@Carietta herzlichen dank für edie eröffnung des themas.
mir fielen in mehreren threads einige typische haltungen auf:
1)
täter x. wird durch indiskrete medien oder einen namentlichen fahndungsaufruf halbwegs bekannt.
sofort beginnt in allmystery ein wettlauf, wer am schnellsten am meisten über x. herauslesen und posten kann, hauptquelle sind soziale medien und gerüchte.
2)
die informationen und darüber anreissenden gespräche bedienen sich meistens des chatstiles sozialer medien, der ist plakativ kurz.
3)
fast alle aus den sozialen medien herausgenommenen informationen werden mit rache-, bestrafungs-, und häufig zwar nur angedeuten aber erkenntlichen todesstrafen-phantasien verknüpft.
4)
gerichtsurteile, die forenbetreiber bestraften, weil user die unschuldsvermutung verletzten oder hetzend schrieben, werden ignoriert.
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zu 1)
in sozialen medien mit klarnamenpflicht kann der einzelne leichter zur verantwortung gezogen werden.
die user verhalten sich dementsprechend dort eher zeigend, sich in vorteilhaften posen darstellend, rangerhöhende botschaften absetzend. sie riskieren nicht so häufig, ihre meinungen in diskussionen zu entwickeln und sich wirklich offen auszutauschen.
ziel der portale ist eigentlich, in den nutzern werblich nutzbare bedürfnisse zu wecken.
durch die von den mitgliedern eingestellten bilder und botschaften entsteht von selbst ein wettbewerbsverhalten. hier setzen kommerzielle angebote an, sie bieten die produkte zur vermeintlichen selbstoptimierung an.
2) in foren mit anmeldung per nickname, wie hier in allmystery, besteht die theoretische chance, meinungsbildung zu pflegen, diskussionen zu führen, argumente zu überprüfen, und daran zu wachsen. ich selbst praktiziere gerne mit zwei usern völlig gegensätzlicher meinung zu einem kriminalfall, postnachrichten-kontakt. weil unser austausch in geschütztem rahmen stattfindet, kann man voneinander lernen und sich korrigieren lassen, wenn man falsch dachte. wo man bei letztendlich konträren ansichten bleibt, änderte sich dennoch durch die begründung voreinander in den privatbotschaften, warum man zu dem schluss komme, der sprachliche ausdruck im thread.
das funktioniert nur im kontext sicherer wertschätzung trotz anderer meinung.
wir befetzen uns, weil wir die luft in privatnachrichten ablassen, öffentlich nicht mehr.
3) die entscheidung, sich hier selbst anonym zu halten, aber das leben eines tatverdächtigen und seiner familie anhand von informationen aus sozialen netzweken mit klarnamenpflicht nackt zu präsentieren, auch bereiche, die mit der tatausführung nichts zu tun haben, und zeiten, die vor der kriminalisierung lagen, ist bereits ein entschluss, unfair zu sein.
dass, wenn man sich selbst schon mal erhöht hat, den tätern keinen schutz seiner privatshäre mehr zu gönnen, leichter weitere formen von machtgehabe, zum beispiel am ende phantasien von selbstjustiz folgen, leuchtet eigentlich als logisch ein.
wenn die kenntnis eines verbrechens inn vielen menschen zu einer verhärtung, einer förderung des machtgehabes, des imponierverhaltens und der pflege von personifizierten racheadressen führt, hat der kriminelle mit seiner tat am ende noch viele mehr erreicht, als er plante, er erreicht die entmenschlichung des tons ganzer gemeinschaften.
wollen wir wirklich der rachsucht macht über uns, unsere phantasien, unsere foren und letztlich unsere gesellschaft geben?
sollten wir nicht vielmehr unsere sozialen kompetenzen und unser rechtsbewusstsein in gemeinschaften und foren stärken?
4) wir halten uns hier in räumen von virtuellen gastgebern auf, die uns manchmal mehr, manchmal weniger spielraum lassen.
verständlich irgendwie, denn eine grundsätzliche gespanntheit muss jeder forenbereiber leider dauernhaft pflegen, seit er durch harte gerichtsurteile weiß, man könnte ihn für die postings von usern zur verantwortung ziehen, und zwar für verletzungen der unschuldsvermutung gegenüber verdächtigen -wozu auch die öffentliche namentliche nennung gehört-, für verbreitung von privaten inhalten aus deren leben. auch für gepostete rachephantasien, die von anderen lesern als handlungsaufforderung verstanden werden können.