Jimtonic
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Fettattacke auf den Krebs - neues Heilmittel?
10.06.2008 um 17:21Diesen interessanten Artikel habe ich heute in der Zeitung gelesen. Es geht um ein mögliches neues Medikament gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs, was aber im Prinzip auch jede andere Krebsart mit eigener Gefäßversorgung stoppen kann.
Der 49-jährige Forschungsvorstand der Münchner Biotechfirma Medigene hat ungewöhnliche Daten im Gepäck. Ein Medikament, an dem er seit vier Jahren arbeitet, hat in einer klinischen Studie gut bei Patienten angeschlagen, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs leiden. Dieser Krebs ist zwar selten, aber besonders aggressiv: Unter den krebsbedingten Todesursachen steht er bei Männern auf Platz fünf, bei Frauen auf Platz vier - obwohl er nur drei Prozent aller Krebsfälle ausmacht.
Mit dem neuen Medikament namens Endotag verbesserten sich die Überlebenschancen deutlich. Eine Wunderdroge sei das Mittel zwar nicht, sagt Mescheder: "Viele unserer Annahmen müssen sich erst noch bestätigen, aber es sieht vielversprechend aus." Die Firma will aus dem Wirkstoff einen Milliardenseller machen. Denn getestet wird er zwar an Bauchspeicheldrüsenkrebs, prinzipiell könnte er aber fast jede Krebsart stoppen.
Das Erfolgsrezept: Endotag ist primitiv. Kein Designermolekül, das mit maßgeschneiderten Andockstellen Krebszellen angreift. Sondern ein Fettkügelchen, gefüllt mit einem altbekannten Chemotherapiemittel, dessen Patentschutz längst abgelaufen ist. Dass Endotag wirkt, liegt an der elektrischen Ladung der Fettkugel: Sie ebnet dem Medikament den Weg zu einer Schwachstelle jedes Tumors.
Der Angriffspunkt des Wirkstoffs sind die Enden von frisch sprossenden Blutgefäßen, die sich auf den Weg gemacht haben, ein Krebsgeschwür mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Ab einem bestimmten Wachstumsstadium, bei der Größe von einem Millimeter, braucht ein Tumor neue Energie- und Nährstoffquellen. Dazu sendet er eine besondere Art von Botenstoffen aus: Blutgefäß-Wachstumsfaktoren, kurz VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor). Sie docken an Rezeptoren auf der Oberfläche nahe liegender Blutgefäße an, das löst die Bildung neuer Äderchen aus.
Eines der erfolgreichsten Medikamente im Krebsmittelmarkt greift in diesen Prozess ein und verhindert das Aderwachstum: Avastin aus dem Labor der Roche-Tochter Genentech. Der Wirkstoff besteht aus künstlichen Antikörpern, die sich an die VEGF-Moleküle binden und sie so unwirksam machen. Mit Avastin, das zur Behandlung von Darm-, Brust- und Lungenkrebs zugelassen ist, erzielte Roche 2007 einen Umsatz von 4,1 Mrd. Schweizer Franken.
Doch Tumorgewebe ist sehr erfinderisch und lernt mit der Zeit, die Blockade zu umgehen. Es produziert andere Wachstumsfaktoren, gegen die Avastin nicht wirkt. Selbst beim Darmkrebs geschieht dies schon nach durchschnittlich zwei Monaten.
Dagegen wirkt Endotag direkt auf den Aderspross ein. Während des schnellen Wachstums ist dessen Oberfläche angreifbar. Im Ruhezustand sind die Blutgefäßzellen mit einem dichten Saum aus Zuckermolekülen überzogen, der Glykokalix. Während des Wachstums aber klaffen Lücken zwischen den Zellen, die Glykokalix wird löchrig.
Die Oberfläche der Blutgefäßzellen ist negativ geladen. Normalerweise schirmt die Glykokalix diese Ladung ab, doch durch die aufgerissenen Löcher wird sie zugänglich - und zieht die positiv geladenen Endotag-Fettkügelchen an.
Das in den Kügelchen enthaltene Medikament Paclitaxel kommt nun in Kontakt mit den Aderzellen und stoppt ihr Wachstum. Gesunde Adern werden nicht in Mitleidenschaft gezogen, weil ihre intakte Glykokalix sie schützt. Ansonsten wären starke Nebenwirkungen zu befürchten.
"Ich habe schon an einigen großen Studien dieser Art bei Bauchspeicheldrüsenkrebs teilgenommen, aber noch nie hat ein so großer Anteil der Patienten auf eine Behandlung angesprochen", sagt Matthias Löhr, Mediziner am Karolinska Institut in Stockholm und Leiter der Endotag-Studie. "Es ergeben sich für manche Patienten deutliche Überlebensvorteile gegenüber der etablierten Standardtherapie."
Die etablierte Standardtherapie besteht aus Gemcitabin, einem Wirkstoff, der sich in die Erbsubstanz der Tumorzellen einschleust und dort den natürlichen DNA-Baustein Cytosin ersetzt. Dadurch wird die Zellteilung unterbrochen, die Zelle stirbt. Der Erfolg ist beschränkt: Nach einem Jahr Behandlungszeit leben noch 17 Prozent der Patienten. Dagegen überlebten in der Endotag-Studie in der erfolgreichsten Patientengruppe 36 Prozent das erste Jahr. "Wir haben eine relativ große Studie mit 200 Patienten gemacht, und der Erfolg war durchschlagend", sagt Löhr. "Bei den Nebenwirkungen gab es keine nennenswerten Zwischenfälle."
Was meint ihr dazu? Hat das Zukunft und wenn ja, was ist dann mit den ganzen Pharmaindustrie-Verschwöungstheorien, die hier ja ständig aufgestellt werden von wegen Patienten so lange wie möglich krank halten und mit Chemo&Bestrahlung abkassieren?
Artikel:
Medigene-HP: