Versteckte Kamera auf dem Friedhof: Das tote Baby
07.12.2017 um 12:03Zu dem Fall habe ich hier nichts entdeckt.
Es geht um den mysteriösen Mord des Babys "Sabina" in Essing. Im August 2000 wird die Leiche eines Säuglings im Main-Donau-Kanal entdeckt. Der Fall ist mysteriös, die Ermittlungen sorgen für Aufsehen. Wie die Obduktion später ergeben wird, handelt es sich bei der Babyleiche um ein neugeborenes Mädchen.
Fest steht: Die Kleine – 54 Zentimeter groß und 2,8 Kilo schwer – hat offensichtlich nach der Geburt noch gelebt. Über die Todesursache schweigen Polizei und Staatsanwaltschaft.
Ein erster Anhaltspunkt der Ermittler sind die beiden Plastiktüten, in die der tote Säugling eingewickelt worden ist – zusammen mit zwei sechs Kilo schweren Pflastersteinen aus Beton. Die Tüten sind vom Schuhhaus Sutor und der Bekleidungskette H&M. Die Polizei veröffentlicht ein Foto. Es gehen mehrere Hinweise ein, auch auf Frauen, die heimlich schwanger gewesen sein sollen. Zeugen wollen außerdem am 23. August – einen Tag vor dem Leichenfund – eine 17- bis 20-jährige Frau auf der gegenüberliegenden Kanalseite gesehen haben. Auffällig: Sie soll an einer Hand einen rosafarbenen Gummihandschuh getragen haben. Doch auch dieser Hinweis bringt die Ermittlungen nicht weiter.
Die Kripo Landshut greift schließlich zu einem ungewöhnlichen Mittel, um die Mutter der kleinen Sabina ausfindig zu machen. Wie erst später bekannt wird, lassen die Ermittler auf dem Friedhof in Altessing eine versteckte Kamera installieren. Sie hoffen, dass die Kindsmutter sich am Grab des Säuglings zeigt. Und tatsächlich liefert die Kamera im Laufe der Ermittlungen einige interessante Aufnahmen.
Einen Monat nach dem Fund der Babyleiche veröffentlicht die Polizei ein Bild. Darauf zu sehen ist das unscharfe Profil einer jungen Frau – höchstens 16, 17 Jahre alt, dunkelblonde Haare. Auf den Videoaufnahmen soll zu sehen sein, wie sich das Mädchen an den geschwollenen Bauch greift, sich gehetzt umsieht und weint. So ist es zumindest in einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zu lesen. Mit Plakaten wird nach der Unbekannten gefahndet. Über 50 Hinweise gehen ein. Ein Mann will seine Ex-Freundin erkannt haben. Doch auch diese Spur endet in einer Sackgasse. Hier ist das Foto (warum auch immer das bei einer professionellen Kamera so unscharf ist!):
Gut ein Jahr später liefert die versteckte Kamera wieder ein verschwommenes Bild. Wieder ist eine junge, blonde Frau darauf zu erkennen – circa 20 Jahre alt. Möglicherweise eine wichtige Zeugin, heißt es von Seiten der Polizei. Auf diesen Aufruf hin meldet sich tatsächlich eine 18-Jährige aus Dietfurt. Sie wird überprüft. Es ist nicht Sabinas Mutter.
Ein seltsamer Vorfall ereignet sich dann an Heiligabend im Jahr 2000. Die versteckte Kamera nimmt drei unbekannte Personen an Sabinas Grab auf: zwei Männer und eine Frau. Die Polizei vermutet, dass sie "in enger Verbindung mit der Mutter des toten Säuglings stehen" und bittet um Hinweise. Überraschenderweise melden sich die Gesuchten umgehend selbst bei den Ermittlern: Es handelt sich um einen Grafen aus Niederbayern, seinen Bruder und seine Lebensgefährtin. Mit der mysteriösen Kindstötung wollen sie aber nichts zu tun haben. Auf dem Rückweg von einer Christmesse in Niederalteich sei das Trio zufällig an Essing vorbeigekommen "und da fiel uns plötzlich das tragische Schicksal des Mädchens ein", wird der Graf in einem Münchner Boulevardblatt zitiert. Bei ihrem "spontanen Weihnachtsbesuch" legen sie einen Plüschbären und einen Taschenrosenkranz auf das Grab und zünden 14 Kerzen an. Auf eigenen Wunsch geben er, sein Bruder und die Lebensgefährtin eine Speichelprobe ab, "um sicherstellen zu lassen, dass wir mit dem Fall nichts zu tun haben", sagt der 42-Jährige damals in einem Interview mit der MZ. Und das Ergebnis der DNA-Analyse bestätigt: Als Tatverdächtige scheiden die drei aus.
So sehr sich die Kripo Landshut auch bemüht, Sabinas Mutter kommen sie keinen Schritt näher. Im Frühjahr 2002 sieht man nur noch eine Chance, um den mysteriösen Fall abzuschließen: Es soll ein Massen-Gentest durchgeführt werden – eine Idee, die den Fall bundesweit in die Schlagzeilen bringt.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung gegeben hat, geben Ende April über 1200 Frauen unter 25 Jahren in den Schulen Kelheim und Riedenburg eine Speichelprobe ab. Bei deren Auswahl orientiert sich die Polizei an dem Foto der jungen Frau auf dem Fahndungsplakat. Es ist der erste Massengentest an Frauen, der in Deutschland durchgeführt wird. Der Ansturm der Medien ist groß, aber auch die Hoffnung, dass der Mord an dem kleinen Mädchen nun endlich geklärt werden kann. Mit Spannung wird die Auswertung des Landeskriminalamt in München erwartet.
Doch dann die Enttäuschung: Sabinas Mutter ist nicht unter den Frauen, die ihre Speichelprobe freiwillig abgegeben haben. Jetzt rücken diejenigen ins Visier der Ermittler, die sich nicht haben testen lassen. Nach 16 jungen Frauen, die unbekannt verzogen sind, wird gefahndet, circa 20 haben die Abgabe einer Speichelprobe verweigert. Am Ende bleiben fünf Personen übrig. Die Staatsanwaltschaft Regensburg zieht mehrfach vor Gericht, um sie zu einem Gentest zu zwingen. Im Februar 2005 sind schließlich alle Proben genetisch ausgewertet. Die Kindsmutter hat man nicht gefunden. Der "Essinger Babymord" bleibt ungeklärt.
Hier der ganze Artikel:
https://stories.mittelbayerische.de/morde/2000-babymord (Archiv-Version vom 23.08.2017)
Weiterführend: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-24793122.html
Kennt jemand die Frau auf dem ersten Bild?
Warum tötet eine Frau ihr Kind? Kriminalkommissar Czapka hat eine Vermutung: Sie sei vergewaltigt worden, zum Inzest gezwungen, mutmaßt er. Find ich ziemlich weit hergeholt.
Ungewöhnlich finde ich, dass die Polizei den Friedhof mit Kamera überwachen lässt...
Es geht um den mysteriösen Mord des Babys "Sabina" in Essing. Im August 2000 wird die Leiche eines Säuglings im Main-Donau-Kanal entdeckt. Der Fall ist mysteriös, die Ermittlungen sorgen für Aufsehen. Wie die Obduktion später ergeben wird, handelt es sich bei der Babyleiche um ein neugeborenes Mädchen.
Fest steht: Die Kleine – 54 Zentimeter groß und 2,8 Kilo schwer – hat offensichtlich nach der Geburt noch gelebt. Über die Todesursache schweigen Polizei und Staatsanwaltschaft.
Ein erster Anhaltspunkt der Ermittler sind die beiden Plastiktüten, in die der tote Säugling eingewickelt worden ist – zusammen mit zwei sechs Kilo schweren Pflastersteinen aus Beton. Die Tüten sind vom Schuhhaus Sutor und der Bekleidungskette H&M. Die Polizei veröffentlicht ein Foto. Es gehen mehrere Hinweise ein, auch auf Frauen, die heimlich schwanger gewesen sein sollen. Zeugen wollen außerdem am 23. August – einen Tag vor dem Leichenfund – eine 17- bis 20-jährige Frau auf der gegenüberliegenden Kanalseite gesehen haben. Auffällig: Sie soll an einer Hand einen rosafarbenen Gummihandschuh getragen haben. Doch auch dieser Hinweis bringt die Ermittlungen nicht weiter.
Die Kripo Landshut greift schließlich zu einem ungewöhnlichen Mittel, um die Mutter der kleinen Sabina ausfindig zu machen. Wie erst später bekannt wird, lassen die Ermittler auf dem Friedhof in Altessing eine versteckte Kamera installieren. Sie hoffen, dass die Kindsmutter sich am Grab des Säuglings zeigt. Und tatsächlich liefert die Kamera im Laufe der Ermittlungen einige interessante Aufnahmen.
Einen Monat nach dem Fund der Babyleiche veröffentlicht die Polizei ein Bild. Darauf zu sehen ist das unscharfe Profil einer jungen Frau – höchstens 16, 17 Jahre alt, dunkelblonde Haare. Auf den Videoaufnahmen soll zu sehen sein, wie sich das Mädchen an den geschwollenen Bauch greift, sich gehetzt umsieht und weint. So ist es zumindest in einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zu lesen. Mit Plakaten wird nach der Unbekannten gefahndet. Über 50 Hinweise gehen ein. Ein Mann will seine Ex-Freundin erkannt haben. Doch auch diese Spur endet in einer Sackgasse. Hier ist das Foto (warum auch immer das bei einer professionellen Kamera so unscharf ist!):
Gut ein Jahr später liefert die versteckte Kamera wieder ein verschwommenes Bild. Wieder ist eine junge, blonde Frau darauf zu erkennen – circa 20 Jahre alt. Möglicherweise eine wichtige Zeugin, heißt es von Seiten der Polizei. Auf diesen Aufruf hin meldet sich tatsächlich eine 18-Jährige aus Dietfurt. Sie wird überprüft. Es ist nicht Sabinas Mutter.
Ein seltsamer Vorfall ereignet sich dann an Heiligabend im Jahr 2000. Die versteckte Kamera nimmt drei unbekannte Personen an Sabinas Grab auf: zwei Männer und eine Frau. Die Polizei vermutet, dass sie "in enger Verbindung mit der Mutter des toten Säuglings stehen" und bittet um Hinweise. Überraschenderweise melden sich die Gesuchten umgehend selbst bei den Ermittlern: Es handelt sich um einen Grafen aus Niederbayern, seinen Bruder und seine Lebensgefährtin. Mit der mysteriösen Kindstötung wollen sie aber nichts zu tun haben. Auf dem Rückweg von einer Christmesse in Niederalteich sei das Trio zufällig an Essing vorbeigekommen "und da fiel uns plötzlich das tragische Schicksal des Mädchens ein", wird der Graf in einem Münchner Boulevardblatt zitiert. Bei ihrem "spontanen Weihnachtsbesuch" legen sie einen Plüschbären und einen Taschenrosenkranz auf das Grab und zünden 14 Kerzen an. Auf eigenen Wunsch geben er, sein Bruder und die Lebensgefährtin eine Speichelprobe ab, "um sicherstellen zu lassen, dass wir mit dem Fall nichts zu tun haben", sagt der 42-Jährige damals in einem Interview mit der MZ. Und das Ergebnis der DNA-Analyse bestätigt: Als Tatverdächtige scheiden die drei aus.
So sehr sich die Kripo Landshut auch bemüht, Sabinas Mutter kommen sie keinen Schritt näher. Im Frühjahr 2002 sieht man nur noch eine Chance, um den mysteriösen Fall abzuschließen: Es soll ein Massen-Gentest durchgeführt werden – eine Idee, die den Fall bundesweit in die Schlagzeilen bringt.
Nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung gegeben hat, geben Ende April über 1200 Frauen unter 25 Jahren in den Schulen Kelheim und Riedenburg eine Speichelprobe ab. Bei deren Auswahl orientiert sich die Polizei an dem Foto der jungen Frau auf dem Fahndungsplakat. Es ist der erste Massengentest an Frauen, der in Deutschland durchgeführt wird. Der Ansturm der Medien ist groß, aber auch die Hoffnung, dass der Mord an dem kleinen Mädchen nun endlich geklärt werden kann. Mit Spannung wird die Auswertung des Landeskriminalamt in München erwartet.
Doch dann die Enttäuschung: Sabinas Mutter ist nicht unter den Frauen, die ihre Speichelprobe freiwillig abgegeben haben. Jetzt rücken diejenigen ins Visier der Ermittler, die sich nicht haben testen lassen. Nach 16 jungen Frauen, die unbekannt verzogen sind, wird gefahndet, circa 20 haben die Abgabe einer Speichelprobe verweigert. Am Ende bleiben fünf Personen übrig. Die Staatsanwaltschaft Regensburg zieht mehrfach vor Gericht, um sie zu einem Gentest zu zwingen. Im Februar 2005 sind schließlich alle Proben genetisch ausgewertet. Die Kindsmutter hat man nicht gefunden. Der "Essinger Babymord" bleibt ungeklärt.
Hier der ganze Artikel:
https://stories.mittelbayerische.de/morde/2000-babymord (Archiv-Version vom 23.08.2017)
Weiterführend: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-24793122.html
Kennt jemand die Frau auf dem ersten Bild?
Warum tötet eine Frau ihr Kind? Kriminalkommissar Czapka hat eine Vermutung: Sie sei vergewaltigt worden, zum Inzest gezwungen, mutmaßt er. Find ich ziemlich weit hergeholt.
Ungewöhnlich finde ich, dass die Polizei den Friedhof mit Kamera überwachen lässt...