Robin76 schrieb:Ich würde sagen ein ort, an dem er mal besonders glùcklich war, sich sehr wohl fühlte und vielleicht wo es sogar menschen gibt, die vorübergehend für ihn verständnis haben, ihn nicht verraten bis er sein leben wieder geordnet hat.
Und denkst du da ist er aktuell noch dran?
Ich wiederhole mich da, aber die meisten Austeigerszenarien die hier entworfen werden sind weldfremd, weil meistens nur über eine Art Selbstfindungs bzw. Selbstverwirklichungsideologie gesprochen wird und dabei praktische Aspekte so gut wie ausgeklammert werden. Wo lebt er? Wie ernährt er sich? Von wessen Geld kauft er Kleidung und Kosmetikartikel? Wie kommt er in einem Land zurecht dessen Sprache er nicht spricht? Wie kann er es seitdem mit seinem Gewissen vereinbaren, dass seine Mutter halb umkommt vor Sorge und sein Vater womöglich demnächst ganz? usw...
Die meisten retten sich aus diesem Dilemma indem sie einen Kreis Supporter herbeifantasieren, der Lars seit nunmehr einem Jahr nicht nur komplett aushalten, sondern ihn zusätzlich noch von den Fahndungsmaßnahmen abschirmen müsste. Das wirft dann aber wieder neue, praktische Fragen auf: Wer versorgt einen wildfremden menschen über fast ein Jahr? Warum unterstützt man einen Menschen dabei, sich vor seinem alten Umfeld zu verstecken? Warum widerstehen alle Mitglieder des Unterstützerkreises einer Belohnung die in Bulgarien dem Wert von mehreren Jahresgehältern entspricht? Wie konnte es seit einem Jahr gelingen Lars so gut versteckt zu halten, dass es seitdem keinerlei bestätigtes Lebenszeichen mehr von ihm gibt?
Selbst wenn er das Bedürfnis gehabt hätte sein Leben zu ordnen ist es eher unvorstellbar, dass es ihm unter den gegebenen Umständen gelungen ist. Ausstieg muss man sich leisten können - Ausstieg ist (entgegen der idealisierenden Annahmen hier) ein Luxusartikel. Das ist etwas für Menschen mit Vermögen (aktuelles Beispiel evtl. Jürgen Klopp), oder mit der Möglichkeit ihre Aussteigererfahrungen in Buchform zu kapitalisieren (Hape Kerkeling). Die meisten Menschen können sich den Luxus einer Neuorientierung, eines Innehaltens einer Odrnung ihres Lebens nicht leisten, so groß der Bedürfnis danach auch sein dürfte. Und wenn sie es doch versuchen, finden sie sich meist in einer Situation wieder die schlimmer ist als die vorherige.