Rauer Umgangston in der Küche

Zu den beliebten Stars der modernen Gesellschaft gehören die TV-Köche.
Es existieren zahlreiche Shows, in denen lustige Showmans mit ihrer Kunstfertigkeit Menüs zaubern, welche die Zuschauer nachkochen oder in einem der Restaurants jener Köche genießen können.

Doch hinter den Kulissen und abseits der freundlichen Fernsehwelt gibt es zahlreiche Berichte über einen rauen Umgangston, ja direkte Beleidigungen und Mobbing, starken Streß, extreme Arbeitszeiten etc. in den Küchen der Gastronomie.

Viele Köche und Küchenhilfen klagen einerseits darüber - andererseits scheinen sie aber auch in einer Art trotzigem Stolz diese "rauen Verhältnisse" in den Küchen absichtlich am Leben zu erhalten.

Sehr deutlich zeigt das beispielsweise ein Zitat eines Sternekoches (Namen hab ich leider vergessen, wurde in einer Doku vorgestellt):"Wir mussten alle in der Ausbildung Scheiße fressen, also müssen das die Lehrlinge jetzt auch!"


Weshalb herrscht in den Küchen oft so ein rauer Umgangston, warum scheinen viele Köche und Gehilfen da regelrecht stolz drauf zu sein und das pflegen zu wollen, was könnte man dagegen unternehmen?

Habt ihr selbst auch schon Erfahrungen in der Gastronomie, in der Küche gesammelt? Wie waren diese?

Kc schrieb:Habt ihr selbst auch schon Erfahrungen in der Gastronomie, in der Küche gesammelt? Wie waren diese?

Ja, ich habe mal vor langer Zeit für eine Zeitarbeitsfirma als Küchenhilfe gearbeitet.
In einer Großküche war der Umgangston miteinander wirklich teilweise sehr rau. Es wurde viel gebrüllt, gestritten und war einfach nur extrem stressig. In einer anderen Großküche fand ich den Ton angenehmer, aber ich war auch nur kurz dort. In einem kleinen Betrieb war die Stimmung z.b. angenehm.
Sehr stressig fand ich es überall, würde auch heute nicht mehr in einer Küche arbeiten wollen. Weder als Küchenhilfe noch als Koch.

Kc schrieb:Weshalb herrscht in den Küchen oft so ein rauer Umgangston, warum scheinen viele Köche und Gehilfen da regelrecht stolz drauf zu sein und das pflegen zu wollen, was könnte man dagegen unternehmen?

Ist das dort besonders anders als wo anders?

Der Spruch Lehrjahre sind keine Herrenjahre ist ja allgemein bekannt und geht auch in diese Richtung. Kann mir nicht vorstellen, dass es in der Küche schlimmer zugeht als in Fabriken, Werkstätten oder am Bau.

@Kc

Ja, ist wohl so. Hab mal nen ehemaligen koch kennengelernt der mit seinen kollegen neue azubis in nem großen kochtoch eingeschlossen haben und da drauf rumgekloppt haben dann und der musste dann bis feierabend da drin bleiben. Das war wohl so ne art aufnahmeritual. Er fand das normal.

@Kc

Rauen Umgangston hast du überall, nicht nur bei Köchen. Er dient dazu, die Rangfolge zu zementieren, insbesondere unter Personen des gleichen Geschlechts. Auszubildende werden ohnehin viel zu viel verhätschelt. Die haben zu tun und zu lassen, was man ihnen sagt, mehr nicht.

Ich habe damals die BFE (Berufsfachschule für Ernährung) besucht. Und schon da ist es so gewesen. Man braucht ein extrem dickes Fell, dass ich leider nicht habe.
Klar, der Küchenchef steht ganz oben. Und er ist der, auf den gezeigt wird, wenn etwas nicht gut war. Deshalb steht er in der Küche und hat das Sagen. Klar, dass es extremer stress ist, und er dann auch mal laut werden kann. Schließlich ist er für die komplette Küche verantwortlich. Und geht "Scheiße auf Toast" raus, dann will der Gast natürlich den Küchenchef sprechen.

Ich kann das alles aus eigener Erfahrung bestätigen. Überdurchschnittlich hohe Arbeitszeiten, viel Stress, Hungerlöhne und schlechte Umgangsformen. Viele Unternehmen behandeln ihre Angestellten wie Leibeigene. Willkommen im 19. Jahrhundert.

@insideman

Ich habe in Hotels und Restaurants in der Küche gearbeitet, auch im benachbarten Ausland. Einmal hatte ich einen Job in einer Schokoladenfabrik, auch dort war Hektik aber so krass wie in der Gastronomie war es nirgends.

Bekanntlicherweise will der Gast ja sofort essen, egal wie voll es ist, damit nicht die Frage aufkommt:"Holen Sie die Tomatensuppe aus Italien?"

Im Büro ist das anders. Wenn um 3 Uhr Feierabend ist fällt der Aktendeckel und der Verdienst ist bestimmt nicht schlechter.

@KillingTime
@aseria23

Kann ich nicht verstehen.

Was ist so schwer und schlimm daran, aus Auszubildende mit Respekt zu behandeln und sich ihnen gegenüber vernünftig zu verhalten?

Ich bin jetzt zwar kein Azubi, schon gar nicht in der Küche, aber dafür, dass ich engagiert bin und gute Arbeit leiste, verlange ich auch Respekt.
Einem Ausbilder, der meint, mich beschimpfen oder gar körperlich anmachen zu müssen würde ich ganz schnell "Leck mich" sagen und zur Tür rausgehen :D

Das Arbeitsklima ist das einzige Klima, welches man selbst bestimmen kann.

Grundsätzlich herscht viel Hektik & Stress, jeder steht unter Zeitdruck & muss zusehen, dass er sein Gericht auf den Teller bringt. Wenn etwas länger dauert, weil etwa ein Lehrling etwas verpatzt hat, dann kann es durchaus sein, dass der Ton ein wenig schärfer wird. Dies sollte man allerdings als Lerneffekt betrachten & nicht als "persönliches Angehen".
In Handwerksbetrieben etc. sind Lehrjahre nicht umbedingt anders. Wenn etwas falsch gemacht wird, gibt es nun mal einen auf den Deckel. Lernprozess :ok:

Fazit: "Kommunikations-Killer" ist & bleibt der Zeit- und Leistungsdruck.

almiero schrieb:Im Büro ist das anders. Wenn um 3 Uhr Feierabend ist fällt der Aktendeckel und der Verdienst ist bestimmt nicht schlechter.

Natürlich ist es im Büro anders, ich habe aber andere Umfelder aufgezählt, wo ich mir nicht vorstellen kann, dass es dort weniger rau zugeht.

Kc schrieb:Was ist so schwer und schlimm daran, aus Auszubildende mit Respekt zu behandeln und sich ihnen gegenüber vernünftig zu verhalten?

Wir haben bei uns regelmäßig Auszubildende. Da gibts echt ein paar Perlen, die sind dann alle in meiner Abteilung, und die kann man auch alle frei laufen lassen, aber die überwiegende Menge von den Anderen ist Schrott. Dumm, unpünktlich, keine preußische Arbeitsmoral. Die kriegen dann nur Anweisungen geschnarrt, und wenns nicht klappt, Meldung an Vorgesetzten.

Eine Freundin von mir machte ihre Ausbildung zur Köchin in einem Sternerestaurant. Sie hat am Anfang auch viel geweint, aber sie hat sich durchgebissen. Man, die hat manchmal Storys erzählt...
Mittlerweile kocht sie mit Größen in dieser Branche. Was mir an ihr aufgefallen ist: sie ist warmherzig und verständnisvoll, hat sie aber Stress in der Küche wird sie auch mal laut und ungehobelt. Allerdings nicht nachtragend. Azubis werden auch knallhart aussortiert.
Sie sagt aber, die meisten wüssten dass der Ton eben dazugehört wenn es stressig wird.

Laut ihrer Aussage haben auch die meisten Sterneköche ein Alkoholproblem

Vor 15 Jahren habe ich auch mal in der Küche gearbeitet, war ein System-Gastro-Steakhouse, also nicht wirklich was Dolles, aber dort war der Stressfaktor auch unheimlich hoch und da man keine Zeit hatte zu diskutieren (manchmal muss es schnell gehen und da hast Du wirklich keine Zeit Bitte und Danke zu sagen :/), meinten auch viele brüllen und beleidigen zu müssen. Ein Ohr rein und das andere wieder raus, man kann ja laut(er) werden, nur sollte man es nicht übertreiben.

Habe mich mal auf übelste Weise mit meinem BoH-Manager (der Name allein lol) gestritten, so richtig mit ausrasten und beschimpfen :D, nach 10 Min anschreien haben wir uns dann in einen Nebenraum verzogen und die Sache unter vier Augen geklärt! Danach waren wir quasi die besten Freunde :D

Wir beide hatten einfach enorm viel zu tun und standen unter einem Mega-Druck...
Klar ist, dass es nicht immer so ausgeht, denke man sollte seine Azubis/Angestellten wie auch immer nicht verbraten...

Wenn der Ton in der Küche schon so rau ist, wie soll er denn unter Bauarbeitern sein?

@KillingTime

Eine mögliche Folge von miesem Umgang in der Ausbildung ist aber auch, dass potenziell gute Leute, die eben nur anständig behandelt werden wollen, keine Lust mehr auf den Job haben.

Also ich würde mal sagen: Gegenseitiger Respekt sorgt für ein besseres Arbeitsklima und für eine bessere Lernatmosphäre. Ich würde kaum besser arbeiten, wenn mich jemand "zur Sau macht", weil das eher Furcht vor Fehlern auslösen würde.

@Linner74

Der Ton ist dort bekanntlicherweise nicht der Feinste. Jede Arbeit ist anstrengend, aber die Arbeitsbelastung in der Gastronomie ist eine Andere, da jede Bestellung sofort erledigt werden muss.
Möglicherweise hat man sich verkalkuliert und es kommen doch mehr Gäste als erwartet. Es muss schmecken und darf nicht kalt sein. Hinzu kommt, dass die Gewinnspannen in dieser Branche nicht sehr hoch sind und dem entsprechend auch die Löhne.

Allerdings ist das nicht vergleichbar mit dem was ein Rettungssanitäter oder eine Krankenschwester leisten muss. Schließlich geht es neben dem hohen Stress und die Verantwortung für das Leben des Patienten.

@Kc

Ich behandele sie alle anständig, zumindest am Anfang. Wenn einer lernbegierig ist und Fragen stellt, würde ich nie aufhören. Aber wenn ich ständig hinterherlaufen muss, dann klinke ich mich irgendwann aus, und dann kann er sehen, wo er bleibt. Die Geheimrezepte für meine scharfe Sauce (um mal etwas Ontopic zu simulieren :D ), braucht nicht jeder zu wissen.

Kc schrieb: Doch hinter den Kulissen und abseits der freundlichen Fernsehwelt gibt es zahlreiche Berichte über einen rauen Umgangston

Wenn meine Verlobte das dritte mal, in der Küche versagt, Brülle ich auch los.^^
Ich vermute, für Küchenjobs, musst man ein synthetisches Fell haben.
ggf. verliert man die Nerven und Überblick.

Der raue Umgangston in der Küche und der immense Zeitdruck in der Küche sind doch bekannt? Wenn man sich in dem Bereich auf eine Ausbildung einlässt, weiß man doch in der Regel, was auf einen zukommt. Auch wenn ich selbst Anschreien und Beleidigen sicherlich nicht für ein adäquates Mittel halte, um seine Leute bei der Stange zu halten.

Bei meinem Freund stand zur Debatte, dass er eine Ausbildung zum Koch machen könne. Seine Mutter war ja ganz aus dem Häuschen und wollte ihn durch Drohungen sogar davon abhalten, sich etwas in einem anderen Bereich zu suchen. Da mein Freund allerdings eher der Typ "sensibler Künstler" ist, habe ich mich selbst vehement gegen diese Ausbildung ausgesprochen, gegen jeden Widerstand. Er wäre da auf jeden Fall dran zerbrochen, beziehungsweise hätte noch eine Ausbildung nicht abschließen können.

Wenn man weniger Geschrei und Druck haben will, muss man sich eben was in einem Büro suchen.

@Kc

Jo hab ich während meiner Kochausbildung selber erlebt. Koch ist halt nur ein Job für starke Nerven und Eier in der Hose. Da wird gnadenlos gesiebt und in Großküchen oder MEnsas, ist echt Rauher Wind.

Nun darf man aber auch nicht aus den Augen verlieren, Worum es geht.

Man arbeitet mit Nahrungsmitteln, es gilt den Ruf des jeweiligen Hauses zu verteidigen und gerade in der heutigen Zeit, bei einer gnadenlosen Geiz ist Geil Mentalität und schwindender Kaufkraft, kämpfen alle Gastronomischen Einrichtungen ums Überleben.

Der Gast ist der unumstrittene König und in der Heutigen Zeit, können sich die wenigsten einen mehrfachen Restaurant Besuch leisten, Es ist wieder zu etwas besonderem geworden, etwas, was einen schönen Abend und ein Erlebnis bringen soll.

Schludereien, wie ich sie von Mitlehrlingen und manchen Köchen oft erlebt habe, sind da absolut fehl am Platze.

Wer meint es schlendern lassen zu müssen, hat seine Berufswahl garantiert falsch gewählt.

In keinem anderen Beruf, trifft der Spruch mehr zu, der da heißt...

"Nur unter Druck, erzeugt man Diamanten"

Natürlich, giebt es auch die sogenannten SChleifer und A... löcher... aber kein Haus, kein Hotel, verschleißt Pesonal mit Absicht. denn gute Köche, sind gefragt.

Jedes Haus und jedes Hotel, das ein mieses Arbeitsklima bewust produziert und fördert, wird nicht lange am Markt bestehen. Oder in eine Fast Food Kategorie abrutschen.