@john-erikLG Kiel, Urteil vom 17. September 2008 – 8 Ks 6/08
1. In einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 StGB befindet sich, wer der abstrakten Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist. Lassen Polizeibeamte eine betrunkene, örtlich und situativ desorientierte sowie für die herrschende Außentemperatur unzureichend warm bekleidete Person mitten in der Nacht in der Nähe einer Ortschaft auf der Straße aus ihrem Streifenwagen aussteigen, ohne sich weiter um sie zu kümmern, versetzen sie sie dadurch in eine objektiv hilflose Lage.
2. Kommt die ausgesetzte Person anschließend durch einen Verkehrsunfall ums Leben, ist der Tod durch die Aussetzung verursacht worden. Der Kausalzusammenhang wird nicht dadurch unterbrochen, dass der Verkehrsunfall als weitere Ursache zur Herbeiführung des Todes beigetragen hat. Ein Ursachenzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat. Dass eine sich bei Dunkelheit auf öffentlichen Straßen bewegende desorientierte Person von einem Kraftfahrzeug erfasst wird, ist jedoch gerade die typische Folge ihres Zustandes.
3. Der Aussetzende handelt in Bezug auf den Eintritt des Todes fahrlässig, wenn sein Verhalten objektiv und subjektiv vorhersehbar zum Tod des Ausgesetzten geführt hat. Tritt der Erfolg durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände ein, müssen diese dem Täter alle zumindest erkennbar sein, weil nur dann der Erfolg für ihn vorhersehbar ist. Eine gänzlich vernunftswidrige Handlungsweise des Getöteten kann die Vorhersehbarkeit des Erfolgs nur dann entfallen lassen, wenn der Getötete entscheidungsfähig, insbesondere nicht betrunken war.
4. Bleiben Zweifel daran, ob der Angeklagte es zumindest für möglich hielt, dass der Getötete mit dem Verlassen des Fahrzeugs in eine hilflose Lage versetzt und dadurch einer konkreten Gefahr für Leben und Gesundheit ausgesetzt würde, macht er sich nicht der Aussetzung mit Todesfolge, sondern einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 StGB schuldig, wenn für ihn objektiv und subjektiv vorhersehbar war, dass eine Person, die im Zeitpunkt des Aussteigens ersichtlich nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war, in einer ihr unbekannten Gegend erheblichen Gefahren durch den nächtlichen Straßenverkehr ausgesetzt sein würde.