Literaturkritiker gestorben
07.01.2017 um 17:49Groucho schrieb:Der Literaturkritiker soll Werbung für Bücher betreiben?Ja, es ist eine Aufgabe die ich im Zuständigkeitsbereich des Literaturkritikers angesiedelt sehe. Für Literatur an sich zu werben. Bücher zum Gesprächsthema zu machen. Lust und Neugierde aufs Lesen zu wecken. Das soll nicht heißen, dass es nicht gleichermaßen auch der Fachkunde und vor allem der Lesearbeit des Kritikers obliegt, seinem Publikum durch seine Auswahl zugleich eine Orientierungshilfe bei den Neuerscheinungen zu liefern.
Erst in zweiter Linie, bzw. als Nebeneffekt.
In der Hauptsache hat er ein literarisches Werk einzuordnen
Danke für Deine Links übrigens, @Groucho. Volltext befragt die verschiedenen Kritiker ja gerade zu denjenigen Aspekten, über die wir uns hier unterhalten. Ist sehr interessant zu sehen, dass über die Frage nach der "Aufgabe des Kritikers" auch in Fachkreisen lebhaft diskutiert wird.
Groucho schrieb:Mit welcher Selbstherrlichkeit da Geschmacksurteile gefällt wurden und Bücher und Autoren "vernichtet" wurden, ging irgendwann auf keine Kuhhaut mehr.Ach ich weiß nicht. Welche Autoren und Bücher wurden denn durch Ranicki vernichtet? Du schreibst es doch selbst - ein Ranicki-Verriss endete meist ebenso als Kassenschlager. Es wurden allerlei Autorengefühle strapaziert, das mag schon sein. Aber harte Kritik traf doch in der Regel eben jene Autoren, die in der Königsklasse schreiben. An die Meister eines Faches werden nun einmal höhere (ja, manchmal unerreichbar hohe) Erwartungen gestellt. An einen G. Grass werden eben andere Maßstäbe angelegt, denn an einen noch unbekannten Autor. Und letzterer konnte bei Ranicki zumeist nur gewinnen. Ist beim Fußball und in sämtlichen Lebensbereichen so, dass mit der Liga auch die Ansprüche steigen und man sich allerlei gerechtfertigtem und ungerechtfertigtem Gegenwind ausgesetzt sieht.
Das hatte mit seriöser Kritik nichts mehr zu tun, war (natürlich nicht bei den Gästen aber sehr wohl bei MRR) nur noch größenwahnsinniges Geschmacksurteil.
Insgesamt möchte ich aber nochmals unterstreichen, dass meine harsche Kritik bezüglich der blutleeren Kritiker sich in erster Linie doch auf denjenigen Bereich der Literaturkritik bezog, welcher sich eben an ein breites Publikum, insbesondere das Fernsehpublikum wendet. Der SWR hat durchaus einige Formate für Literatur geschaffen.. was ja an sich zu begrüßen ist. Aber wenn ich mir diese Sendungen ansehe, dann kann ich eben nur zu einem vernichtenden Urteil kommen.
Hier die jüngste (und noch nicht einmal schlechteste) Sendung als Exempel:
Das Lesenswert-Quartett vom 15.12.2016
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Über Marcel Reich Ranicki konnte man immer streiten und das war auch gut so. Aber der Umstand, dass er und seine Arbeit inzwischen längst nur noch verwaltet und verwertet werden (das ZDF hat sich ja auch wieder ein Reload-Version des "Literarischen Quartetts" ins Programm geschrieben), ist einfach kein gutes Zeichen. Um Nichtleser hinter dem Ofen hervorzulocken bedürfte es innovativer und frischer Ideen. Und auch charismatischer Persönlichkeiten.
Übrigens: Die Uni Innsbruck unterhält mit dem IZA ein ganz fabelhaftes Archiv für Literaturkritik und Literaturvermittlung. Die Datenbank ist größtenteils offen. Falls jemand mal eine bestimmte Kritik sucht, dürfte er hier an der richtigen Adresse sein:
https://www.uibk.ac.at/iza/recherche/
Auch die durch das Institut herausgegebene Jahresstatistik ist lesenswert:
https://www.uibk.ac.at/iza/literaturkritik-in-zahlen/pdf/2015_statistik.pdf