Mordfall Elias (6)
01.11.2015 um 13:51Quelle:
http://www.bild.de/regional/berlin/mord/bild-in-kaltenborn-43222460.bild.html
BILD IM HEIMATORT VON KINDER-KILLER SILVIO S.
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Ein Dorf, in dem 84 Leute
leben, jeder jeden kennt
Mutter von Silvio S.: „Ich bin so gut wie tot!“
Berlin – Das Grauen wohnt in einem 84-Seelen-Dorf namens Kaltenborn. Eine von Linden gesäumte Allee führt in den am Sonnabend von dichtem Nebel verhangenen Ort. Hier wohnte Silvio S. (32), der Mann, der die Morde an Mohamed und Elias gestanden hat.
Kaltenborn, ein Ortsteil von Niedergörsdorf in Südbrandenburg, das ist eine Straße, eine Bushaltestelle und eine Kreuzung. Einmal täglich bringen der Bäcker und ein Fleischer Waren ins Dorf, denn hier gibt es nichts: Keine Geschäfte, keine Kneipe, noch nicht einmal einen Dorfplatz.
Wer einkaufen will, muss ins benachbarte Jüterbog fahren. Die für Sonnabend geplante Halloween-Party in Kaltenborn wurde wegen der unfassbaren Verbrechen abgesagt.
Fremde im Dorf werden von wackelnden Gardinen begrüßt, aus den bescheidenen Häusern dringen neugierige Blicke nach draußen. Hier weiß jeder, was der andere treibt. Denkt man. Ein Anwohner sagt: „Hier kennt jeder jeden, wir sind alle gute Nachbarn und reden miteinander.“
Umso schockierter sind die Kaltenborner, dass ausgerechnet einer von ihnen ein Kindermörder ist. Nachbarn beschreiben Silvio S., den hier alle nur „Berti“ nennen, als extremen Einzelgänger, den man ab und zu mit seinem Hund Gassi gehen sah. Ein Bekannter der Familie sagt: „Er ist ein ganz ruhiger Typ, der immer einen Schritt zurücktritt, wenn man ihn anspricht und einem nicht in die Augen schaut.“
Silvio S. wohnte mit seinen Eltern in einer Doppelhaushälfte am Straßenende des Dorfes. Die Fassade ist unverputzt braun, wurde seit der Wende nicht mehr renoviert. Auf dem Dach hat der Vater vor Jahren eine Solaranlage installiert. Vor Silvios Fenster im Obergeschoss hängen Spitzengardinen: Dahinter geschah die schreckliche Tat.
Auf der anderen Straßenseite wohnt Silvios Oma in einem typischen Brandenburger Bauernhof aus rotem Backstein. Wenige Meter dahinter endet das Dorf, hier erstrecken sich braune Felder und Apfelbäume bis zum Horizont. Eine Nachbarin und Bekannte der Familie sagt: „Ich kann nicht fassen, dass Silvio so etwas Schreckliches getan hat. Letzten Sonntag war er doch noch bei seiner Oma zum Essen.“
Jetzt ist der Horror in die graue Normalität des Dorfes geplatzt. Polizei und Spurensicherung suchen jeden Winkel des Grundstücks ab, auf dem Silvio S. wohnte. Nachbarn fragen sich, ob er etwa noch mehr Kinder getötet hat. Eine Anwohnerin, die vor Kurzem erst nach Kaltenborn gezogen ist, sagt: „Ich dachte eigentlich, ich muss hier um meine Kinder keine Angst haben und dann passiert so etwas.“
Mutter von Silvio S.: „Ich bin so gut wie tot!“
ARSCHLOCH!
In großen schwarzen Lettern prangt das Wort auf der herabgelassenen Jalousie eines Getränkehandels in Luckenwalde. Der Laden gehört Astrid S., der Mutter eines Kindermörders.
Die Schmiererei macht sichtbar, was viele denken mögen. Doch sie zeigt auch die Ohnmacht und Unfähigkeit der Menschen, zu begreifen, welches Drama sich unbemerkt in ihrer Nachbarschaft abspielte. Unsichtbar aber bleibt das Drama der Eltern von Silvio S. – auch sie haben auf unfassbar grausame Weise ein Kind verloren. Darum zu trauern erlaubt ihnen die Öffentlichkeit nicht.
Astrid (52) und Dieter S. (72) müssen weitermachen, Geld verdienen. Am Freitagmorgen, keine 24 Stunden nachdem sie die furchtbare Wahrheit erfuhren, steht das Ehepaar wieder im Laden. die Mutter an der Kasse, der Vater, früher Schäfer, heute Rentner, räumt im Lager Getränkekisten.
„Wie soll es mir schon gehen“, sagt Astrid S., als der BILD-Reporter sie anspricht „Ich bin doch schon so gut wie tot.“ Sie möchte nicht fotografiert werden. Sie wirkt zerbrechlich, verzweifelt.
Am Donnerstagmorgen gestand Silvio S. seinen Eltern, der Mann auf den Überwachungsbildern zu sein. Astrid S. rief die Polizei, ließ ihren Sohn verhaften.
„Was Die Mutter getan hat, war ungeheuer mutig und ethisch richtig.“, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité.
Seit dem Geständnis von Silvio S., so berichtet auch Oma Gisela S. (80), habe die Familie nicht mehr geschlafen. „Wir sind alle fertig. Ich möchte nicht glauben, dass er das getan hat“.
Die erste Nacht verbringen Astrid und Dieter S. in ihrer Wohnung auf der anderen Straßenseite. Denn im Haus der Eltern arbeitet die Spurensicherung. In der Wohnung des Mörders im Obergeschoss. Sie ist jetzt ein Tatort.
Mindestens Mohamed musste dort sterben. Dort wurde er mehrfach missbraucht. Dort wurde er mit einem Gürtel erdrosselt. Dort lag sein Leichnam 27 Tage in einer gelben Plastikwanne, bedeckt mit Katzenstreu. Die Eltern bemerkten nichts davon.
Wo Silvio S. mit diesem Transporter überall war, ob er noch andere Autos benutzte, noch andere Kinder fing, das muss nun erst noch ermittelt werden.
Die schrecklichen Geständnisse könnten nach Einschätzung von Polizeipsychologe Adolf Gallwitz (64) erst der Anfang der Aufklärung einer Serie von Morden sein. „Es spricht alles dafür, dass er nicht mit zwei Morden angefangen hat. Es muss noch andere Taten geben“, sagte der Profiler der Berliner Zeitung.
http://www.bild.de/regional/berlin/mord/bild-in-kaltenborn-43222460.bild.html
BILD IM HEIMATORT VON KINDER-KILLER SILVIO S.
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Ein Dorf, in dem 84 Leute
leben, jeder jeden kennt
Mutter von Silvio S.: „Ich bin so gut wie tot!“
Berlin – Das Grauen wohnt in einem 84-Seelen-Dorf namens Kaltenborn. Eine von Linden gesäumte Allee führt in den am Sonnabend von dichtem Nebel verhangenen Ort. Hier wohnte Silvio S. (32), der Mann, der die Morde an Mohamed und Elias gestanden hat.
Kaltenborn, ein Ortsteil von Niedergörsdorf in Südbrandenburg, das ist eine Straße, eine Bushaltestelle und eine Kreuzung. Einmal täglich bringen der Bäcker und ein Fleischer Waren ins Dorf, denn hier gibt es nichts: Keine Geschäfte, keine Kneipe, noch nicht einmal einen Dorfplatz.
Wer einkaufen will, muss ins benachbarte Jüterbog fahren. Die für Sonnabend geplante Halloween-Party in Kaltenborn wurde wegen der unfassbaren Verbrechen abgesagt.
Fremde im Dorf werden von wackelnden Gardinen begrüßt, aus den bescheidenen Häusern dringen neugierige Blicke nach draußen. Hier weiß jeder, was der andere treibt. Denkt man. Ein Anwohner sagt: „Hier kennt jeder jeden, wir sind alle gute Nachbarn und reden miteinander.“
Umso schockierter sind die Kaltenborner, dass ausgerechnet einer von ihnen ein Kindermörder ist. Nachbarn beschreiben Silvio S., den hier alle nur „Berti“ nennen, als extremen Einzelgänger, den man ab und zu mit seinem Hund Gassi gehen sah. Ein Bekannter der Familie sagt: „Er ist ein ganz ruhiger Typ, der immer einen Schritt zurücktritt, wenn man ihn anspricht und einem nicht in die Augen schaut.“
Silvio S. wohnte mit seinen Eltern in einer Doppelhaushälfte am Straßenende des Dorfes. Die Fassade ist unverputzt braun, wurde seit der Wende nicht mehr renoviert. Auf dem Dach hat der Vater vor Jahren eine Solaranlage installiert. Vor Silvios Fenster im Obergeschoss hängen Spitzengardinen: Dahinter geschah die schreckliche Tat.
Auf der anderen Straßenseite wohnt Silvios Oma in einem typischen Brandenburger Bauernhof aus rotem Backstein. Wenige Meter dahinter endet das Dorf, hier erstrecken sich braune Felder und Apfelbäume bis zum Horizont. Eine Nachbarin und Bekannte der Familie sagt: „Ich kann nicht fassen, dass Silvio so etwas Schreckliches getan hat. Letzten Sonntag war er doch noch bei seiner Oma zum Essen.“
Jetzt ist der Horror in die graue Normalität des Dorfes geplatzt. Polizei und Spurensicherung suchen jeden Winkel des Grundstücks ab, auf dem Silvio S. wohnte. Nachbarn fragen sich, ob er etwa noch mehr Kinder getötet hat. Eine Anwohnerin, die vor Kurzem erst nach Kaltenborn gezogen ist, sagt: „Ich dachte eigentlich, ich muss hier um meine Kinder keine Angst haben und dann passiert so etwas.“
Mutter von Silvio S.: „Ich bin so gut wie tot!“
ARSCHLOCH!
In großen schwarzen Lettern prangt das Wort auf der herabgelassenen Jalousie eines Getränkehandels in Luckenwalde. Der Laden gehört Astrid S., der Mutter eines Kindermörders.
Die Schmiererei macht sichtbar, was viele denken mögen. Doch sie zeigt auch die Ohnmacht und Unfähigkeit der Menschen, zu begreifen, welches Drama sich unbemerkt in ihrer Nachbarschaft abspielte. Unsichtbar aber bleibt das Drama der Eltern von Silvio S. – auch sie haben auf unfassbar grausame Weise ein Kind verloren. Darum zu trauern erlaubt ihnen die Öffentlichkeit nicht.
Astrid (52) und Dieter S. (72) müssen weitermachen, Geld verdienen. Am Freitagmorgen, keine 24 Stunden nachdem sie die furchtbare Wahrheit erfuhren, steht das Ehepaar wieder im Laden. die Mutter an der Kasse, der Vater, früher Schäfer, heute Rentner, räumt im Lager Getränkekisten.
„Wie soll es mir schon gehen“, sagt Astrid S., als der BILD-Reporter sie anspricht „Ich bin doch schon so gut wie tot.“ Sie möchte nicht fotografiert werden. Sie wirkt zerbrechlich, verzweifelt.
Am Donnerstagmorgen gestand Silvio S. seinen Eltern, der Mann auf den Überwachungsbildern zu sein. Astrid S. rief die Polizei, ließ ihren Sohn verhaften.
„Was Die Mutter getan hat, war ungeheuer mutig und ethisch richtig.“, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité.
Seit dem Geständnis von Silvio S., so berichtet auch Oma Gisela S. (80), habe die Familie nicht mehr geschlafen. „Wir sind alle fertig. Ich möchte nicht glauben, dass er das getan hat“.
Die erste Nacht verbringen Astrid und Dieter S. in ihrer Wohnung auf der anderen Straßenseite. Denn im Haus der Eltern arbeitet die Spurensicherung. In der Wohnung des Mörders im Obergeschoss. Sie ist jetzt ein Tatort.
Mindestens Mohamed musste dort sterben. Dort wurde er mehrfach missbraucht. Dort wurde er mit einem Gürtel erdrosselt. Dort lag sein Leichnam 27 Tage in einer gelben Plastikwanne, bedeckt mit Katzenstreu. Die Eltern bemerkten nichts davon.
Wo Silvio S. mit diesem Transporter überall war, ob er noch andere Autos benutzte, noch andere Kinder fing, das muss nun erst noch ermittelt werden.
Die schrecklichen Geständnisse könnten nach Einschätzung von Polizeipsychologe Adolf Gallwitz (64) erst der Anfang der Aufklärung einer Serie von Morden sein. „Es spricht alles dafür, dass er nicht mit zwei Morden angefangen hat. Es muss noch andere Taten geben“, sagte der Profiler der Berliner Zeitung.