@delta.m: Glad you asked!
:) Zunächst muss man streng zwischen Energie (im kinetischen Fall:
\frac{1}{2}mv^2) und Impuls (
m\overrightarrow{v}) unterscheiden. Das sind zwei verschiedene Baustellen mit zwei verschiedenen Erhaltungssätzen (für Drehimpuls gibt's noch mal einen extra). Der Impulserhaltungssatz besagt vereinfacht, dass die Summe
m\overrightarrow{v} aller Objekte eines Systems stets konstant bleibt.
delta.m schrieb:Hängt es nicht davon ab, wie die Kugel abprallt - also elastisch oder unelastisch?
Es gibt einen Unterschied zwischen diesen beiden Fällen, aber die Bewegung des Zylinders (damit ist die Bewegung in die ursprüngliche Richtung gemeint) endet unabhängig davon.
Ich möchte zu diesem Thema ausdrücklich den Wikipedia-Artikel zum
Stoß (Physik) empfehlen, der ganz hervorragend ist, und u.a. ein paar sehr anschauliche Animationen enthält.
Man unterscheidet zwischen dem elastischen Stoß (der Zusammenprall von Billardkugeln kommt dem ziemlich nahe) und dem unelastischen Stoß (der Zusammenprall von Knetekugeln kommt dem ziemlich nahe). Das sind die beiden Idealformen, reale Stöße sind Mischformen davon.
Zunächst ein paar Feststellungen (für die elastischen Stöße kann man sich Billardkugeln, für die unelastischen Stöße Knetekugeln vorstellen):
- Prallt ein bewegtes Objekt A ideal elastisch auf ein unbewegtes Objekt B gleicher Masse, kommt Objekt A zum Stillstand, und Objekt B bewegt sich in die Richtung und mit der Geschwindigkeit, mit der sich vorher Objekt A bewegt hatte. Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Kugelstoßpendel.
- Prallt ein bewegtes Objekt A ideal elastisch auf ein sich genau entgegengesetzt bewegendes Objekt B gleicher Masse, kehrt sich die Bewegung beider Objekte um, d.h. Objekt A bewegt sich in die Richtung und mit der Geschwindigkeit, mit der sich vorher Objekt B bewegt hatte, und umgekehrt.
- Prallt ein bewegtes Objekt A ideal unelastisch auf ein unbewegtes Objekt B gleicher Masse, bewegen sich beide Objekte zusammen in die Richtung und mit der halben Geschwindigkeit, mit der sich vorher Objekt A bewegt hatte.
- Prallt ein bewegtes Objekt A ideal unelastisch auf ein sich genau entgegengesetzt bewegendes Objekt B gleicher Masse, kommen beide Objekte zum Stillstand.
Wie man leicht nachprüfen kann, bleibt die Summe
(m\overrightarrow{v})_{A}+(m\overrightarrow{v})_{B} in allen Fällen konstant.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, der Zylinder und die Kanonenkugel aus meinem
Gedankenexperiment haben jeweils die gleiche Masse. Beim Abfeuern der Kanone am einen Ende beginnt die Kugel sich mit v auf das andere Ende des Zylinders zuzubewegen. Gleichzeitig beginnt der Zylinder sich mit -v in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen. Die Kugel und das "andere" Zylinderende bewegen sich also mit den Geschwindigkeiten v und -v aufeinander zu. Das entspricht den Fällen 2. und 4. in meiner obigen Liste.
Erfolgt der Zusammenprall am "anderen" Zylinderende ideal elastisch (Fall 2.) kehren sich beide Bewegungen um, d.h. die Kugel fliegt in Richtung des ursprünglichen Zylinderendes, und der Zylinder bewegt sich in die entgegengesetzte Richtung, in die er sich ursprünglich bewegt hatte. Sorgt man dafür, dass die Kugel am ursprünglichen Zylinderende wiederum ideal elastisch abprallt, ergibt sich daraus (idealisiert) eine dauerhafte Oszillation des Zylinders. Der Schwerpunkt des Gesamtsystems -- und das ist im Sinne dieses Threads entscheident! -- bewegt sich dabei aber
nicht.
Erfolgt der Zusammenprall am "anderen" Zylinderende ideal unelastisch (Fall 4.) kommen sowohl Kugel als auch Zylinder zum Stillstand.
Die ursprüngliche Bewegung des Zylinders endet also in jedem Fall.
delta.m schrieb:Aber mal angenommen, die Kugel erreicht gar nicht das andere Ende des Zylinders sondern bleibt auf der Hälfte des Weges durch die Luftreibung stehen.
Die Impulserhaltung gilt auch für die Luftmoleküle, die man sich im Sinne der
kinetischen Gastheorie als kleine hin- und herflitzende Objekte vorstellen kann, die elastisch untereinander und mit den Umgebungsobjekten zusammenprallen. Jedesmal, wenn ein Luftmolekül mit der Kanonenkugel zusammenprallt, wird die Kanonenkugel ein bisschen abgebremst, und das Luftmolekül ein bisschen in die Richtung des "anderen" Zylinderendes beschleunigt. Dieser Prozess setzt sich über den elastischen Zusammenprall unzähliger Luftmoleküle bis zum anderen "anderen" Zylinderende fort.
Anschaulicher ist das mit einem grossen "Luftmolekül" statt vieler kleiner. Nehmen wir an, in der Mitte des Zylinders ruht eine weitere Kugel. Wichtig ist, dass diese Kugel sich beim Abfeuern der Kanone
nicht mit dem Zylinder in Bewegung setzt, sondern relativ zum Betrachter ruht. Man kann natürlich auch den Fall betrachten, dass sich diese Kugel mit dem Zylinder in Bewegung setzt, aber das ist ein anderes Szenario. Die abgefeuerte Kugel bewegt sich also mit v auf die ruhende Kugel in der Mitte zu, was Fall 1. in der obigen Liste entspricht. Die abgefeuerte Kugel kommt beim (angenommen ideal elastischen) Zusammenprall zum Stillstand, und die ursprünglich ruhende Kugel bewegt sich mit v auf das "andere" Zylinderende zu. Im Endeffekt läuft dieses Senario also praktisch auf das gleiche hinaus wie das ursprüngliche Szenario, nur das die Kugel zwischendurch "ausgetauscht" wird.
Anstelle dass man der abgefeuerten Kugel eine grosse Kugel in den Weg stellt, kann man das natürlich auch mit mehreren kleinen machen. Macht man sie klein genug, entspricht das Luftmolekülen.
delta.m schrieb:Man könnte die Kugel auf dem Weg zur hinteren Wand auch noch durch eine Spule leiten und durch Induktion Strom erzeugen. Gleichzeitig wird die Spule dadurch ebenfalls abgebremmst ...
In diesem Fall gilt Actio=Reactio. Mit der gleichen Kraft, mit der die Spule die Kugel bremst, beschleunigt die Kugel die Spule. Sofern die Spule irgendwie am Zylinder befestigt ist, überträgt sich diese Kraft auf den Zylinder, der dadurch gebremst wird, was sich im Endeffekt nicht davon unterscheidet, als ob die Kugel direkt mechanisch auf den Zylinder einwirken würde.
Der Impulserhaltungssatz lässt sich genausowenig überlisten wie der Energieerhaltungssatz.
;)Am Rande noch ergänzend zu
@Abahatschi's Beitrag:
https://www.psiram.com/de/index.php/Felix_W%C3%BCrth_AG.