@ramisha Geschlechtsunterschiede ;-)
Die angeblich natürlichen, also biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau sind einerseits ein echter Klassiker unter den Stereotypen, andererseits ist es sehr zeitgenössisch, ausführlich die Unterschiede der Gehirne der verschiedenen Geschlechter zu beleuchten. Buchtitel wie "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" werden gerne zu Bestsellern. Es ist sehr in Mode, geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede mit den neurologisch unterschiedlichen Hirnen zu begründen, sehr oft verbunden mit evolutionsbiologischen Argumenten. Frauen sind demnach emotionaler, weil ihr Körper ihnen das diktiert, aus dem gleichen Grund denken Männer stärker abstrakt. Der berühmte Satz von Simone de Beauvoir: "Man wird nicht als Frau geboren, man wird es", gilt vielen nichts mehr. Da ist der Weg wieder kurz zu den Argumenten über den "physiologischen Schwachsinn des Weibes" (Naica-Loebell 2008).
Frauen sind weniger suchtgefährdet, begehen seltener Selbstmord, ertragen Schmerzen und Stress besser und bringen in der Schule im Durchschnitt bessere Leistungen als Männer. Nach den Erkenntnissen der Genforschung sind sie auch noch klüger und üben auf Grund des X-Chromosoms, das vor allem für intelligente Leistungen zuständig ist, starken Einfluss auf die Intelligenzentwicklung aus, denn Frauen verfügen über zwei X-Chromosomen, sodass Defekte bei Männern oft schwerwiegendere Auswirkungen haben als bei Frauen. So ist etwa die geistige Minderbegabung bei Männern häufiger als bei Frauen anzutreffen, allerdings findet man unter Männern nach einer Studie an der Universität Edinburgh auch mehr Hochbegabte, denn unter den intelligentesten zwei Prozent der Bevölkerung gibt es doppelt so viele Männer wie Frauen. Allerdings sind die Männer auch in der Gruppe mit geringer Intelligenz besonders stark vertreten. Die Hochintelligenz bei Männern ist für manche Forscher ein wichtigen Bestandteil der menschlichen Evolution, denn mit einer überragenden Intelligenz gelingt es nicht nur, für viele Frauen attraktiver zu sein und mit ihnen Nachkommen zu zeugen, sondern sie ist auch im täglichen Existenzkampf förderlich. Die Entwicklung der Intelligenz der Menschheit ist demnach vorwiegend den Wünschen und Erwartungen der Frauen zu verdanken. Bei der Intelligenzvererbung spielt der Mann ebenfalls eine untergeordnete Rolle, denn ein Vater gibt seine Intelligenz nur an seine Tochter weiter, nicht aber an seinen Sohn. Der Sohn bekommt nur die Intelligenzgene auf dem X-Chromosom von seiner Mutter.
Der Mensch ist mehr als ein Säugetier, aber Säugetier ist er fundamental auch und zu allererst. Es gibt daher ein weibliches und ein männliches Gehirn, denn das Säugetier Mensch existiert in der Regel als Mann und Frau, die sich in vielen Aspekten deutlich voneinander unterscheiden, die vor jeder Sozialisation liegen und es ist durch keine Sozialisation bisher gelungen, diese basalen Unterschiede aufzuheben. Insgesamt betrachtet nutzen Frauen ihr Gehirn anders als Männer, wie viele Untersuchungen zu Wahrnehmung, Orientierung und Koordination zeigen. Das Sehfeld ist bei Frauen größer, Männer sehen dafür schärfer, Frauen können einzelne Finger gezielter bewegen, Männer werfen und fangen dafür besser. Bei der Wegsuche verlassen sich Männer häufiger auf ihre Fähigkeiten, Richtungen und Entfernungen besser abzuschätzen, während sich Frauen an charakteristischen Objekten orientieren. Frauen nutzen ihr Gehirn jedoch nicht so einseitig wie Männer und können deshalb in vielen Bereichen Funktionsstörungen besser kompensieren. Allerdings spiegeln sich in vielen Forschungsergebnissen nicht nur die Erbanlagen sondern auch Umwelteinflüsse. In allen Kulturen und zu allen Zeiten gab es zahlreiche Vorstellungen über die Unterschiede der Geschlechter, wobei lange die Idee von einer natürlichen biologischen Verschiedenheit dominierte, die gesellschaftlich zur Formulierung einer spezifisch weiblichen und männlichen Identität führte. Aktuell werden die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowohl als Ergebnis der Geschichte als auch der Sozialisation interpretiert.
Die englische Sprache bietet dabei eine Differenzierung von Geschlecht an: "gender" als soziales und "sex" als biologisches Geschlecht. "Sex" wird durch Anatomie, Physiologie und Hormone determiniert, während "gender" den erworbenen Status bzw. sozial und kulturell geprägte Geschlechtscharaktere meint, die durch Sozialisationsprozesse angeeignet werden. Zunehmend wird das Geschlecht auch nicht mehr nur als körperlicher oder sozialer Zustand sondern als Prozess von Geschlechtsidentität und Geschlechterbeziehungen gesehen. Geschlecht ist demnach keine fixe Rolle, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, ein Produkt sozialen Handelns, das eine soziale Reproduktion von Regeln und Strukturen beinhaltet.
Geschlechtsrollenkonflikte findet man auch bei typischen Frauen- und Männerberufen, wobei der Geschlechtsrollenkonflikt zwei Aspekte beinhaltet: Die Diskrepanz zwischen der erwünschten und der tatsächlich erlebten Behandlung durch andere, und die Diskrepanz zwischen dem Selbstbild und den von außen gestellten Erwartungen. Negative Folgen erhöhter Geschlechtsrollenkonflikte können sich im Beruf mit Unzufriedenheit, Neigung zum Berufswechsel oder Abwesenheit vom Arbeitsplatz zeigen. Im familiären Bereich resultieren Geschlechtsrollenkonflikte eher in Depressivität. Niedriges Geschlechtsrollenkonflikte-Erleben hat im Gegensatz dazu emotionale und körperliche Gesundheit zur Folge. Grundsätzlich haben Frauen ein stärkeres Geschlechtsrollenkonflikte-Empfinden als Männer. (vgl. Rustemeier & Thrien, 2001, S. 34-35). Man unterscheidet in der Forschung zwischen biologischem Geschlecht (engl. sex) und sozialem Geschlecht (engl. gender). Bei Personen, bei denen diese beiden Geschlechter stark differieren kommt es vermehrt zu Geschlechtsrollenkonflikten. Unterschiedliche Berufe können unterschiedliche geschlechtstypische Images aufweisen. Dieses Image hängt einerseits vom Frauen- bzw. Männeranteil des Berufs, andererseits von den mit dem Beruf assoziierten männlichen oder weiblichen Eigenschaften ab. Die Maskulinität eines Berufes ist immer noch stark mit seiner Entlohnung und seinem Prestige verbunden (vgl. Rustemeier & Thrien, 2001, S. 35). Die einfachste Art der Passung wäre die Übereinstimmung mit dem biologischen Geschlecht. Es spielen aber auch die besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften die eine Person hat eine Rolle. Bei zu großen Unterschieden zwischen Berufsimage und Eigenschaften der ausführenden Person wirkt sich das meist negativ aus. Generell sind Frauen und Männer eigentlich gleich erfolgreich, nur eben in verschiedenen Berufen. Eben Frauen in Frauenberufen und Männer in Männerberufen. Frauen haben allerdings den Nachteil das typische Männerberufe immernoch besser bezahlt sind. Die Passung wirkt sich stark auf das Geschlechtsrollenkonflikte-Empfinden der Personen aus. Bei schlechter Passung ist das Empfinden hoch, sonst vergleichsweise niedrig (vgl. Rustemeier & Thrien, 2001, S. 35-36).
Janet Hyde (University of Wisconsin) analysierte zahlreiche verfügbare Daten zu Geschlechtsunterschieden in einer Metaanalyse und fand eine Liste von 124 untersuchten Eigenschaften. Angefangen vom Ins-Wort-Fallen über die sexuelle Erregbarkeit bis hin zum abstrakten Denken scheinen sich Männer und Frauen tatsächlich signifikant zu unterscheiden. Für die Bewertung mindestens ebenso wichtig ist aber die Effektstärke, also jenes statistische Maß, das die Differenz zwischen den zwei Mittelwerten mit der Variabilität innerhalb der beiden Gruppen mitberücksichtigt. Dabei erwiesen sich aber etwa 80 Prozent der gefundenen Geschlechtsunterschiede als so klein, dass ihnen kaum praktische Relevanz zukommt, denn die Ähnlichkeiten zwischen den Geschlechtern sind in fast allen Bereichen sehr viel größer als die Unterschiede.
Quelle:
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/PSYCHOLOGIEENTWICKLUNG/Geschlechtsunterschiede.shtml