Eine Stunde zu spät.

Habe gerade bei der Bild (jaa ich lese Bild aber nur weil die alle News auf einem Blick haben) einen Artikel gelesen.

http://www.bild.de/news/inland/unfaelle/nach-weihnachtsfeier-junger-tischler-von-s-bahn-erfasst-33763060.bild.html

Ein 25 Jahre alter Tischler wollte nach einer Weihnachtsfeier einen Freund anrufen, dass er ihn abholt. Er ging aber nicht ans Telefon, also ging er selber los und kürzte über die S-Bahn Gleise ab. Naja das Ende kann man ahnen.

Ich find das schlimm. Wenn ich mir vorstelle ein Freund oder ein Familienmitglied hätte mich angerufen ob ich ihn abholen kann und verunglückt dann, weil ich nicht rangegangen bin oder vielleicht "besseres" zu tun hatte.

Das müssen Schuldgefühle sein... Ich glaub ich ginge dran kaputt.

Ist euch sowas ähnliches auch schon mal passiert? Ein Anruf, der euch nicht erreicht hat. Eine Bitte, die Ihr abgeschlagen habt, ein Wunsch den ihr nicht erfüllt habt und dann ist was schlimmes passiert?

Oder andersherum. War es auch mal gut, dass ihr nicht "ja" gesagt habt, nicht ins Auto gestiegen seid. Hattet ihr ein komisches Gefühl und nein gesagt oder den Anruf verpasst?

@Spirit2015
aber nur weil man mich nicht erreicht muss man ja nicht gleich über die Schienen laufen........das hat ja dann mit meiner "Nichterreichbarkeit" nix zu tun, wenn jemand ein Risiko eingeht. Schlimmer wäre es, wenn ich, weil man mich nicht erreicht hat, nicht rechtzeitig zu Hilfe kommen konnte etc. Wobei auch das etwas ist, was man passiert, gab ja nicht schon immer Handys und die widerliche ständige Erreichbarkeit.

@Spirit2015

Spirit2015 schrieb:Ist euch sowas ähnliches auch schon mal passiert? Ein Anruf, der euch nicht erreicht hat. Eine Bitte, die Ihr abgeschlagen habt, ein Wunsch den ihr nicht erfüllt habt und dann ist was schlimmes passiert?

Ja. Ich hatte meine Arbeitsstelle gewechselt, und damals zu meinem alten Chef gesagt, ich komme bald mal wieder, nen Kaffe trinken und bisschen quatschen. Das habe ich dann aber doch nicht gemacht, immer wieder verschoben, und ein halbes Jahr später war er tot. Verkehrsunfall.

Spirit2015 schrieb: Ist euch sowas ähnliches auch schon mal passiert?

Ja.
Vor vielen Jahren hab ich mal einen Menschen verloren, der mir sehr nahegestanden ist.
Wir wollten uns am Abend treffen, und ein paar Stunden vorher ist er verunglückt.

Ich hab mich oft und immer wieder gefragt, weshalb ich das Treffen nicht abgesagt habe, oder verschoben, oder warum ich vorher nicht nochmals angerufen habe - irgendetwas eben, eine Kleinigkeit, damit sich dieses kleine Zeitfenster verschoben hätte :(

Man konnte ja nicht mal von Schuld sprechen. Diese Gedanken wird man dennoch nicht mehr los.

@KillingTime

Ja genau das ist mir auch passiert. Ich hatte über Telefon Kontakt zu einem Händler. Der war so wahnsinnig Sympathisch. Irgendwann hatte ich gar keinen Grund mehr ihn anzurufen. Also haben wir einfach so telefoniert über Gott und die Welt. Er war immer gut drauf. Und wenns mir mal nicht gut ging hatte er es immer verstanden, dass ich mich besser fühlte. Er strahlte am Telefon immer eine Ruhe und Gelassenheit aus. Das war beeindruckend. Ich wollte ihn immer mal besuchen. Aber man hat ja nie Zeit. Dann Krebs aus Ende.

Ich fand das schlimm. Das war im Nachhinein gesehen einer der wichtigsten Menschen für mich irgendwie. Diese Art und Weise die er hatte, werd ich nie vergessen.

Mhm natürlich ist das Bitter und vermutlich wird sich der Kumpel auch vorwürfe machen. Obwohl eigentlich kein Grund besteht.
Andererseids muss man aber auch nicht über Schienen abkürzen.
Nun gut, vielleicht war der Betreffende auch im Vollsuff, da macht man die seltsamsten Dinge.

Manchmal ist das Leben ein Arschloch, da kann man nichts machen.
Selbst war ich nie in der Situation und hoffe auch das es so bleibt.

Spirit2015 schrieb:Aber man hat ja nie Zeit.

Dieser Thread hat Potential, und ich hoffe nur, dass er nicht von Trollen zugespammt wird.

Man könnte hier noch weitere Punkte beleuchten, zum Beispiel dass es generell zu spät ist für irgendwas, weil man nicht rechtzeitig in die Puschen gekommen ist.

Aber irgendwie zieht mich das Thema auch schon wieder runter. Ich glaube ich muss mich erstmal ausklinken.

Etwas das ich nicht selber erlebt habe aber eine gute Freundin von mir.
Ich war dabei als sie den Anruf bekam, das der beste Freund ihres Sohnes und ein Kumpel der beiden, bei einem Autounfall tödlich verunglückt sind. 5 Minuten vorher erzählte sie mir das sie ihrem Sohn verboten hatte sie zu begleiten. Es war eine ganz schreckliche Situation für sie, der verunglückte Freund hatte irgendwie mit zur Familie gehört, aber sie war so froh ihrem Sohn verboten zu haben mitzufahren.
Da war lange ein schlechtes Gewissen darüber da, das sie froh wahr ihren Sohn davor bewahrt zu haben.

Naja das ist natürlich immer traurig, wenn man einen guten Freund oder gar ein Familienmitglied verliert.

Aber Vorwürfe braucht man sich eigentlich nicht zu machen, finde ich, wenn man nicht schuld an dem negativen Ereignis ist.

Ich meine:

Wenn ich beispielsweise gerade unter der Dusche stehe, nichts höre und ein Freund, der zu Besuch kommt, dann meint, er müsse als Spaß vom Treppenhaus über den Balkon in meine Wohnung kommen, wobei er abstürzt - dann ist das nicht meine Schuld.


Meiner Meinung nach sollte man genau unterscheiden, woran man wirklich schuld ist und woran nicht.
Falsche Schuldgefühle und Vorwürfe nützen niemandem.

Es sollte eigentlich jeder Erwachsene wissen, dass man nicht über Bahngleise läuft, der einzige, der schuld am Tod dieses Mannes hat, ist er selbst.

@Spirit2015
Nein, Vorwürfe sind da fehl, daran geht man wirklich kaputt. Hätte, wäre, wenn.. das sind die schlimmsten Wörter, die es gibt.
Hätte der junge Mann ein Taxi genommen, wäre er zwei Minuten später gegangen..
Ich weiß nicht, was ich in so einer Situation tun würde, aber wenn ich merke, dass ich daran kaputt gehe, dann würde ich vielleicht therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen oder so.

Kc schrieb:Aber Vorwürfe braucht man sich eigentlich nicht zu machen, finde ich, wenn man nicht schuld an dem negativen Ereignis ist.

Das weiß man ja vom Kopf her auch her, irgendwie, ändert aber nichts an den Gefühlen, und den quälenden Gedanken.
Weil man sich eben immer denkt - was wäre wenn ..
Man macht sich Vorwürfe, dass man eben an diesem Tag so gehandelt hat, wie man gehandelt hat, und nicht anders.
Sinnlos, ist schon klar ...

@Miss_Hippie

Naja aber ihr habt bestimmt alle irgendne Schwester einen Bruder, eine Freundin oder so, die halt etwas unbeholfen und naiv ist. Nicht bösartig gemeint sondern naja, so schützenswert irgendwie. Und da kommt man auch nicht auf die Idee, dass man sagt "was muss die blöde Kuh über die Schienen laufen". Irgendwie fühlt man sich als "großer Bruder" ja trotzdem verantwortlich.

@Spirit2015
ja das stimmt schon. Aber ich kann mich nicht kaputt machen, weil ich geschlafen habe, weil ich unterwegs war etc.
Deswegen meinte ich, vielleicht therap. Hilfe. Wie @teardrop. schon sagte, im Grunde weiß man, dass man keine Schuld hat. Ob man das in diesem Moment begreift von alleine, das ist wieder eine andere Sache.

man ist doch nur schuld, wenn man bewusst etwas macht oder unterlässt, sich jeglicher daraus resultierenden zwangsläufig eintretenden Konsequenzen bewusst ist.

@Spirit2015
Man kann abernicht jede mögliche Situation voraussehen...
Jeder weiß, dass es gefährlich ist über die Schienen zu laufen... dass der andere nicht erreichbar war, ist da kein Argument.
Ich frage mich grad, wie betrunken der gewesen sein muss, wenn er den Zug nicht gesehen hat.

Naja also ich bereue es, dass ich nach der Bitte meiner Mutter nicht sofort zu meinem Opa ins Krankenhaus gefahren bin. Ich frage mich bis heute warum ich nicht hin bin, wahrscheinlich weil ich gewusst habe dass der Anblick mir mein Herz zerreissen würde. Er wollte nochmal mit mir reden, das war sein Wunsch. Erst ein Tag später, da konnte ich aber nicht mehr mit ihm reden weil er eine hohe Portion Morphium reingepumpt bekommen hat. Habe natürlich trotzdem mit ihm geredet, gesagt: "Bis morgen Opa" Und in dieser Nacht starb er. Ich bin dort aufgewachsen, die ganze Geschichte war 2011 und mich plagen heute noch Schuldgefühle..

@Tussinelda

Ich glaub du machst es dir zu einfach Tussi. Wenn dich ne Freundin anruft und sagt "hol mich ab, mein Auto ist kaputt" und du z.B. schläftst grad und hörst das Telefon nicht. Und sie nimmt sich ein Taxi und verunglückt. Ich glaub dir nicht dass du dir keine Gedanken machen würdest.

Spirit2015 schrieb:Das müssen Schuldgefühle sein... Ich glaub ich ginge dran kaputt.

Kann ich irgendwie schon verstehen, da du ein Gewissen machst, weil du indirekt Schuld hast.
Du denkst dann sicher, wäre ich pünktlich gekommen, hätte derjeniger das und das nicht gemacht.

Zum Anderen kannst du ja auch nicht immer zur Verfügung stehen, und kannst ja auch nicht wissen, dass derjeniger unvorsichtig ist.

Man nennt es Schicksal, vielleicht wäre sein Freund, wenn er ihn pünktlich abgeholt hätte, in einem Verkehrsunfall verwickelt gewesen und hätte ihn getötet?!
Wenn es sein muss, muss es leider sein!

Man denkt dann vermutlich, dass man es hätte ändern können - das ist aber nicht wahr, denn man konnte nicht wissen, welchen Ausgang das nehmen würde. Hätte genauso sein können man fährt und holt jemanden ab und hat dabei einen Unfall - dann hätte man sich gewünscht, man wär nicht den abholen gefahren. Egal wie man den Fisch auf dem Grill dreht, es bleibt nunmal ein Fisch.

@Dr.AllmyLogo

Naja mir ist das ehrlich gesagt schon häufiger mal gekommen. Wie oft wir wohl tagsüber dem Tod entkommen, einen Unfall vermeiden, weil wir morgens den Autoschlüssel nicht finden, oder nochmal in die Wohnung gehen weil wir die Pfandflaschen vergessen haben oder die Kaffeemaschine noch an war. Oder mal wieder 5 Minuten im Büro länger geblieben weil das Papier im Kopierer leer war. Manchmal ist 1 Stunde oder gar nur 5 Minuten zu spät, nicht das schlechteste.