Stoffwechselstörungen).
Pareidolien: "Hineinsehen", oder "Herausformen" in/aus unklar strukturierten optischen Erlebnisfeldern (z. B. Wolken, Tapeten, Mauerwerk, Teppichmuster). Nebeneinander von Gegenstand und Phantasiegebilde, jedoch keine illusionäre Verkennung (siehe diese). Vorkommen: von entsprechend begabten Gesunden aktiv auszulösen und steuerbar, ferner im Fieberdelir u. a.
Eidetische Bilder: wahrnehmungsähnliche Eindrücke von sinnenhafter Deutlichkeit, meist das Sehen und Hören betreffend. Vorkommen: nicht krankhaft. Eidetisch begabte Menschen können von eidetisch reproduzierten Bildern Einzelheiten wiedergeben. Sie wissen aber, dass es "Bilder" und keine realen Gegebenheiten, vor allem keine krankhaften Trugbilder sind.
VISUELLE HALLUZINATIONEN (Charles Bonnet-Syndrom - CBS)
Als visuelle Halluzinationen (visuell = das Sehen betreffend, mit den Augen wahrgenommen), manchmal auch etwas unglücklich als ophthalmologische Halluzinationen (also in etwa übersetzt mit: nicht psychiatrische, sondern augenärztliche Ursachen betreffend) werden Phänomene bezeichnet, die in der Tat nicht zum Kerngebiet seelischer Störungen gehören. Das dürfte der wichtigste Satz für die Betroffenen und ihre Angehörigen sein. Oder auf deutsch: Hier spielen nicht psychiatrische, insbesondere Geisteskrankheiten die entscheidende Rolle, sondern augenheilkundliche Ursachen, auch wenn psychosoziale Zusatz-Belastungen bahnend wirken können (s. u.).
Das war damals für den Erstbeschreiber, nämlich den bekannten schweizerischen Philosophen und Naturforscher Charles Bonnet aus Genf nicht so eindeutig erkennbar. Dabei traf es nicht nur seinen Großvater, sondern später auch ihn selber, wie er 1760 beschrieb. Soviel weiter kam man allerdings auch in den folgenden zwei Jahrhunderten nicht. Noch vor etwa 15 Jahren fand man in der Weltliteratur nur einige Dutzend Fälle beschrieben und folgerte daraus: Das Charles Bonnet-Syndrom ist selten.
Dies ist nach neueren Erkenntnissen ein Irrtum, den es zu korrigieren gilt, und zwar im Interesse von zahlreichen Betroffenen, die sich nur nicht getrauen mit diesen für sie vielleicht erschreckenden (wenn auch nicht extrem belastenden) Erscheinungen klar zu kommen.
Außerdem wird hier wieder eines deutlich, was die Medizin im Allgemeinen nicht gerade vorteilhaft dastehen lässt, nämlich eine mangelnde wissenschaftliche Kooperation (Stichwort: interdisziplinäre Verbunds-Studien) und die Neigung der Ärzteschaft im Allgemeinen und der Experten im Speziellen, nicht allzu gern und oft über "den Gartenzaun ihres eng umschriebenen Spezialgebietes" zu schauen. Oder kurz:
Das psychiatrisch relevante Phänomen der visuellen Halluzinationen findet sich kaum in der Psychiatrie, sondern - wenn überhaupt - in der Augenheilkunde (des älteren Patienten) beschrieben.
Hier wäre also eine wissenschaftliche und später praxis-relevante Zusammenarbeit sinnvoll, doch derlei beginnt sich erst nach und nach einzubürgern.
Aus diesem Grunde gab es bisher nur wenig gezielte Untersuchungen und - folgerichtig - keine allgemein akzeptierten diagnostischen Kriterien (kennzeichnende Merkmale, nach denen alle gleich diagnostizieren).
Wie definiert man ein Charles Bonnet-Syndrom?
Bisher gibt es noch immer keine allgemeinverbindliche Definition. Dafür ist man sich inzwischen darin einig, dieses Phänomen auf "visuelle Halluzinosen ohne eine gleichzeitige delirante, dementielle, psychotische, affektive oder neurologische Erkrankung mit Läsion der Sehbahnen zu begrenzen". Oder allgemein verständlich:
Es handelt sich um ein Phänomen, bei dem Halluzinationen (Sinnestäuschungen, Trugwahrnehmungen) so sehr im Vordergrund stehen, dass andere Symptome fast randständig erscheinen. Außerdem dürfen als Ursachen nicht in Frage kommen:
- ein Delirium oder Delir: desorientiert, wahnhafte Verkennungen, seelisch- körperliche Unruhe, Bewusstseinseinengung, Beispiel: Alkohol-Delir,
- eine Demenz: Geistesschwäche, z. B. durch höheres Lebensalter,
- eine Psychose: Geisteskrankheit wie beispielsweise Schizophrenie, aber auch durch körperliche Beeinträchtigungen auslösbar,
- eine affektive Störung: z. B. Depression
- oder eine neurologische Erkrankung, bei der die Sehbahnen im Gehirn geschädigt werden: z. B Epilepsien, Parkinson-Syndrom u. a.
Wenn dies alles also nicht vorliegt und trotzdem Halluzinationen auftreten, dann kann man sich über die mögliche Diagnose eines Charles Bonnet-Syndroms unterhalten.
Es liegen demnach optische Fehlwahrnehmungen vor oder - definitorisch exakter - so genannte Pseudo-Halluzinationen (siehe oben).
Meist handelt es sich um stereotype (immer wiederkehrende) optische (Pseudo-)Halluzinationen ohne Wahn bei psychisch gesunden älteren Personen und normalem Wachbewusstsein.
Diese Phänomene treten in der Regel nur kurzzeitig auf und haben vor allem keinen bedrohlichen Charakter. Oft beziehen sie sich auf immer das gleiche Objekt, das bei genauem Nachdenken häufig in einem lebensgeschichtlich bedeutsamen Zusammenhang steht.
Wie häufig ist ein Charles Bonnet-Syndrom?
Über die Häufigkeit dieses Phänomens gibt es keine genauen Daten. Der Grund ist nachvollziehbar und schon mehrfach angedeutet: Es handelt sich in der Regel um ältere (oft auch alleinstehende oder kontaktarme) Menschen, denen dieses Phänomen zwar nicht unbedingt Angst macht, aber darüber reden wollen sie auch nicht. Die Gründe sind bekannt. Wer will schon als geisteskrank eingestuft werden (denn Halluzinationen sind zusammen mit dem Wahn auch im Meinungsbild der Allgemeinheit die charakteristischsten Symptome einer Psychose oder Geisteskrankheit).
In Altenheimen wird man auf so etwas nur selten achten und in gerontopsychiatrischen Fach-Abteilungen muss man die schwersten Fälle betreuen, bei denen dann Wahn oder Halluzination wirklich zu einer (Alters-)Psychose gehören. Deshalb ist ein solches Phänomen in diesen Einrichtungen nur selten ein Problem.
Dagegen fand und findet man in Augenkliniken bei bis zu 10 bis 15% der älteren Patienten entsprechende Hinweise. Das legt zumindest die Vermutung nahe: Das Charles Bonnet-Syndrom ist häufiger als angenommen, nur eben aus verschiedenen Gründen verheimlicht bzw. nicht psychiatrisch diagnostiziert. Der Umstand, dass die Augenkliniken der Ort der Diagnose sind, legt also einen oder wahrscheinlich den entscheidenden Grund einer solchen Pseudo-Halluzination nahe, nämlich eine im fortgeschrittenen Alter verminderte Sehkraft.
Nachfolgend deshalb eine der interessantesten und wohl auch wegweisendsten Untersuchungen zu diesem Phänomen, wie sie 1996 in einer niederländischen Untersuchung in der international renommierten medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" von R. J. Teunisse und Mitarbeitern publiziert wurde (Einzelheiten siehe Literaturverzeichnis), in vorliegender Nutzung übersetzt von P. Allen (Franz Bardon-Forschung, 2001: www.geocities.com/franzbardon /CharlesBonnetSyndrome_d.html). Im Einzelnen:
Bei der groß angelegten niederländischen Untersuchung zum Charles Bonnet-Syndrom (CBS), bei der von 505 sehbehinderten Patienten der Universitäts-Augenklinik von Nijmegen 60 über komplexe visuelle Halluzinationen berichteten, ergaben sich folgende epidemiologische Erkenntnisse:
- Geschlechtsspezifisch waren mehr als doppelt so viel Frauen wie Männer betroffen (was auch mit dem jeweiligen Alter zu tun hat - s. u.).
- Das Alter variierte zwischen 46 und 98 Jahren, bei einem allerdings durchschnittlichen Alter von mehr als 75 Jahren.
- Das durchschnittliche Alter der Erstmanifestation (erstmaliger Ausbruch dieser visuellen Halluzinationen) lag bei 72 Jahren.
- Die Dauer des Phänomens zur Zeit der Untersuchung reichte von einem Monat bis zu 30 Jahren. Etwa die Hälfte hatte solche Phänomene erst seit weniger als einem Jahr, ein Drittel zwischen einem und 5 Jahren und der Rest seit mehr als 5 Jahren.
Vielleicht hilft dir das weiter.
Quelle:
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/bonnet.html