· Akustische Halluzinationen (Gehörshalluzinationen)
Akustische oder Gehörshalluzinationen, auch Gehörstäuschungen genannt, unterteilt man in
- Phoneme: Laute, Worte, Sätze, Geflüster und Stimmen
- Akoasmen: ungestaltete akustische Wahrnehmungen wie Lärm und Geräusche
- Akustische Halluzinationen im Sinne der Phoneme (siehe oben) können laut/leise, deutlich/undeutlich oder gar verwaschen, nah/fern, außerhalb/innerhalb des eigenen Körpers, verständlich/unverständlich, eine/mehrere Stimmen, bekannt/unbekannt, männlich/weiblich, Erwachsenen-/Kinder-stimmen usw. sein. Sie können aus der Umgebung, der Wand, dem Nachbarhaus, einer Antenne oder aus dem eigenen Leib, dem Ohr, dem Magen, dem Blut, dem Kopf oder Gehirn usw. kommen.
Möglich sind direkte Ansprache bzw. Bemerkungen, die das Tun, die Gedanken oder Gefühle des Betroffenen begleiten; oder Aufträge, Befehle, Rede und Gegenrede, Diskussionen über und mit ihm. Meist dominieren Stimmen einer oder mehrere Personen bis zum Chor.
Gewöhnlich sind es nur einzelne Worte oder kurze Sätze, manchmal Sekunden oder Minuten, selten länger, kaum andauernd. Oft handelt es sich um Stimmen, die den Kranken beim Namen rufen, kritisieren, beschimpfen, bedrohen, warnen, aber auch ermuntern, loben, ja sogar Witze erzählen, in der Regel sich einfach über den Betroffenen unterhalten (dialogische Halluzinationen) bzw. sein Tun oder Lassen kommentieren (kommentierende Halluzinationen).
Oder sie können ihm auch einmal Befehle erteilen (imperative Stimmen oder Halluzinationen). Solche Befehle werden mitunter ausgeführt und sind dann Anlass zu unverständlichen Handlungen, in seltenen Fällen sogar Gewalttaten.
Auf jeden Fall sprechen die Stimmen gern über gefühlsbetonte, intime und meist unangenehme Angelegenheiten, mitunter aber auch völlig gleichgültige Dinge.
In den jeweiligen Gedankengang passen sie meist nicht hinein, sondern unterbrechen und stören ihn, als ob sich eine wirkliche Person in das Gespräch einmischt. Je nach Inhalt werden diese Halluzinationen als unterhaltender Zeitvertreib empfunden, wobei man dann manche Kranke auch einmal in sich hineinlachen sieht. Oder sie sind lästig bis quälend, was zu Resignation, Bedrücktheit, Miss-Stimmung, ggf. auch einmal zum Zurückschimpfen, ja zum Schreien oder Toben führen kann. Auch regelrechte Schimpftiraden sind oft nur eine Antwort auf solche halluzinatorischen Beleidigungen, Kränkungen oder Verunglimpfungen.
Manche Kranke führen auch lange "Unterhaltungen" mit Nicht-Anwesenden, mit Verstorbenen, politischen oder kulturellen Persönlichkeiten, mit Gott und der Welt. Gelegentlich werden "Anrufe" auch nur aus Umgebungsgeräuschen herausgehört.
Zumeist stumpfen die Patienten langsam ab und werden gleichgültig, was ihre Stimmen anbelangt. Manchmal aber werden sie auch zum Ausgangspunkt wahnhafter Deutungen (Erklärungswahn). Dann ziehen die Betroffenen einen Rückschluss auf "böse" Angehörige, Nachbarn, "Verfolger", auf Rundfunk, Fernsehen, den "6. Sinn", "Telepathie", magische oder okkulte Kräfte, göttliche Offenbarungen usw.
Dann kann es für diejenigen, die hier - ohne ihr Wissen - in diese krankhaften Abläufe einbezogen worden sind, auch einmal Probleme geben. Auf jeden Fall ist ihnen völlig unklar, weshalb sich der vielleicht noch nicht als krank Erkannte plötzlich so sonderbar verhält.
- Akustische Halluzinationen im Sinne der Akoasmen (etwas seltener) sind ungestaltete Halluzinationen wie Rauschen, Summen, Pfeifen, Klopfen, Knallen, Klirren, Schießen, Trommeln, Sausen, Zischen, Bellen, Heulen, Wiehern, aber auch konkrete Gehörstäuschungen wie Orgeltöne, Glockengeläut, Wasserplätschern usw.
Wo kommen akustische Halluzinationen vor?
Akustische oder Gehörs-Halluzinationen finden sich zumeist bei schizophrenen Psychosen (siehe das ausführliche Kapitel über die Schizophrenien). Aber auch (endogen) Depressive können Vorwürfe, Drohungen und Beschimpfungen zu hören bekommen (siehe die Kapitel über Depressionen). Betroffen sind auch Menschen mit organischen Psychosen (Geisteskrankheiten aufgrund körperlicher Störungen), z.B. bei einem Delirium tremens durch Alkoholismus (Stimmen, Musik, Straßenlärm) oder durch bestimmte Giftstoffe, Arzneimittel usw.
Sind alle akustischen Halluzinationen krankhaft?
Das Stimmenhören muss allerdings nicht grundsätzlich krankhaft sein, auch wenn dies in der Psychiatrie bisher zumeist so verstanden wurde. Offenbar hören viel mehr Menschen (2 bis 5%?) Stimmen, die unter keiner Diagnose zu fassen sind und die auch keine psychiatrische (insbesondere medikamentöse) oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Nicht wenige davon haben entsprechende Fähigkeiten entwickelt, mit ihren Stimmen zu leben, sie zu beeinflussen und sogar von ihnen zu lernen. Inzwischen wird auch in der Psychiatrie immer häufiger über das Phänomen des "nicht-krankhaften Stimmenhörens" diskutiert.
Die Wissenschaftler, die das Stimmenhören als nicht ausschließlich krankhaft abgetan sehen wollen, führen dabei auch historische Beispiele an: Hildegard von Bingen, Jeanne d´Arc, Franz von Assisi, Gotthold Ephraim Lessing, Rainer Maria Rilke usw. Wenn auch die Pathographien (Stichwort: Genie, Irrsinn und Ruhm) in ihren Wertungen zum Teil weit auseinandergehen, wird doch zweierlei klar: Zum einen mehren sich die wissenschaftlichen Meinungen, die manches Stimmen-Hören in eine Reihe mit außergewöhnlichen Wahrnehmungsformen stellen (z.B. Nah-Tod-Erfahrungen, Klarträume usw.). Zum anderen gibt es auch lebensnahe Beispiele, die das "normale Stimmen-Phänomen" leichter akzeptieren lassen (Beispiele: Ein Witwer "hört" die Stimme seiner verstorbenen Ehefrau; ein einsamer Wanderer erfährt in einer Extremsituation "höheren Zuspruch" usw.).
Die meisten Ärzte, insbesondere aber die Psychiater und Nervenärzte sind jedoch nach wie vor der Meinung, dass man das Stimmen-Hören nicht einfach als "normal" auf sich beruhen lassen, sondern einen Facharzt hinzuziehen sollte. In der Mehrzahl der Fälle ist und bleibt nämlich erst einmal der Verdacht einer krankhaften seelischen Entwicklung auszuräumen. Und das ist Aufgabe des Arztes.
Abzugrenzen sind akustische Halluzinationen jedoch vor allem von Ohrgeräuschen (Tinnitus). Manche Tinnitus-Patienten sind - besonders am Anfang ihres zermürbenden Leidens mit Rauschen, Sausen, Klingen u.a. - völlig verunsichert, ob es sich um konkrete oder undefinierbare Außengeräusche oder ihre Ohrgeräusche handelt. Einige reden darüber, informieren sich, einige aber sind erst einmal ratlos, verlegen, verängstigt und niedergeschlagen und wirken deshalb bisweilen auch "unverständlich" oder "komisch" ("der wird doch nicht etwa absonderlich werden"). Deshalb umgehend einen HNO-Arzt hinzuziehen.
Einzelheiten siehe die speziellen Kapitel Gehörsstörungen und Tinnitus (Ohrgeräusche).
Quelle:
http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/halluzination.html (Archiv-Version vom 21.07.2009)