Die Zukunft des Fernsehens
20.05.2015 um 18:02
Ich kann das auch so bestätigen.
Es erscheint mir mittlerweile fast schon absurd zu festgelegten Zeiten vor dem TV zu sitzen und das obwohl ich das von früher (bin 30) noch sehr gut kenne und so aufgewachsen bin. Die jüngere Generation (unter 25 würde ich sagen) versteht das Konzept eigentlich gar nicht mehr und wird es auch nicht mehr begreifen, die kennen es gar nicht mehr anders. Was ich bei denen allerdings nicht verstehe ist, wieso man auf youtube oder Twitch anderen dabei zuguckt wie sie Spiele spielen?! Das ist doch stinklangweilig. Da spiele ich doch lieber selbst, ist 10x besser.
Seit ungefähr 10 Jahren schon nehme ich TV Sendungen digital auf und gucke sie dann wann ich will und ohne Werbung. Viel praktischer, spart Zeit. Wenn ich dann mal normales TV gucke ist das selten geworden und das aushalten der Werbung verursacht fast schon körperliche Schmerzen. Bis vor wenigen Jahren (ca. 2-3 Jahre her) habe ich mich regelmäßig mit Freunden getroffen um bei denen oder bei mir zusammen neue Folgen von Serien wie Two and a half men, How I met your mother, Big Bang Theory oder den Simpsons zu gucken. Es wurde vorher gekocht, dann rechtzeitig zur Serie gegessen oder es gab Chips und Süßigkeiten.
Das hörte dann schleichend auf. Wohl ungefähr zur selben Zeit wie die Verbreitung und Kenntnis von Mediatheken zunahm. Heute hat keiner mehr Zeit und Lust auf sowas. Kann ich verstehen, ich fand es damals schon besser aufzunehmen.
Seit ich Amazon Instant Video und Netflix habe (beide seit letztem Jahr), ging der TV Konsum noch mehr zurück. Nicht nur das dort fast alles in HD ist (mein normales TV ist nur Digital SD da ich keinen Bock auf HD+ mit seinen Gebühren und Einschränkungen habe), sondern auch die ganzen anderen Vorteile sind fast schon unglaublich gut. Es ist erstaunlich was man da für 8,99€ bei Netflix alles bekommt. In den USA ist der Content zwar ca. 6x größer, aber dafür gibt es das dort schon seit 2007 und nicht erst seit September 2014. Ich hatte es 2007 in den USA zum ersten Mal erlebt und konnte es kaum glauben das sowas möglich ist.
Damals dachte ich mir, dass es bestimmt 10 Jahre dauern wird bis es das hier gibt, falls überhaupt.
Einen "Nachteil" bei Netflix und Co. sehe ich aber: Manchmal weiß man einfach nicht was man gucken soll - zu große Auswahl, keine Lust zu überlegen, etc. Der Vorteil des TVs ist da: Man bekommt einfach etwas serviert ohne groß denken zu müssen.
Was mich allerdings nachdenklich macht: Früher war fernsehen der große "Vereiniger", Gesprächsthema, kultureller Angelpunkt. Man wusste: 10 Millionen andere gucken das auch gerade, man ist nicht allein, gehört zu etwas größerem, gemeinsamen, deshalb wollte man auch dabei sein. Am nächsten Tag konnte man darüber reden, auf dem Schulhof, in der Bar. Eine gemeinsame, geteilte Fernsehidentität. Ein Gemeinschaftsgefühl, es fühlte sich gut an dabei gewesen zu sein.
Das gibt es nun kaum noch, abgesehen vlt. von Tatort (nie gesehen!) und WM, EM. Jeder schaut seine eigenen Sachen in seinem Tempo, zur eigenen Zeit, sei es aufgenommen, gestreamt oder liest eigene Webseiten, hört eigene Musik per Streaming etc. Falls man über etwas reden will, so ist das nicht zu empfehlen, man könnte ja jemanden aus Versehen "spoilern" der noch nicht so weit ist in Serie XY.
Also was eint dann die Bevölkerung noch? Gibt es überhaupt noch etwas? Ist es die Sprache, Herkunft, die Verfassung, Geschichte, die Regierung, Gesetze, die gemeinsamen Landesgrenzen, Traditionen, die EU?
Könnte die verlorene gemeinsame Identität, das Gefühl des Zusammengehörens (ob real oder imaginär), dafür sorgen, dass der Zusammenhalt, die Sitten, in der Bevölkerung abnehmen? Alles verroht, keiner kümmert sich mehr um den anderen, Gewalt, Verbrechen, Anonymität (von vielen sogar als positiv, erstrebenswert gesehen) steigen an. Jedem ist alles scheißegal. Keine Rücksicht, Freundlichkeit mehr. Ich merke diese soziale Kälte und Veränderung sehr deutlich im Vergleich zu früher. Ist es überhaupt noch zu verantworten in solch eine Welt Kinder zu setzen, obwohl man das alles weiß?
Nur noch mit Scheuklappen auf denen steht: "Lasst mich in Ruhe" jeden Tag 8h einen sinnlosen Job machen mit dem Ziel nach Hause zu kommen um netzuflixen bis man einpennt?
Ist das die Zukunft des "TV", der Gesellschaft?
Ironischerweise gehe ich jetzt "Simpsons" gucken auf Pro7. Die alten Folgen, die ich noch nicht alle kenne und immer wieder gut sind.