Trinkwasser aus Wüstenluft Die neue Maschine melkt Luft nach dem Prinzip des Wäschetrockners Herten - Mit Klimatechnik aus dem Bergbau will ein deutscher Ingenieur versuchen, das weltweite Trinkwasserproblem zu lösen. Dazu soll gewissermaßen die Luft "gemolken" werden. Nicht neu erfinden, aber Vorhandenes intelligent kombinieren ist Hubert Hamms Motto. Der 44jährige erinnerte sich, was er in Herten im Ruhrgebiet als Elektriker im Bergwerk und später als Ingenieur und Klimaanlagenspezialist gelernt hatte. Die Idee: "Die Kühlanlagen unter Tage produzieren Kondenswasser sozusagen als Abfall. Das mußte sinnvoll zu nutzen sein."
Heute kondensieren seine Maschinen nach dem Prinzip eines Wäschetrockners aus feuchtwarmer Luft die darin gespeicherte Feuchtigkeit. Sie schicken den Luftstrom über ein Kühlgitter, an dem Tröpfchen hängen bleiben. Je nach Größe der Apparatur tropfen aus den Geräten zwischen 24 und bis zu 6000 Liter Wasser pro Tag. "Das mineralisieren wir", erklärt Hamm, "und erhalten somit Trinkwasser nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation."
Von der WHO hat Hamm auch die Zahlen über die weltweite Wasserknappheit, die ihn antreiben: Ein Fünftel aller Menschen auf dem Globus haben keinen Zugang zu ausreichend Trinkwasser. Tendenz steigend. WHO-Experte Jamie Bartram kommentierte: "Heute sind mehr Menschen durch fehlendes Trinkwasser bedroht als durch Kriege und Terrorismus".
Hamms technisches Know-how soll eine Quelle anzapfen, die genug Wasser für alle spendet: Jedes Jahr nämlich verdunsten über eine halbe Million Kubikkilometer Wasser aus den Meeren und Flüssen der Erde. Der Großteil davon fällt zwar als Regen wieder in die Ozeane zurück, doch speichert die Lufthülle gigantische Mengen an Wasser: "Zehnmal mehr Wasser, als in allen Flüssen und Seen fließt", sagt Hamm. Selbst über den Wüsten enthält die Luft noch Feuchtigkeit. Die meisten Länder, in denen Trinkwasser knapp ist, liegen in Klimazonen mit Temperaturen von durchschnittlich über 20 Grad und einer relativen Luftfeuchtigkeit von etwa 75 Prozent. Jedes Kilogramm Luft speichert dort rund 16 Gramm Wasser. "Wenn wir die Luft auf zehn Grad abkühlen", rechnet Hubert Hamm, "enthält sie nur noch acht Gramm." Die anderen acht Gramm fangen seine Maschinen auf.
Und weil er im Bergbau gelernt hat, Geräte robust zu konstruieren, ist der Ingenieur überzeugt, daß er sie nahezu überall auf der Welt installieren kann. Das macht doppelt Sinn: Denn die als "Abfall" entstehende kühle Luft kann in warmen Ländern Häuser klimatisieren. "Wenn wir das Wasser aus der Luft gewinnen", erklärt Hubert Hamm, "ist das sinnvoller als der Betrieb von Entsalzungsanlagen." Die verschlingen nicht nur viel Energie, "sie belasten die Umgebung auch mit dem überschüssigen Salz".
Der Energiebedarf der Technologie bleibt dennoch hoch und somit eine wesentliche Einschränkung. Hamm möchte Windräder oder Solarmodule nutzen, um "saubere" und kostenlose Energie zu gewinnen, doch die Anlagen selbst sind in vielen Entwicklungsländern kaum zu finanzieren.
Der richtige Markt und die passenden Geldgeber scheinen sich jedoch herauszukristallisieren. Nachdem seine Idee vermehrt Forschungs- und Entwicklungsausgaben verschlang und er sich Geld bei seiner Familie leihen mußte, fand er schließlich einen arabischen Investor. Im arabischen Raum herrscht Wasserknappheit und zugleich Öl- und damit Energiereichtum. Der Investor bot an, den Börsengang zu finanzieren. Seit Herbst 2004 werden "Aqua Society"-Aktien in New York und Frankfurt am Main gehandelt.
(Quelle:
http://www.welt.de/data/2005/04/02/620444.html (Archiv-Version vom 05.04.2005))
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