"Ray ist Robin. An seiner Geschichte stimmt nichts´"
Der Holländer Robin van H. (20) hat gestanden, der "Waldjunge Ray" zu sein. Warum er die Lügengeschichte erfand, ist unklar, seine Eltern suchten ihn verzweifelt. Jetzt droht ihm ein Verfahren. Von Rob Savelberg
So haben die Eltern ihren Sohn via Twitter gesucht
Im September 2011 hatte der junge Mann sich bei den Berliner Behörden mit der ominösen Story gemeldet, dass er fünf Jahre in Wäldern gelebt habe. Mitschüler und Freunde aus den Niederlanden haben ihn diese Woche eindeutig identifiziert.
Auch die Polizei aus diesem Grenzort nahe der deutschen Stadt Gronau hat bestätigt, dass es ein Holländer ist, der die Berliner Polizei fast ein dreiviertel Jahr an der Nase herum geführt hat. "Wir sind uns hundert Prozent sicher, dass es sich um den Jungen handelt, da seine Stiefmutter ihn eindeutig erkannt hat", sagte Charlotte Westerhoff, Sprecherin der Polizei Twente. ,,Wir haben mit seiner Familie und Bekannten Kontakt aufgenommen. Wir sind sehr froh, dass er gefunden worden ist."
Ein Foto, worauf man den Jungen mit einer Halskette und seinem Initialen darauf sah, lieferte den Beweis.
DNA-Proben soll Identität bestätigen
Die Berliner Polizei war davon ausgegangen, dass der Junge minderjährig und etwa siebzehn Jahre alt war. Die Kommunikation mit ihm gestaltete sich als äußerst schwierig, da er kaum Deutsch und nur Englisch sprach. Der vermeintlich Minderjährige weigerte sich, mit den Behörden zu kooperieren und lehnte auch psychologische Untersuchungen ab. Es dauerte bis Dienstag dieser Woche, bis sein Bild an die deutsche und internationale Öffentlichkeit gegeben wurde. Jetzt wird geprüft, ob die Identität durch DNA-Proben bestätigt werden kann.
Am 5. September 2011 meldete sich der junge Mann am Roten Rathaus in Berlin. Er wisse angeblich nur noch sein Vorname "Ray" und sein Geburtsdatum: 20. Juni 1994. Er wäre demnach damals 17 Jahre alt gewesen.
Dem Jugendnotdienst erzählte er, dass er jahrelang mit seinem Vater Ryan im Wald gelebt und in Höhlen und im Zelt geschlafen habe. Bis der Vater bei einem Sturz gestorben und von dem Sohn unter Steinen in einer Grube beerdigt worden sei. Der genaue Ort: unbekannt.
Sein Vater habe ihm den Rat gegeben, gen Norden zu laufen. So würde er die Stadt erreichen. Ein halbes Jahr sei er mit Kompass und Karte unterwegs gewesen. In Berlin angekommen, konnte er sich an seinen Nachnahmen, Geburts- und Wohnort nicht mehr erinnern. Nur an seine Mutter, Doreen, die bei einem Autounfall gestorben sei.
Parallelen zu Kaspar Hauser
Bald hieß "Ray" "der Waldjunge". Er hatte einen schwarzen Rucksack, Schlafsack, Zelt und Winterkleidung dabei. Seine Geschichte klang von Anfang an unglaubwürdig, auch weil er nicht verwildert aussah, seine Haare vielmehr gut geschnitten waren. Mehrfach jedoch wurden Parallelen zu Kaspar Hauser gezogen, dem mysteriösen Findling aus dem 19. Jahrhundert. Zunächst kam der Junge bei einem Jugendnotdienst unter, später in einer Einrichtung für Betreutes Wohnen.
In den Niederlanden klingt die Geschichte um "Ray" weit weniger spektakulär. Robin van H. wurde am 2. September 2011 offiziell als vermisst gemeldet. "Seine Eltern meldeten sich zwar bei der Polizei, aber es gab keine öffentliche Suche, da er volljährig war, und keine Gefahr bestand, dass er sich selbst oder andere etwas antun würde", erzählt Polizeisprecherin Westerhoff aus Hengelo. ,"In unserem System ist er ein zwanzigjähriger Mann, der für sich selbst verantwortlich ist." Hinweise auf ein Verbrechen lagen nicht vor.
Weil der "Waldjunge" von der Berliner Polizei über Interpol als möglicherweise Minderjähriger eingestuft wurde, haben die niederländischen Behörden keine Verbindung zu dem Vermisstenfall von Hengelo hergestellt.
Eltern suchten im Internet nach Sohn
Die getrennten Eltern waren inzwischen völlig ratlos. Der leibliche Vater war gar nicht tot, lebte nicht in einem Wald südlich von Berlin, sondern im Osten der Niederlande. Sie hatten versucht, irgendwie Kontakt zu ihrem Sohn zu finden.
Über Twitter schreiben sie "Wer weiß, wo Robin van H. ist" im Dezember 2011. Laut Polizei in Hengelo hat Robin van H. den Eltern wohl einen Brief aus Berlin geschrieben. Tragischerweise starb Vater Jan im Februar dieses Jahres tatsächlich.
Im Internet steht der Werdegang des Jungen, von ihm selbst geschrieben. Anfang letzten Jahres hat er ein Praktikum bei einer Telefonfirma in Hengelo absolviert. Als seine Hobbys nennt er Fitness und Taekwando. Eine Ausbildung in brach der Hauptschüler ab. Danach beschäftigte er sich am Berufszentrum ROC Twente mit Marketing und Kommunikation.
Das Motiv für den Ausbruch aus seinem augenscheinlich normalen Leben will die holländische Polizei nicht preisgeben. "Das muss er wohl selber machen", sagt Sprecherin Westerhoff. "Seine Unsinn kann er gern selbst verbreiten."
Polizei und Behörden wütend über "Wichtiguer"
Die Frustration bei der Polizei über den Fall ist hoch, sowohl in Berlin, als in Hengelo. "Wir haben fast täglich mit solchen Leuten zu tun, die sich als Wichtigtuer aufbäumen. Sie kommen mit Affengeschichten, geben falsche Anzeigen auf", so Westerhoff.
Inzwischen wurde "Ray" befragt. Dabei hat er gestanden, alles bloß erfunden zu haben: "Ray hat zugegeben, dass er Robin ist", sagte eine Polizeisprecherin. "An seiner Geschichte stimmte nichts."
Da Robin erwachsen ist, stehe nun möglicherweise der Vorwurf von Sozialleistungsbetrug im Raum, hieß es bei der Polizei. Das Jugendamt hatte immerhin monatelang einen Vormund für ihn bestellt und ihn in einer betreuten Wohngruppe untergebracht.
"Das ist kein Spaß mehr", sagt Polizeisprecher Michael Maaß. "Wenn er uns vorsätzlich zum Narren gehalten, würden eventuelle Kosten auf ihn zukommen."
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