chris2020 schrieb:Woher kommt denn immer die Annahme das Rachel nach 10 Jahren schon die Möglichkeit zur Bewährung hat. Ich habe mir das Urteil was der Richter gesagt hat nochmal angeschaut/angehört. Da spricht er von 30 Jahren Haft, aber sagt nichts von Bewährung??! Also warum dann 10 Jahre wie überall gesagt wird.
Das ergibt sich aus dem Gesetz.
Sheila wurde zu lebenslänglich verurteilt, da sieht das Gesetz vor, dass eine Mindestzeit von 15 Jahren abgesessen werden muss, bevor sie berechtigt ist, zu beantragen den Strafrest auf Bewährung auszusetzen.
Rachel wurde zu einer befristeten Strafe von 30 Jahren verurteilt, da beträgt nach dem Gesetz die Mindestverbüssung 10 Jahre.
https://www.wvlegislature.gov/wvcode/chapterentire.cfm?chap=62&art=12 (Archiv-Version vom 17.06.2021)§ion=13
In der Praxis bedeutet das, dass Rachel irgendwann freigelassen werden wird, frühestens nach 10, spätestens nach 30 Jahren.
Sheila dagegen hat keinen festen Anspruch auf Freilassung, theoretisch kann sie den Rest des Lebens hinter Gittern bleiben, frühestens aber kann sie nach 15 Jahren freigelassen werden.
Die Entscheidung, wann, in Sheilas Fall wenn überhaupt, freigelassen wird, fällt der Bewährungsausschuss.
Im Prinzip ist das nicht anders als in Deutschland, wo die Strafvollstreckungskammer entscheidet, ob ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht.
Ähnlich wie in Deutschland ist es in der Praxis so, dass relativ selten direkt nach der Mindeststrafe freigelassen wird, je nach Bundesland gibt es da verschiedene Trends. Auch in den USA gibt es da starke Unterschiede, je nach Bundesstaat. West Virginia gehört allerdings nicht zu den strengeren Staaten.
chris2020 schrieb:Ich würde gern mal wissen obs da schon welche gab oder wie hoch die Möglichkeit ist da überhaupt jemals Bewährung zu bekommen bei lebenslang. Wahrscheinlich bei lebenslang mit Bewährung doch eher nicht denk ich oder?
Doch, durchaus. Die meisten werden wieder freigelassen, es kommt allerdings sehr auf den Einzelfall an, z.B. ob der Betreffende andere Vorstrafen hat, ob er noch als Gefahr für die Allgemeinheit einzuschätzen ist und so weiter und so weiter. Da die beiden Mädels vor ihrer Tat noch unbescholten waren, ist schon davon auszugehen, dass grundsätzlich nichts ihrer vorzeitigen Freilassung im Weg stehen wird.
chris2020 schrieb:Wenn die Haft zur Bewährung ausgesetzt wird, ist dann automatisch die restliche Zeit der ursprünglichen Haft die Bewährungszeit die auch nicht verkürzt werden kann? Oder gibt es eine Bewährungszeitobergrenze?
Auch das kommt darauf an. Die maximale Bewährungszeit ist die maximale Freiheitsstrafe, zu der die Verurteilte verurteilt wurde, abzüglich Gutschriften wegen guter Führung. Der Bewährungsausschuss kann aber auch kürzere Fristen festsetzen.
chris2020 schrieb:Bei solch einer gesamten Prodezur bis zur Verurteilung, also was da an Anwaltskosten zusammen kommen müssen über die paar Wochen bzw Monate die Anwälte für einen arbeiten und dann noch vor Gericht vertreten, das müssen doch in der Regel kosten im hohen 5 oder sogar 6 stelligen Bereich sein, so das ein Häftling doch zusätzlich zur Haft, wenn er/sie mal rauskommen sollte extrem hoch verschuldet sein muss oder? als Eltern von so einer Jugendlichen wie die beiden, da muss man doch bestimmt einen hohen Kredit aufnehmen, viel Geld haben ja beide Familien sicher nicht.
Nein, ganz so läuft das normalerweise nicht. Entweder man hat einen Pflichtverteidiger gestellt bekommen, dann schuldet die Verurteilte gar nichts dafür, oder man hat einen Wahlverteidiger. Mit dem wird ein Mandatsvertrag abgeschlossen, der die Gebühren festlegt. Der Verteidiger will dann sein Geld schon lange vor einem Ende der Haftzeit sehen, normalerweise gleich am Anfang des Verfahrens. Dass Familienangehörige oder der Angeklagte selbst sich dann verschulden müssen, ist durchaus möglich, allerdings werden Kredite normalerweise nur gegen Sicherheiten gewährt. In vielen Fällen wird es dann eine Immobilie sein, die verkauft werden muss oder wenigstens beliehen werden muss. Da die meisten Amerikaner Immobilien besitzen, ist das eine ganz typische Art und Weise, teure Verfahren zu finanzieren.
Da in diesem Fall kein langwieriges Verfahren nötig war, kann man davon ausgehen, dass sich die Kosten im 5-stelligen Bereich bewegen. Das ist meist schon finanzierbar, also z.B. Kosten, die auch beim Kauf eines besseren Neuwagens angefallen wären.
chris2020 schrieb:Wenn vom Bewährungsausschuss eine Bewährung abgelehnt wird, nach wievielen Jahren hat man die nächste Möglichkeit, oder wird das immer vom jeweiligen Bewährungsausschuss dann erst jedesmal erneut festgelegt, wann ein Häftling die nächste Möglichkeit hat?
In der Regel kann man einmal im Jahr einen Antrag stellen, allerdings in bestimmten Fällen, z.B. bei Verurteilung zu lebenslänglich, nur alle drei Jahre.
chris2020 schrieb:Bei Bewährung, verstößt man da selbst bei Sachen wie z.b. Rot über eine Ampel gehen oder fahren etc bereits gegen seine Bewährungsauflagen, oder ganz so kleinlich dann doch nicht?
Nein, Ordnungswidrigkeiten und so etwas sind kein Verstoss gegen die Bewährungsauflagen, aber schon geringe Straftaten können es sein. Die Einzelheiten regeln die Vorschriften. In bestimmten Fällen kann auch nur eine vorübergehende Aussetzung der Bewährung verhängt werden, z.B. noch einmal 2 Monate Haft, sozusagen als Warnschuss. Schwerwiegendere Verstösse oder vor allem mehr als ein Verstoss gegen die Auflagen wird aber dann konsequent zum Widerruf der Strafaussetzung führen. Und das kann dann auch dazu führen, dass der Verurteilte in Zukunft nicht noch einmal eine Aussetzung auf Bewährung beantragen kann.
In den meisten Bundesstaaten gibt es da ausgeklügelte Regeln, die der Verteidigung dann einige Möglichkeiten bieten, das schlimmste zu verhindern. Aber ernst nehmen sollte man die Bewährung schon, ich habe schon manchen Mandanten gehabt, der ziemlich doof aus der Wäsche schaute, als er wegen eines einfachen Diebstahls in der Bewährungszeit auf einmal auf 5 oder 10 weitere Jahre im Gefängnis blickte.
chris2020 schrieb:Wenn eine von den beiden, also Rachel bestimmt, Shelia wohl eher nicht, mal rauskommt, als verurteilte Mörderin, da kann man doch Berufsmäßig nie auf irgendeinen großen Zweig wieder kommen, da bekommen Straftäter doch sicher nach der Haft nur irgendwelche unterbezahlten Mistjobs, oder können sonst nur anfangen was einige machen in die Schulen oder sonst wohin zu gehen und über so etwas Berichten zur Abschreckung.
Einmal verurteilte Straftäter haben es schon schwer, sich wieder einzugliedern, was leider dazu führt, dass sehr viele wieder straffällig werden. Allerdings dürfte es bei den beiden Mädels hier doch eine relativ gute Sozialprognose geben.